Ukraine: Kardinal Krajewski in Cherson
Der polnische Kardinal Krajewski, Almosenverantwortlicher des Vatikan, ist schon zum sechsten Mal seit Kriegsausbruch in Franziskus‘ Namen in der Ukraine. Diesmal besuchte er Menschen in der Region von Cherson, die nach der Sprengung eines Staudamms von verheerenden Überschwemmungen betroffen waren – und die weiter von russischen Truppen beschossen werden.
„Die Bedrohung ist immer gegenwärtig; die Menschen leben damit, sie sind ganz ruhig, man kann fast sagen, sie reagieren gar nicht auf die Sirenen. Sie leben einfach weiter vor sich hin... Wir sind sehr weit in Richtung des Dammes gefahren, wo ganze Dörfer überflutet wurden. Die Straße war halsbrecherisch, wir sind durch Felder gefahren, weil dort die Straßen zerstört sind. Und wir haben grundlegende Hilfen mitgebracht, auch Betten, weil alle Dörfer überflutet waren und die Menschen einfach nichts zum Schlafen haben. Es war auch deshalb nicht so einfach, dorthin zu fahren, weil alle paar Kilometer die Armee alle Papiere kontrollierte. Sie haben Angst vor den verschiedenen russischen Gruppen, die dort operieren, denn das ist ein Gebiet, in dem immer noch gekämpft wird.“
Zwei Tage hat Kardinal Krajewski in Cherson verbracht. Er feierte auch eine Messe in der Kirche von Bachtanka, die von russischen Militärs schwer beschädigt worden ist, und übergab dem dortigen Pfarrer Mittel für die Wiederinstandsetzung des Gotteshauses. Was er in den Überschwemmungsgebieten gesehen hat, will ihm nicht aus dem Kopf gehen.
„Wir hatten keinen Geländewagen, also mussten wir sehr aufpassen, dass wir nicht irgendwo stecken blieben, denn es gibt noch viel Wasser. Manchmal mussten wir mit dem Auto halb durchs Wasser fahren, dann ging’s über Pontonbrücken, weil die alten Brücken zerstört sind. Wir trafen eine Gruppe von Einheimischen, die bei unserem Anblick sozusagen verrückt wurden vor Freude, dass sich jemand an sie erinnerte, dass jemand zu ihnen gekommen war. Wie üblich verteilte ich an alle Rosenkränze des Heiligen Vaters, die sie sofort küssten und sich zum Schutz um den Hals hängten. Wir verbrachten dort einige Zeit und kehrten am späten Abend, bereits im Schutze der Dunkelheit, nach Cherson zurück, wo wir in der Nacht erneut unter Dauerbeschuss gerieten."
Rosenkränze um den Hals
Der päpstliche Beauftragte für Barmherzigkeit – er ist Präfekt des vatikanischen Barmherzigkeits-Dikasteriums – weist darauf hin, dass in den Dörfern in den überschwemmten Gebieten, die er besucht hat, totale Unsicherheit herrscht. Ständig schössen die Russen von der anderen Seite des Dnjepr herüber. Darum sei es bereits gefährlich, sich in einer Kolonne von drei Autos zu bewegen, die leicht ins Visier genommen werden könnten. Um die Menschen vor Ort nicht zu gefährden und das Feuer auf sie zu lenken, hätten sich seine Begleiter und er möglichst schnell vorwärtsbewegt und seien nirgendwo länger geblieben.
Die Geschichte des Bürgermeisters
„Sie sind an die Gefahr gewöhnt, weil sie schon seit vielen Monaten so leben, denn schließlich gab es hier ein paar Monate lang eine russische Besatzung. Sie haben uns auch davon erzählt, wie das war und wie sie diese Zeit überlebt haben. Der Bürgermeister eines Dorfes erzählte mir, dass er sich nach Kriegsausbruch sofort als Freiwilliger gemeldet hatte. Er kämpfte in der Nähe von Kyiv, dort wurde er verwundet, er verlor ein Auge, außerdem wurde er in die Hüfte geschossen. Und kaum kam er aus dem Krankenhaus heraus und zurück in sein Dorf, zogen dort die Russen ein. Er hat sich acht Monate lang im Wald versteckt, damit sie ihn nicht finden, denn ein Soldat, der gegen die Russen kämpft, wird sofort eliminiert.“
Erst nach Abzug der Russen habe sich der Mann wieder in sein Dorf zurückgewagt und sei dort von der Bevölkerung gleich wieder als Bürgermeister akzeptiert worden. „Und er war es, der Kontakt zu den Dominikanern aufnahm, die dann Hilfe für Cherson organisiert haben. Er versicherte mir, dass alle Hilfe gerecht verteilt würde, denn wie er sagte: ‚Ich bin nur am Leben, weil Gott, der Herr, mir dieses Leben geschenkt hat. Und jetzt werde ich alles dafür tun, dass hier vor Ort Gerechtigkeit herrscht, und zwar Gottes Gerechtigkeit und nicht die der Welt‘. Das war eine erstaunliche Geschichte von diesem Mann…“
(vatican news – sk mit material von Beata Zajączkowska(
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