Nicaragua: Regime erklärt Jesuitenorden für illegal
Der Schritt erfolgt eine Woche, nachdem die Regierung von Präsident Daniel Ortega die von Jesuiten geleitete Universität von Zentralamerika in Nicaragua mit der Begründung beschlagnahmt hatte, sie sei ein „Zentrum des Terrorismus“.
In dem am Mittwoch veröffentlichten Beschlagnahmebeschluss der Regierung wird behauptet, der Orden habe es versäumt, Steuererklärungen abzugeben.
In einer umgehend veröffentlichten Stellungnahme weist der Orden darauf hin, dass der Regierungsbeschluss jeder juristischen Grundlage entbehre und dass die „ungerechtfertigte Maßnahme“ in einem „Kontext der „totalen Wehrlosigkeit und Terrorisierung der nicaraguanischen Bevölkerung“ erfolge. So sei dem Orden keine Möglichkeit einer Verteidigung eingeräumt worden, auch sei der Beschluss – wie in den meisten der über 3.000 ähnlichen Fällen der Löschung der Rechtspersönlichkeit von regierungskritischen Institutionen - nicht durch eine unabhängige gerichtliche Instanz bestätigt worden, „die über diesen völlig ungerechtfertigten und willkürlichen Amtsmissbrauch urteilt und ihn beendet“, so das Statement der Jesuiten. Insbesondere sei ein den Jesuiten gehörendes Gebäude in Managua, in dem einige Mitglieder der Gemeinschaft wohnten, bereits vor Veröffentlichung des Beschlusses besetzt worden, ohne dass den Bewohnern die nötige Zeit gegeben worden sei, ihre persönlichen Gegenstände abzuholen.
Kontext systematischer Unterdrückung
Wie die Jesuiten in ihrer Stellungnahme betonten, reihe sich die erneute Aggression gegen die Jesuiten in Nicaragua in einen „nationalen Kontext systematischer Unterdrückung“ ein, der von der UN-Expertengruppe für Menschenrechte als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezeichnet werde. All diese Vorfälle bestätigten die Absicht einer „vollständigen Errichtung eines totalitären Regimes“. Das Präsidentenpaar sei dafür verantwortlich, „die Unabhängigkeit und Neutralität der Justiz zu verhindern“, die es ihr erlauben würden, die ergriffenen Maßnahmen „zu stoppen, rückgängig zu machen und zu sanktionieren“.
In einer Reihe von Punkten fordern die Jesuiten das Präsidentenpaar auf, die Repressionen einzustellen, die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit zu achten und bei der Suche nach einer „vernünftigen Lösung“ „Wahrheit, Gerechtigkeit, Dialog und die Achtung der Menschenrechte“ in den Vordergrund zu stellen.
Dank für Solidarität
Es gelte, die „Freiheit und volle Integrität der Jesuiten und der Menschen, die mit ihnen zusammenarbeiten“ zu achten, so die Forderung der Jesuiten, die sich „den Tausenden von nicaraguanischen Opfern“ anschließen, „die auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für den von der derzeitigen nicaraguanischen Regierung verursachten Schaden warten“. Das Statement endet mit einem Dank für „die zahllosen Bekundungen der Anerkennung, Unterstützung und Solidarität“, die der Orden angesichts der zunehmenden Repressalien erhalten habe.
Bei der Anordnung der Auflösung des Ordens handelt es sich nur um die jüngste in einer Reihe von zunehmend autoritären Maßnahmen der nicaraguanischen Regierung gegen die katholische Kirche und Oppositionelle. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Regierung die Jesuitenuniversität von Zentralamerika in Nicaragua beschlagnahmt, der Hochschulbetrieb wurde eingestellt. Die Universität war 2018 ein Zentrum der Proteste gegen das Ortega-Regime.
Nach der Ankündigung in der vergangenen Woche hatte die Gesellschaft Jesu von Zentralamerika in einer Stellungnahme erklärt, dass es sich bei diesem Schritt um eine Regierungspolitik handele, „die systematisch gegen die Menschenrechte verstößt und offenbar darauf abzielt, einen totalitären Staat zu konsolidieren.“ Seit Dezember 2021 wurden mindestens 26 nicaraguanische Universitäten auf Anordnung der Ortega-Regierung in einem ähnlichen Verfahren geschlossen und ihr Vermögen beschlagnahmt. Sieben davon waren ausländische Einrichtungen.
Gezielte Ausweisung von Kirchenangehörigen
Auch die Beziehungen mit dem Vatikan sind betroffen: Im April wurde die Nuntiatur in Nicaragua endgültig geschlossen, nachdem die Regierung des Landes die diplomatischen Beziehungen ausgesetzt hatte. Bereits im Jahr zuvor war der Nuntius, Waldemar Stanislaw Sommertag, durch die Regierung ausgewiesen worden.
Zwei Schwesternkongregationen, darunter diejenige des von Mutter Teresa gegründeten Ordens der Missionarinnen der Nächstenliebe, wurden im vergangenen Jahr aus Nicaragua ausgewiesen. Doch nicht nur die Kirche ist im Visier des autoritären Regimes: Mehr als 3.000 zivilgesellschaftliche Gruppen und Nichtregierungsorganisationen wurden seit 2018 verboten oder geschlossen.
Im Mai ordnete die Regierung die Schließung des Nicaraguanischen Roten Kreuzes an und warf ihm „Angriffe auf Frieden und Stabilität“ während der Anti-Regierungs-Demonstrationen im Jahr 2018 vor. Dem örtlichen Roten Kreuz zufolge habe es lediglich geholfen, verletzte Demonstranten während der Proteste zu behandeln.
Oppositionelle mundtot gemacht
Im Juni beschlagnahmte die Regierung das Eigentum von 222 Oppositionellen, die im Februar ins Exil gezwungen wurden, nachdem sie von Ortegas Regime inhaftiert worden waren.
Zu den Personen, die am 9. Februar aus dem Gefängnis geholt und an Bord eines Flugzeugs in die Vereinigten Staaten gezwungen wurden, gehörten sieben Präsidentschaftskandidaten, die bei den Wahlen 2021 ausgeschlossen worden waren, Rechtsanwälte, Rechtsaktivisten, Journalisten und ehemalige Mitglieder der sandinistischen Guerillabewegung.
Tausende sind ins Exil geflohen, seit nicaraguanische Sicherheitskräfte Massenproteste gegen die Regierung im Jahr 2018 gewaltsam niedergeschlagen haben. Ortega behauptet, die Proteste seien ein Putschversuch mit ausländischer Unterstützung gewesen, der auf seinen Sturz abzielte.
(ap/pm - cs)
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