Zentralafrika: Referendum trotz Krise
Marco Guerra und Mario Galgano - Vatikanstadt
In ihrer Botschaft zum Abschluss ihrer Vollversammlung, die vor einigen Tagen in Bangassou stattfand, nennen die Bischöfe eine Reihe von Gefahren, die aus ihrer Sicht die Gesellschaft von Zentralafrika und vor allem die jungen Menschen bedrohen. „Die zahlreichen politischen und militärischen Krisen, die unser Land erlebt hat, zerstören die Familien und beeinträchtigen die Schulausbildung, indem sie eine Kultur der Gewalt und der Straflosigkeit geschaffen haben“. Diese Abwärtsspirale werde durch soziale Netzwerke verstärkt, die „Fake News, Verleumdungen und Wahnvorstellungen“ verbreiteten und „zu einem Resonanzboden für den Hass werden, der jeden Tag in unserer Gemeinschaft zu explodieren droht“.
Hinzu komme in sozialer Hinsicht die extreme Armut, „in der die Mehrheit der Bevölkerung lebt, verschärft durch eine galoppierende Inflation, die zu einem drastischen Anstieg der Preise für Lebensmittel und Grundbedürfnisse führt“.
Politische Maßnahmen für junge Menschen notwendig
Die Bischöfe fordern daher eine Politik für junge Menschen, die angesichts fehlender Perspektiven versucht seien, sich den zahlreichen bewaffneten oder kriminellen Gruppen im Land anzuschließen. „Mehr denn je ermutigen wir die jungen Menschen, sich zu erheben und ihr Leben und ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Sinne ist es dringend notwendig, ihnen Arbeitsmöglichkeiten zu bieten, denn Arbeit ist Teil der Würde“, schreiben die Oberhirten und fordern dringend Investitionen in die Landwirtschaft und den Zugang zu Krediten als Möglichkeiten, jungen Menschen Chancen zu bieten.
Spannungen wegen des Referendums
Aus all diesen Gründen stellt die zentralafrikanische Bischofskonferenz die Entscheidung der Regierung in Frage, ein Referendum zur Annahme der neuen Verfassung einzuberufen. Es soll am 30. Juli stattfinden. Die Ratlosigkeit der Bischöfe hat vor allem mit den zahlreichen sozio-politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu tun, vor denen das Land steht:
„Es muss vermieden werden“, so die Bischöfe, „Bedingungen zu schaffen, die neue sozio-politische Unruhen provozieren.“ Vielmehr sei es notwendig, „Aktionspläne zu entwickeln, die darauf abzielen, den Frieden, den sozialen Zusammenhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen wiederherzustellen“ und „aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen sowie Gleichheit, Gerechtigkeit, Geschwisterlichkeit und Ehrlichkeit zu fördern“.
Im vergangenen Jahr haben die Bischöfe die Einladung der Regierung zur Teilnahme an dem Ausschuss abgelehnt, der mit der Ausarbeitung der neuen Verfassung beauftragt war. Yao Agbetse, Sondergesandter der Vereinten Nationen für die Zentralafrikanische Republik, beklagt unterdessen, dass die Verfassungsänderungen noch nicht veröffentlicht wurden, und fordert, dass sie der Bevölkerung vorgelegt werden, um „alles zu tun, damit auch konträre Positionen und Stimmen gehört und berücksichtigt werden“.
Spannungen zwischen russischen Söldnern und Rebellen
„Aus meiner Missionserfahrung mit der ethnischen Gruppe der Pygmäen kann ich sagen, dass die Menschen sehr von Tag zu Tag leben und aufgrund des Mangels an grundlegenden Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäusern Mühe haben, ihr Leben zu planen. Außerdem wird die Situation durch die jüngsten Ereignisse auch in Gegenden weit weg von Zentralafrika erschwert, nicht zuletzt durch den Krieg in der Ukraine, der sich auch hier auswirkt, da sich russische Truppen auf dem Gebiet Zentralafrikas befinden", erklärt Pater Michele Farina aus der Diözese Savona, der mit der Società Missioni Africane (SMA) in Zentralafrika unterwegs ist, gegenüber Radio Vatikan/Vatican News. Der italienische Priester berichtet, dass die russischen Soldaten von Präsident Touadéra mit der offiziellen Begründung einberufen wurden, die Truppen der zentralafrikanischen Armee auszubilden, dann aber „unweigerlich“ mit lokalen Rebellenmilizen aneinandergerieten. „Ein paradoxes Ereignis, was den Krieg in der Ukraine betrifft, war, dass die Zentralafrikaner aufgefordert wurden, in der Hauptstadt Bangui zugunsten des Krieges zu demonstrieren. Wir sehen uns hier der Absurdität dieser Präsenz, aber auch der Folgen von Fehlinformationen gegenüber, die verdrehen, was in der Welt passiert.“
Junge Menschen ohne Perspektive
Pater Michele Farina, der in dem Dorf Manasao in der Diözese Berberati im Südwesten des Landes im Einsatz ist, berichtet von der außer Kontrolle geratenen Inflation, die die Preise für viele Grundnahrungsmittel wie Diesel, Mehl und Öl in die Höhe getrieben hat. Auch seien viele Artikel überhaupt nicht aufzutreiben. Der Priester bestätigt in diesem Zusammenhang auch, dass die Jugendlichen keine Perspektiven haben, obwohl sie den größten Teil der Bevölkerung ausmachen. Besonders in kleinen Dörfern, wie dem, in dem er tätig sei, träten diese Probleme an den Tag: „Sie leiden unter der eklatanten Ineffizienz der Schule, oft beenden sie nach zehn Jahren Ausbildung ihre Studien, ohne Französisch zu sprechen, ohne lesen und schreiben zu können. Das beeinträchtigt ihre Zukunft und ihre Wahlmöglichkeiten.“
Referendum für eine dritte Amtszeit des Präsidenten
Deshalb konzentrierten sich die katholischen Missionen neben der pastoralen Tätigkeit auf zwei Bereiche, nämlich auf die Bildung und die Gesundheitsversorgung, um den Mangel an Krankenhauseinrichtungen vor allem in den isolierten Gegenden des Landes auszugleichen. Mit Blick auf das Referendum könne er das Unbehagen der Bischöfe nachvollziehen, lässt der Missionar duchrblicken:
„Der Wunsch des Präsidenten ist es, dieses Referendum abzuhalten, das offensichtlich nur ein einziges Ziel hat, nämlich die Verfassungsänderung zu ratifizieren, mit der er für eine dritte Amtszeit antreten könnte, was die aktuelle Verfassung nicht vorsieht. Ich kann mir vorstellen, dass die Bischöfe große Vorbehalte haben, denn das wird klarerweise zu großen Spannungen führen, die bereits jetzt schon im Land auftreten, auch was die zentralafrikanischen Sicherheitskräfte, die von den Russen unterstützt werden, und die Rebellengruppen betrifft.“
Zwar seien die zentralafrikanischen Truppen dem Präsidenten treu, doch die Rebellen würden mit Sicherheit versuchen, „diesen Weg zu behindern“, so der Missionar mit Blick auf das geplante Referendum. In den letzten Monaten sei es beispielsweise wieder verstärkt zum Einsatz von Minen auf den Hauptverkehrsadern durch die Rebellen gekommen, was eine Bedrohung für alle darstelle, die zufällig dort unterwegs seien: „Das schürt wie gesagt Spannungen und Instabilität im Land, es schürt Unbehagen in der Bevölkerung, unweigerlich auch gegenüber der Regierung, die Mühe hat, eine Situation der Ruhe zu gewährleisten.“
(vatican news)
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