Junge Leute aus der Ukraine beim Weltjugendtag
„Zu Hause hören wir Explosionen - hier hören wir nichts. Alle genießen das Leben, als ob nichts passieren würde. Es ist surreal." Es ist das erste Mal in Anastasiias Leben, dass sie die Ukraine verlässt. Jetzt steht sie vor einer Kirche in Lissabon, in der soeben knapp 300 Ukrainerinnen und Ukrainer zum Glaubensgespräch und zur Messe zusammengekommen sind.
Sie lebt in der Nähe von Kramatorsk, einer Kleinstadt, die im nach wie vor andauernden Konflikt immer wieder unter Beschuss steht.
Die ukrainischen Jugendlichen, die nun in Lissabon sind, leben seit Kriegsbeginn in aller Herren Länder.
Begegnung mit dem Papst
So ist Anastasiia Teil der deutschen Delegation von über 500 ukrainischen Jugendlichen und Geistlichen beim WJT. Eine kleine Gruppe der Delegation, zu der auch Anastasiia gehörte, traf gestern Papst Franziskus, so Berichte von Kathpress. Es wurde gesprochen, gemeinsam gebetet und geweint. „Er hat uns gesagt: Tut mir leid, dass ich nicht mehr für euch tun kann", berichtet die Jugendliche. Sie sei noch dabei, das Treffen zu verarbeiten, sagt Anastasiia - und lacht.
Ein Sammelpunkt für die ukrainischen Jugendlichen
Das Kloster Graca, wunderschön und mit weiter Aussicht auf einem Hügel im Herzen der Stadt gelegen, hat den ukrainischen Jugendlichen für tägliche Zusammenkünfte und Gottesdienste seine Kirche zur Verfügung gestellt. Das Tagesprogramm sorgt für Ablenkung und einige Lacher. Hin und wieder fließen allerdings auch Tränen.
Das Tagesthema dieser Glaubensgespräche beim WJT, die über die Stadt verteilt stattfinden, lautet „Mercy", also: Barmherzigkeit, Gnade. Bischof Bohdan bittet darum, Eltern zu unterstützen, die ihre Kinder im Krieg verloren haben. Er fordert auf zu beten für eine Frau, deren Mann im Krieg gefallen ist und äußert Dankbarkeit für Freiwillige aus anderen Ländern, die Ukrainer unterstützten. Und: „Er sagt, es sei wichtig, selbst den Feinden zu vergeben und auch für sie zu beten", übersetzt Anton (18), der ohne seine Familie in England ist und dort studiert.
Erschütternde Geschichten
In einer Pause, in der einige beichten, zeigt Andriana (20) aus Lemberg auf ihrem Handy ein Foto ihrer Familie - aufgenommen, als ihr Vater kürzlich von der Front zurückkehrte. „Aber er ist nicht mehr derselbe", sagt sie. „Als er in den Krieg musste, war mein Bruder drei. Er hat ständig gefragt, wo Papa ist." Ihr kommen die Tränen.
Einige Ukrainerinnen und Ukrainer äußern sich dankbar für das Interesse an ihrem Schicksal und die Unterstützung für ihr Land. Dieses Schicksal ist auch auf dem WJT präsent.
Eine Gruppe größtenteils ukrainischer junger Frauen und Mädchen hat einen Trauermarsch für alle in der Ukraine gestorbenen Kinder organisiert. Sie tragen dazu T-Shirts mit Gesichtern und Namen von Kindern. Ein ukrainischer Geistlicher erklärt: „Wir sind hierhergekommen, um mit dem Heiligen Vater für den Frieden in unserem Land zu beten. Wir wollen zeigen, dass wir Christus in jedem Menschen wiederfinden können." Dem Trauermarsch durch den Park schließen sich auch viele Nichtukrainerinnen und -ukrainer an.
(kap – md)
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