Patriarchalvikar: „Mehr mit jungen Menschen zusammenarbeiten“
Federico Piano und Christine Seuss - Vatikanstadt
„Jeder stellte seine Herausforderungen, Probleme und Träume vor, und wir tauschten uns darüber aus“, berichtet Nahra, der zusammen mit anderen Bischöfen, religiösen Führern und jungen Menschen von den fünf Ufern des ,Mare Nostrum' an den Arbeiten und Diskussionen in Marseille teilgenommen hat. Diese sieht er in natürlicher Kontinuität zu den beiden vorangegangenen Veranstaltungen, die 2020 in Bari und 2022 in Florenz stattfanden.
Bereichernde Teilnahme junger Menschen
„Neu im Vergleich zu den Veranstaltungen in Bari und Florenz war die Einladung und Teilnahme von 70 jungen Menschen aus verschiedenen Mittelmeerländern. Diese jungen Leute begannen mit der Arbeit, bevor die Bischöfe in Marseille ankamen, sie bereiteten den Weg.“
Dann hätten die jungen Leute, ebenso wie die Bischöfe, zunächst in eigenen Arbeitsgruppen die Themen vertieft, bevor am letzten Tag eine große gemeinsame Diskussionsrunde angesetzt war: „Gemeinsam haben wir über wichtige Themen gesprochen; über Bildung, den Umgang mit Konflikten, interreligiöse Beziehungen und Ökologie diskutiert. Die Ergebnisse dieser Diskussionen wurden auch Papst Franziskus vorgelegt. Eine wunderbare Erfahrung. Als Bischof habe ich gemerkt, wie frisch der Blick der jungen Menschen ist. Sie wollen zur Tat schreiten, sie begnügen sich nicht mit Worthülsen. Es bringt eine viel weitere Vision. Wir Bischöfe müssen mehr mit jungen Menschen zusammenarbeiten, denn sie allein können die Dinge nicht umsetzen, und wir allein haben die Antworten nicht“, so der selbstkritische Appell des Bischofs, der seit 2011 in Jerusalem wirkt.
Ökumene und interreligiöse Beziehungen
Auch ökumenische und interreligiöse Themen, die die Beziehungen der Mittelmeeranrainer prägen, standen bei den Beratungen im Fokus. Diese könnten natürlich unter dem „negativen Gesichtspunkt“ der Konflikte und der belastenden Vergangenheit untersucht werden, meint Nahra: „Aber der positive Aspekt besteht darin, dass alle drei monotheistischen Religionen etwas gemeinsam haben. Alle glauben wir an den heiligen und einen Gott, an den Wert des menschlichen Lebens und den Wert der Familie und alle wollen wir auf einer religiösen Basis die Armen und Migranten unterstützen. Und hier müssen wir zusammenarbeiten. Denn in unseren Gesellschaften, wo der Migrant von der Politik manchmal nur als Gefahr gesehen wird, haben wir etwas zusammen zu bewirken. Darüber haben wir gesprochen und dazu hat uns der Papst auch aufgefordert.“
Die aktuellen Probleme im Heiligen Land spiegelten letztlich die Probleme wider, mit denen sich die Weltgemeinschaft insgesamt konfrontiert sehe, erläutert der Weihbischof des Patriarchats von Jerusalem weiter: „Das Heilige Land ist ein Mikrokosmos, in dem alle Probleme der Welt, nicht nur des Mittelmeerraums, vertreten sind. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: weil alle Menschen im Heiligen Land präsent sind. Und auch das israelische Volk besteht aus Menschen aus der ganzen Welt.“ Nahra ist als Patriarchalvikar für Israel zuständig.
Die Diskussionen hätten ihm insgesamt intensive Denkanstöße vermittelt, ohne dass er bereits jetzt die Antworten parat hätte, räumt er ein. Einer bei dem Treffen diskutierten möglichen „Theologie des Mittelmeers“ stehe er – nach einer begrifflichen Klärung - aufgeschlossen gegenüber, lässt er durchblicken:
„Es hängt davon ab, wie man ,Theologie des Mittelmeers‘ versteht. Ich denke, dass der Mittelmeerraum der Ort ist, an dem beispielsweise die griechische Philosophie geboren wurde, die drei Monotheismen entstanden sind und es eine sehr entwickelte Kultur gibt. Es gibt in der Tat viele Gemeinsamkeiten.“
Doch die Welt habe sich sehr verändert, so spräche man nördlich und südlich des Mittelmeers - wo es historisch rege (Handels-)Beziehungen zu verzeichnen gab, kaum mehr miteinander, manchmal gebe es auch Hass.
„Deshalb, wenn wir von einer Theologie des Mittelmeeres sprechen: Was gibt es an Gemeinsamkeiten unter uns? Jetzt denken wir darüber nach, eine Universität des Mittelmeers zu gründen, warum nicht, um gemeinsam über die Geschwisterlichkeit nachzudenken. Papst Franziskus hat die menschliche Geschwisterlichkeit und auch die Ökologie in einer gewissen Weise in die Theologie aufgenommen. Für den Mittelmeerraum sind diese Themen gemeinsam. Wir leben rund um dieses Meer und was das Meer angeht, betrifft alle Anrainer. Die Auswirkungen des Klimawandels, die Kriege und Konflikte... und in diesem Sinne können wir in einer offeneren Weise von einer Theologie sprechen, nicht beschränkt auf im herkömmlichen Sinn theologische Themen, von etwas Gemeinsamen, das eine theologische Dimension hat, auch eine ,menschlich-theologische‘ Dimension.“
(vatican news)
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