Kroatien: Was Theologen zum Thema „Kirche an den Rändern" sagen
Gastbeitrag von Mario Trifunović *
„Was für eine Kirche sind wir und was für eine Kirche wollen wir sein? Ist das Evangelium, welches wir predigen, nur für Auserwählte oder für alle?“ Mit diesen Fragen hatte der Erzbischof von Rijeka, Mate Uzinić, die zweiten Mediterranen Theologischen Treffen eröffnet. Sie standen dieses Jahr unter dem Thema „Kirche oder Sekte: Zwischen Offenheit und Exklusivität“. Der 55-jährige kroatische Erzbischof, der schon als Bischof von Dubrovnik ähnliche Treffen organisierte (Sommerschool of Theology 2019 bis 2021), sprach in seiner Eröffnungsrede von einer Kirche, die zuhört. „Papst Franziskus ruft uns auf, eine Synodale Kirche zu werden, eine Kirche, die zuhört. Beim Hören aufeinander und auf den Heiligen Geist, den Geist der Wahrheit, kann jeder etwas lernen,“ so Erzbischof Uzinić.
Er mahnte zudem, dass die Glaubenskrise nicht dadurch gelöst werde, sich selbst zurückzuziehen. Die Ankündigung des Reiches Gottes erfordere „Vertrauen und Offenheit gegenüber der Welt um uns herum, Vertrauen und Offenheit gegenüber den Anderen“. Dazu gehöre auch, an die Peripherie zu gehen, wie es Papst Franziskus in Evangelii Gaudium sagt.
Solidarität mit Randgruppen
Online dabei war auch der amerikanische Jesuit James Martin, Direktor des Magazins America und Berater des vatikanischen Dikasteriums für Kommunikation. Seinen Vortrag hielt er am Donnerstag zum Thema „Jesus an den Rändern. Was sehen wir in den Evangelien?“
Pater Martin, der vom Papst zur Teilnahme an der Synodenversammlung eingeladen wurde, erinnerte an sein Treffen mit Franziskus im September 2019 und an die Briefe, in denen der Papst ihn ermutigte, „weiter an der Kultur der Begegnung zu arbeiten“. Er wies darauf hin, dass er als Jesuit dazu berufen sei, „mit den Ausgeschlossenen zu wandeln, und das sind LGBTQ Menschen“, sagte er. Die Soziallehre der Kirche ruft uns zur Solidarität mit denen auf, die am Rande leben. Die Lehre der Kirche, fügte Martin hinzu, beruhe „auf der Begegnung mit Christus und auf der Art und Weise, wie er den Menschen begegnete“.
Mittelmeer: Ort für Konflikte - und Begegnung
Der bekannte dominikanische Theologe aus Oxford, Timothy Radcliffe, ehemaliger Leiter des Ordens, der die spirituelle Vorbereitung der Teilnehmer bei der Eröffnung der ersten Versammlung der Weltsynode im Oktober leiten wird, eröffnete die Mediterranen Theologischen Treffen mit seinem Vortrag zur Universalität des Katholizismus. Der 77-jährige Dominikaner wies darauf hin, dass das Mittelmeer ein Schauplatz von Konflikten, aber auch ein Ort der Begegnung sei.
Radcliffe betonte die Wichtigkeit solcher Begegnungen. Dazu gehöre auch die Gastfreundlichkeit gegenüber Fremden. „Es stellt sich die Frage, wie wir uns mit Fremden anfreunden und trotzdem wir selbst bleiben können“, sagte er. Stichwort: Offenheit für eine Transformation. Radcliffe wies auf die traditionelle biblische Denkweise, welche die „Gastfreundschaft gegenüber Fremden“ propagiert. In diesem Zusammenhang fügte er hinzu, dass „Freundschaft die Identität des anderen nährt, uns aber nie so lässt, wie wir sind“ und dass jede Freundschaft „eine Bestätigung dessen ist, wer ich bin“ zugleich aber auch eine Transformation sein kann.
Es ist bekannt, dass das Mittelmeer ein Ort der Offenheit gegenüber anderen ist, gleichzeitig aber – wie Radcliffe betonte – eine „Arena des Konflikts“. Radcliffe brachte den britischen Dichter Jamie McKendrick ins Spiel, der behauptet, „dass der Ursprung des Wortes fremd – lateinisch foris – Tür ist“. Für christliche Kirchen ist daher eine Frage von äußerster Wichtigkeit: „Wie können wir die Tür öffnen, ohne unser Heim zu zerstören?“
„Wenn wir die Türen zuschlagen, verschwinden wir. Kirchen sollten ein Modell für eine lebensspendende Antwort in unserer chaotischen Welt sein. Wir sollten lebensspendende Gastfreundschaft verkörpern“, fügte er hinzu. Radcliffe brachte unter anderem seine Freude zum Ausdruck, dass er Teil der Mediterranen Theologischen Treffen sein konnte.
