Bischof von Odessa: „Ein diabolischer Krieg“
DOMRADIO.DE: Odessa ist eine Hafenstadt. Es gab am Wochenende erneut Raketenangriffe. Die Situation scheint noch einmal schwieriger geworden zu sein. Wie fühlen Sie sich mit der aktuellen Lage in Odessa?
Bischof Stanislaw Szyrokoradiuk (Bischof von Odessa-Simferopol in der Ukraine, z.Zt. bei Libori in Paderborn): „Es ist schon über ein Jahr lang eine schwierige Situation und jetzt ist es nochmal schwieriger. Aber wir haben immer noch Hoffnung. Es interessant, aber viele Leute haben sich tatsächlich schon an diese Situation gewöhnt. Selbstverständlich wollen wir natürlich alle in Frieden leben. Diese Bombardierungen machen viele Probleme. Hier in Deutschland ist es sehr schön und ungewöhnlich ruhig. Die ganze Nacht habe ich keinen Luftalarm gehört. Ich schätze den Frieden sehr und weiß, was er bedeutet.“
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade gesagt, es gibt trotz allem Hoffnung in Ihrer Gemeinde und in Ihrem Bistum. Wie äußert sich das? Wie kann man während eines Krieges überhaupt glauben?
Szyrokoradiuk: „Kirche muss Hoffnung bringen. Ich frage immer, was soll Kirche tun? Ich glaube, die Kirche muss immer seine Hauptaufgabe erfüllen. Das bedeutet die Menschen auch durch diese schwierige Zeit weiter zu führen. Natürlich sollte die Kirche auch beantworten, warum leben wir?
Auch in Kriegszeiten sollte diese Hoffnung und die Menschen nicht verloren gehen. Kirche hilft ihnen diese Hoffnung zu haben und zu beten. Wir sehen, wie viele Leute für die Ukraine beten. Auch das macht Hoffnung. Wir sind sehr dankbar für diese Gebete, für die Solidarität und für die Hilfe. Wir bekommen wirklich viel Hilfe für die Menschen in Odessa, in der Ukraine.“
DOMRADIO.DE: Kann man drüber hinaus noch konkreter etwas tun, das den Menschen in der Ukraine hilft?
Szyrokoradiuk: „Ja, zum Beispiel Gebetsgottesdienste feiern. Vor dem Krieg hatten wir sonntags vier heilige Messen in der Kathedrale, jetzt haben wir sechs Heilige Messen. Viele Leute kommen dahin. Das bedeutet jede zwei Stunde findet eine Heilige Messe statt, es wird gebetet und die Menschen kommen.
Das ist wichtig für uns, diese Hoffnung auf Gott zu haben. Dieser schreckliche Krieg ist ein diabolischer Krieg, dieser Hass ohne Grund. Diese totale Zerstörung, diese Ruinen und diese Lügen, totale Lügen. Das ist eine diabolische Sache. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir viel beten sollten, weil wir Gottes Hilfe brauchen.“
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade gesagt, dass Sie mittlerweile sogar mehr Messen feiern als vor dem Krieg. Wie kann man sich so eine Messe im Krieg vorstellen?
Szyrokoradiuk: „Normal. Klar, manchmal kommen Luftalarme, aber Messefeiern ist in Odessa kein Problem, zumindest noch nicht. Natürlich gibt es viele Pfarreien, in denen die Menschen die heilige Messe im Keller besuchen. Ich habe solche Pfarreien während des Krieges auch schon besucht und besuche sie noch immer. Ich fahre überall hin und feiere Heilige Messe in den Pfarreien mit den Menschen.
Die Leute sind dafür sehr dankbar, dass unsere Priester dort geblieben sind, trotz der Gefahren, trotz allem. Die Menschen vor Ort sagen dafür: Danke, das ist das wichtigste für uns, das unsere Priester mit uns sind.“
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade gesagt, Sie reisen trotzdem durch Ihr Bistum. Die Krim gehörte auch zu Ihrem Bistum und ist von Russland besetzt. Können Sie dort auch einfach hinreisen?
Szyrokoradiuk: „Leider nicht. Aber ich habe in der Krim meinen Weihbischof, der ist dortgeblieben, gemeinsam mit zehn Priestern. Sie sind dortgeblieben, um das kirchliche Leben zu unterstützen. Das, was dort möglichst ist, das funktioniert gut, normalerweise. Unter starker Kontrolle, aber es funktioniert. Die Priester halten Heilige Messe, Sakramente und das ist das wichtigste und einzige, was in dieser Situation geht.“
DOMRADIO.DE: Aktuell sind wir hier in Paderborn zum Liborifest. Das Fest steht unter dem Motto „Pax vobis! Der Friede sei mit euch!“. Was bedeutet Ihnen diese Geste?
Szyrokoradiuk: „Für mich ist das ein Solidaritätszeichen. Ich danke dafür. Ich habe mit vielen in der Ukraine gesprochen, denen ist das auch sehr wichtig. Diese Solidarität und dieses Motto: Friede. Das bedeutet, viele Menschen wollen sich mit uns vereinigen und zusammen etwas tun, wie beten, machen, was möglich ist um diesen Frieden zu wahren. Das ist sehr wichtig.
Dieses Motto gefällt mir sehr: der Friede sei mit euch! Das sind die Worte, die Christus gesagt hat: Friede sei mit euch! Jedes Mal, wenn ich die Heilige Messe feiere, sage ich: der Friede sei mit euch! Aber das habe ich früher immer automatisch gesagt. Heute sage ich das ganz anders. Mit Gefühl, mit Verständnis dafür, was das bedeutet: Friede sei mit euch!“
Das Interview führte Sonja Geus.
(domradio.de - cs)
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