Caritas: EU fehlt Anpassung an den demographischen Wandel
Von Linda Bordoni und Moritz Dapper, Vatikanstadt
Shannon Pfohman ist Direktorin für Politik und Interessenvertretung bei Caritas Europa. Im Interview mit Radio Vatikan weist sie auf die Not alter Menschen hin, die entsteht, weil öffentliche Ausgaben in EU-Ländern nicht der demographischen Entwicklung entsprechen. „Die Tatsache, dass mehr Menschen Pflege benötigen werden, als ihnen zur Verfügung gestellt werden kann, ist bereits ein Hinweis auf das, was auf uns zukommen wird", so Pfohman.
Sie verweist auf den jetzt veröffentlichten Caritas-Bericht „In Würde altern, die Herausforderungen der Langzeitpflege in Europa“. Laut Pfohman basiert der Bericht auf den Erfahrungen von Caritas-Mitgliedsorganisationen in mindestens 13 Ländern.
15 Empfehlungen von Seiten der Caritas
Die Caritas Europa habe 15 verschiedene Empfehlungen aufgestellt, so Pfohman. Einige bauten auf „bereits bestehenden Gesetzes-Initiativen auf: die Mindestlohn-Richtlinie, die Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch die Einführung einer rechtsverbindlichen Rahmenrichtlinie zum Mindesteinkommen".
Wörtlich sagt die Caritas-Vertreterin: „Wir fordern, dass Investitionen in das öffentliche und soziale Grundkapital, die für zukünftige Leistungen vorgesehen sind, durch Schulden finanziert werden und somit von den Regeln für einen ausgeglichenen Haushalt ausgenommen werden. An erster Stelle steht die Notwendigkeit, in die Langzeitpflegesysteme zu investieren und sie zu reformieren“, so Pfohman.
Pflegearbeit mit Qualität und Würde
Bezüglich der praktischen Umsetzung der Langzeitpflege spricht sie sich für einen personen-zentrierten Ansatz aus. Dieser solle die Qualität und Würde der Care-Arbeit sichern. Die Caritas fordert dementsprechend ein Recht auf Langzeitpflege für jeden. Die finanzielle Situation solle dabei keine Rolle spielen.
Genau diese Finanzen stellen nach Pfohman aktuell ein großes Problem dar. Ältere Menschen mit geringem Einkommen seien oftmals nicht in der Lage, die Kosten für ihre Pflege zu decken. Für besseren Zugang zur Pflege empfehle der Rat, den Fokus mehr auf gemeindenahe Care-Arbeit zu legen.
Auch die Pflegekräfte müssen berücksichtigt werden
Die Thematik der Pflege ist allerdings mehrdimensional. So berichtet Shannon Pfohman: „Einerseits setzen wir uns für die Pflegebedürftigen ein, also für diejenigen, die Pflege erhalten, und andererseits für die Pflegekräfte, also diejenigen, die die Pflegeleistungen erbringen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch den neuen Caritas-Bericht, denn so viele Pflegekräfte, die in diesem Sektor beschäftigt sind, werden nicht so geschätzt, wie sie es sollten."
Es sei eine fragwürdige Realität, dass Menschen oft nicht zögerten, ihr Geld der Bank anzuvertrauen, während sie beim Aufwand für die Pflege eines älteren Verwandten knauserten. Die Caritas bemühe sich, Qualitätsstandards für ihre Pflegearbeit zu gewährleisten. Insbesondere der Schutz der Rechte von angeworbenen Pflegekräften aus dem Ausland sei relevant, um Ausbeutung zu vermeiden.
Problempunkte
Ein Problem stelle allerdings auch das Auswandern vieler Pflegekräfte aus wirtschaftsschwächeren europäischen Ländern dar. Die Caritas sieht sich hier einem moralischen Dilemma gegenüber. Der legitime Wunsch, die eigenen Arbeitsbedingungen zu verbessern, führe in vielen Ländern zu einer Lücke auf dem Arbeitsmarkt in diesem Berufssektor, berichtet Pfohman.
Zuletzt kritisiert sie die unkoordinierten Verhältnisse in puncto Sozialfürsorge in der EU. Es sei oft nicht einmal klar, an wen man sich wenden könne, auf welche Rechte man sich berufen könne und welcher Schutz „sowohl für die Pflegebedürftigen als auch für die Pflegekräfte" erforderlich sei.
(vatican news)
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