Ökumene wichtig
Am letzten Tag der Mediterranen Theologischen Treffen hielt der deutsche Theologe und Leiter des Instituts für Ökumenische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, Hans-Peter Großhans einen Vortrag zum Thema „Katholizität der Kirche und Vielfalt der Kirchen“. Der protestantische Theologe erinnerte daran, dass sich fast alle Christen zu einer katholischen Kirche bekennen, „und doch vielen verschiedenen Kirchen angehören“. Er betonte, dass die katholische Kirche in der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, Lumen gentium, bekräftige, dass „das Geheimnis der Kirche darin liegt, dass sie der Leib Christi ist.“ Die evangelischen Kirchen stimmten dem zu. Weiterhin, dass die Kirche „per Definition, in ihrem Sein das ‚Volk Gottes‘ ist“.
Migranten-Zentrum besucht
Neben spannenden Diskussionen während der Workshops und Vorträge, gehörte zu den Mediterranen Theologischen Treffen auch ein Besuch des Transitpunktes für Migranten in Rijeka. Die Studentinnen und Studenten sollten dabei sehen, dass Theologie nicht nur am Schreibtisch gemacht wird. Diejenigen, die am Transitpunkt in Rijeka ankommen, kommen häufig aus Afghanistan, Pakistan und Indien, aus Ländern des Nahen Ostens wie dem Iran, der Türkei und Palästina. Es gibt auch Menschen aus afrikanischen Ländern, aus dem Kongo, aus Tunesien, aber auch Kubaner, die nach Spanien wollen. Junge Männer sind auf der Suche nach Arbeit; aber nicht selten trifft man auch auf ganze Familien mit kleinen Kindern oder ältere Menschen. In Rijeka bietet der Jesuitendienst ihnen eine warme Mahlzeit, Kleidung, Duschgelegenheiten, Gespräche und medizinische Hilfe – zumindest das Minimum.
Erzbistum Rijeka und Jesuiten unterstützen humanitäre Korridore
Vor zwei Jahren schloss sich das Erzbistum Rijeka gemeinsam mit dem Jesuit Refugee Service (JRS) der Initiative „Humanitäre Korridore“ an. Bisher hätten tausende Menschen den Transitpunkt für Migranten passiert, erklärte der Leiter des Jesuitendienstes Stanko Perica. Ehrenamtliche und Mitarbeiter des Jesuitendienstes für Flüchtlinge seien immer wieder mit dem schwierigen Leben von Flüchtlingen konfrontiert, die in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, ihr Zuhause und ihre Freunde und Verwandten verlassen müssen.
Perica sagt, er sei froh, dass sie die Möglichkeit haben, Migranten zu helfen, dass sie zumindest für die paar Tage, die sie in Kroatien sind, einen würdigen Aufenthalt haben und dass sie duschen, Medikamente, Essen und Kleidung bekommen können. Leider hätten sich andere Institutionen nicht so stark engagiert.
Renommierte Teilnehmer
Bei den Mediterranen Theologischen Treffen handelt es sich um die Fortsetzung der Theologischen Summerschool, die im Jahr 2019 und 2021 in Dubrovnik stattfand, als Uzinić noch Bischof der kleinen dalmatinischen Stadt war. Von 2019 bis 2023 konnten junge Theologinnen und Theologen aus Südosteuropa namhafte und etablierte Dozentinnen und Dozenten der verschiedenen christlichen Kirchen hören und mit ihnen diskutieren, darunter Tomáš Halík, Teresa Forcades, Miroslav Volf, Aristotle Papanikolaou, Ivan Šarčević, Marianne Heimbach-Steins, Cyril Hovorun, Luke Bretherton, Branko Murić, Carmelo Dotolo, Pantelis Kalaitzidis, Tina Beattie und Željko Tanjić.
Zum Abschluss des Treffens im kroatischen Rijeka wurde das Buch „Theologie in Dialog“ vorgestellt. Es sammelt Vorträge aus den beiden vergangenen Theologischen Summerschools in Dubrovnik und dem vorigen Mediterranen Theologischen Treffen.
(*redaktionelle Bearbeitung: Vatican News - sst)
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