Tunesien: Migranten könnten als Belastung betrachtet werden
Marie Duhamel und Mario Galgano - Vatikanstadt
Am vergangenen Sonntag, dem 11. Juni, fand ein Gipfeltreffen zwischen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte gemeinsam mit dem tunesischen Staatspräsidenten Kais Saied statt. Beobachter hätten darauf hingewiesen, dass die von einigen europäischen Ländern befürwortete Lösung, Migranten gegen Geld in Tunesien aufzunehmen, inakzeptabel sei, ebenso wie die Sicherheitslösungen sich als unzureichend erweisen würden und das Leid der Opfer von Armut und Kriegen noch vergrößert würden, berichteten Medien über das Treffen.
In einem Kommuniqué der tunesischen Präsidentschaft, das am Ende des Treffens veröffentlicht wurde, wurde deshalb betont, dass die tunesische Regierung zwar die Schließung der südlichen Grenzen des Landes zugesichert habe, dass sie aber ihre Tür für Rückführungen nur für irreguläre Tunesier geöffnet habe.
Unmöglichkeit, die Durchreise von Migranten zu kontrollieren
Das Gipfeltreffen in Tunis endete somit mit einer Absichtserklärung, die im Juni angenommen werden soll. Darin geht es im Zusammenhang mit der Einwanderung, nämlich der Verhinderung von Todesfällen auf See, der verstärkten Rückführung irregulärer Migranten aus Europa und der Bekämpfung von Menschenhändlern, in der sich die Europäische Union verpflichtete, sofort und ohne den Internationalen Währungsfonds abzuwarten, 150 Millionen Euro zur Unterstützung des tunesischen Haushalts bereitzustellen.
Doch die Hypothese, dass Tunesien als sicheres Transitland im Gegenzug auch Migranten aus Subsahara-Staaten in Ad-hoc-Zentren aufnehmen könne, sei nicht haltbar. Gegenüber Vatican News kommentiert der Erzbischof von Tunis, Ilario Antoniazzi, den europäischen Vorschlag und beschreibt die Schwierigkeiten des tunesischen Volkes, seine kritischen Lebensbedingungen, aber auch das Leiden der Migranten, die, einmal in Tunesien, nur schwer an eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer denken können:
„Natürlich stirbt die Hoffnung immer zuletzt, wie der Papst sagt, obwohl ich auf den ersten Blick - dann werden wir sehen, was tatsächlich passiert - etwas skeptisch bin, weil ich den Eindruck habe, dass die von Europa gestellten Bedingungen, die ich in allen Einzelheiten noch nicht kenne, sowohl von der Regierung als auch von den Menschen abgelehnt werden, die sich ein wenig gedemütigt fühlen, weil sie sich verpflichtet fühlen, hier als Grenzschutz für Europa zu fungieren, wie der Präsident sagt. Tunesien ist ein sehr armes Land, es hat nicht die Möglichkeit, alle Migranten zu kontrollieren.“
Tunesien sei ein Land, in das man aus vielen Ländern ohne Visum einreisen könne. Man komme nicht so sehr mit dem Wunsch, hier zu arbeiten – „es gibt auch keine Arbeit für Tunesier“ - sondern mit dem Wunsch, wieder weiter zu gehen, erklärt der Erzbischof:
„Wenn sie aber erst einmal hier sind, laufen die Migranten Gefahr, eine Belastung für Tunesien und für die Tunesier zu sein, die sich nicht in der Lage fühlen, ihr Land zu schützen. In Tunesien herrscht eine schwere Wirtschaftskrise: Selbst für Tunesier ist es nicht immer einfach, Lebensmittel zu finden. Wir haben eine Zeit erlebt, in der es kein Brot, keine Nudeln, keinen Zucker und andere lebenswichtige Dinge gab, und so werden die Migranten als eine Art Belastung angesehen. Wir müssen die Menschen unterstützen und ihnen vor allem helfen, mit mehr Gelassenheit zu leben. Die Projekte, die kommen werden, werden willkommen sein, aber ich habe den Eindruck, dass es einige Zeit dauern wird, bis sie realisiert werden. Und in der Zwischenzeit sind die Menschen hier hungrig. Die Menschen hier brauchen Frieden, Gelassenheit und Essen.“
Das Land verfüge nicht über die Mittel, um den Zustrom von Migranten zu 100 Prozent zu kontrollieren:
„Das ist ein Ding der Unmöglichkeit! Wir haben im Süden eine Wüste, die nicht kontrolliert werden kann. Außerdem kommen die Migranten aus Libyen, wo die Lage sehr ernst ist, wo es eine Kriegsgrenze gibt, man kann in Libyen nicht einfach ein- und ausreisen, aber die Migranten kennen die Schleuser, die die Leute bringen, sie kennen alle kleinen Wege, um die Leute durchzubringen und sie leicht nach Tunesien zu bringen. Und vergessen wir nicht das Meer: Von hier aus über das Meer zu fahren, ist eine der schnellsten Möglichkeiten, Italien zu erreichen. Von uns bis Lampedusa sind es 90 Meilen, nicht mehr. Wir sind sehr nah dran.“
(vatican news)
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