Belgien: „Veränderungen in der Kirche mit Demut begleiten“
Xavier Sartre und Gudrun Sailer – Vatikanstadt
Der Priester, der Anfang September die Bischofsweihe empfängt, war am Donnerstag an Peter und Paul in Rom bei der Messe von Papst Franziskus mit der Segnung der Pallien anwesend. Als Erzbischof von Mechelen-Brüssel wird er zugleich Primas von Belgien, einem Land, dessen traditionsreiche katholische Kirche einen starken Rückgang in der Glaubenspraxis und bei den Berufungen verzeichnet. Der Einfluss der Religion sinkt, die Zahl der Konfessionslosen steigt.
Als erste Herausforderung in seinem neuen Amt nannte Terlinden in unserem Interview die Verkündigung des Evangeliums, „wirklich eine Priorität. Für mich geht das in erster Linie über lebendige und ausstrahlende Gemeinden.“ Dafür wolle er sich einsetzen. Aktive Gemeinden seien Gemeinschaften, die das Evangelium hören, beten, Eucharistie feiern und schließlich „Solidarität und Geschwisterlichkeit leben“, so der designierte Erzbischof von Mechelen-Brüssel, der als bischöflichen Leitspruch „Fratelli tutti“ wählte, den auf Franz von Assisi bezogenen Titel der Enzyklika von Papst Franziskus „über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“.
Terlinden will besondere Aufmerksamkeit auf die bestehenden Gemeinden legen und „sehen, wie sie sich in einer Zeit des Wandels weiterentwickeln werden“. Die Veränderungen seien „sehr markant“, so der künftige Primas von Belgien. „Die Kirche, die ich in meiner Kindheit kennengelernt habe, und die Kirche von heute sind so unterschiedlich. Wir sind in eine viel stärker säkularisierte Gesellschaft eingetreten, und haben eine Kirche, die bescheidener ist, aber dennoch ihren Platz hat. Aber man muss all diese Veränderungen durchleben und auch diese institutionellen Veränderungen in der belgischen Kirche begleiten, die sehr viele karitative Werke trägt, viele Schulen und Krankenhäuser. All das verändert sich heute. Man muss das so gut wie möglich begleiten, mit Demut, glaube ich - aber das ist auch eine große Herausforderung.“
Auch auf Brüssel als EU-Hauptstadt will Terlinden mehr zugehen: „Mir scheint, dass dort noch mehr getan werden kann, auf diesem Platz der Kirche auch in diesem Herzen der europäischen Institutionen, mit all den Herausforderungen, die sich Europa heute stellen.“ Als weitere Herausforderung nannte der künftige Primas von Belgien den interreligiösen Dialog, „insbesondere in einer Stadt wie Brüssel, wo es eine sehr große muslimische Gemeinschaft gibt und überhaupt eine große Vielfalt der Religionen.“
Terlinden folgt in Brüssel auf Kardinal Jozef de Kesel, dem er in den vergangenen Jahren als Generalvikar zur Seite stand. Er teile „vieler seiner Bestandaufnahmen“, sagte Terlinden über seinen Vorgänger, besonders über den Platz der Kirche in der heutigen Gesellschaft und ihre Aufgabe. De Kesel hatte vor wenigen Jahren ein vielbeachtetes Buch über Glaube und Religion in einer säkularisierten Welt vorgelegt. Er wolle aber auch eigene Akzente setzen, so Terlinden unter Verweis auf seine Erfahrungen als Pfarrer und Vikar, namentlich plane er „einen sehr pastoralen Ansatz vor Ort“. „Wir werden glaubwürdig sein, wie Charles de Foucauld sagt, wenn wir ein Apostolat der Güte entwickeln, wenn wir uns als grundsätzlich gut und dem Evangelium treu erweisen und dabei unsere Botschaft und ihre Forderungen nicht verbergen. Unsere Glaubwürdigkeit wird abhängen von der Übereinstimmung zwischen dem, was wir sagen, und dem, was wir tun." Terlinden ist Mitglied einer Priesterbruderschaft, die sich auf den französisch-algerischen Wüstenheiligen Charles de Foucauld beruft.
Da katholische Bischöfe üblicherweise erst mit 75 Jahren um ihre Entpflichtung bitten, wird der 54 Jahre alte Terlinden voraussichtlich noch lange an der Spitze der Erzdiözese stehen. „Das fordert mich zu einer gewissen Geduld auf", räumt er ein. Es sei auch ein Vorteil in einer größeren Perspektive und im Rahmen der von Papst Franziskus begonnenen synodalen Neuausrichtung der Kirche. Seine mutmaßlich lange Amtszeit werde es ihm „ermöglichen, am besten mit den Christen, mit den Gemeinden und mit meinen Mitarbeitenden zu unterscheiden, wohin der Herr uns ruft. Man wird keine Antworten auf diese Herausforderungen finden, wenn man sich in einem Büro im Erzbistum einschließt; es ist wirklich notwendig, dass wir gemeinsam, als Volk, unterscheiden. Und eine Bekehrung braucht immer Zeit."
(vatican news – gs)
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