Indien: Manipur in Flammen
Mehr als hundert Menschen wurden bislang getötet, über 50.000 wurden vertrieben. Brände und Plünderungen von Häusern, Kirchen, Schulen und anderen Einrichtungen gehen weiter. Recht und Sicherheit sind nur noch eine ferne Erinnerung, während die lebensnotwendigen Güter knapp sind und die Preise in die Höhe schnellen.
In dem Konflikt stehen sich die Gemeinschaften der Kuki und der Meitei gegenüber. Angesichts der ernsten Lage hat der indische Innenminister Amit Shah für diesen Samstag eine Sitzung einberufen, zu der auch die Oppositionsparteien eingeladen sind.
„Angst, Verzweiflung und Hilflosigkeit ergreifen die Bevölkerung in einem großen Teil des Staates, vor allem die Ärmsten und Schwächsten“, erklärte der emeritierte Erzbischof von Guwahati, Thomas Menamparampil, im Gespräch mit der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“. Guwahati liegt im Bundesstaat Assam, der an Manipur grenzt. Der Erzbischof bemüht sich darum, einen Dialog zwischen den beteiligten Gemeinschaften in Gang zu bringen.
„Es ist besorgniserregend, dass die Gewalt keine Anzeichen für ein Abflauen zeigt“, so der Erzbischof. Er äußert den Verdacht, dass der Konflikt von Akteuren oder Gruppen geschürt werde, um das Gebiet zu destabilisieren und politische Vorteile zu erlangen. „Im Moment sind die Wunden noch frisch. Junge Menschen sind emotional involviert, und es ist schwierig für die Älteren, sie zu überzeugen, sich zu beruhigen.“
Verluste an Menschenleben und Eigentum höher als angegeben
Die Verluste an Menschenleben und Eigentum seien höher als offiziell angegeben. Es gebe „keine einfachen Lösungen“ für den Konflikt. In der Hauptstadt Neu-Delhi haben Demonstrationen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Problem der Zusammenstöße in Manipur gelenkt. Vor einigen Tagen haben sich mehr als 550 zivilgesellschaftliche Gruppen aus ganz Indien zusammengeschlossen, um die Eskalation der Gewalt zu verurteilen. Zehntausende von Menschen aus Manipur sind vor der Gewalt geflohen, die Rede ist von über 300 Flüchtlingslagern.
Der ethnische Konflikt zwischen den Gemeinschaften der Kuki und Meitei ist am 3. Mai ausgebrochen. Die Gewalt begann nach einem Protestmarsch, an dem über 60.000 Menschen teilnahmen und der von der „Manipur Tribal Students Union“ organisiert wurde. Die Demonstranten wandten sich gegen Pläne, die Meitei-Gemeinschaften in die Kategorie der „Scheduled Tribe“ aufzunehmen, wodurch sie Zugang zu Vergünstigungen und insbesondere zu Land erhalten würden, das für indigene Gruppen reserviert ist.
Kein religiöser Konflikt
Der Jesuit Walter Fernandes, ehemaliger Direktor des Indischen Sozialinstituts in Neu-Delhi, der jahrzehntelang im Nordosten Indiens gelebt hat, erklärte: „Der Konflikt besteht zwischen Stammesangehörigen und Nicht-Stammesangehörigen. Allerdings versuchen einige politische Kräfte, ihn in einen religiösen Konflikt zu verwandeln, da die Stammesangehörigen in Manipur größtenteils Christen sind und die Meitei, die 53 Prozent der Bevölkerung ausmachen, Hindus sind. Die Meitei leben auf 10 Prozent des Territoriums und wollen Zugang zu dem fruchtbaren Gebiet, das als Stammesgebiet reserviert ist. Der Oberste Gerichtshof hat zu ihren Gunsten entschieden, was Proteste der Kuki ausgelöst hat, die wiederum die Gewalt entfacht haben.“
Erzbischof Menamparampil hat unlängst in Imphal, der Hauptstadt des Bundesstaates, 18 Vertreter von Religionsgemeinschaften wie dem Islam, dem Christentum, dem Buddhismus sowie lokalen und traditionellen Kulten an einen Tisch gebracht. Die Religionsvertreter waren sich darin einig, dass die Religionen dem Friedensprozess einen Impuls geben können, und riefen eindringlich dazu auf, die Gewalt zu beenden.
(osservatore romano - paolo affatato/sk)
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