Mongolei: Uralte Glaubenstraditionen und katholisches Missionsland
Olivier Bonnel - Vatikanstadt
Ihre Religiosität schöpft die Mongolei bis heute vor allem aus ihrem buddhistischen Erbe, trotz des Atheismus der damaligen Volksrepublik, die 1924 zum Satelliten der UdSSR wurde und es bis zum Beginn der 1990er Jahre blieb. Der mongolische Buddhismus gehört der Gelupa-Schule an, deren höchster Vertreter der Dalai Lama ist. Gestützt auf dieses Erbe gab es sogar einen Versuch, den Kommunismus mit dem lokalen Buddhismus in Einklang zu bringen. Das Vorhaben scheiterte jedoch und führte zu umfangreichen „Säuberungen“ und Zerstörungen von buddhistischen Klöstern. Kurz vor dem Beginn der kommunistischen Ära war das Land kurzzeitig eine Art buddhistischer Theokratie. Aus Sorge vor einer Rückkehr des Religiösen musste die Mongolische Volksrepublik die Reinkarnation des Buddha per Dekret verhindern.
Die buddhistische Tradition
Der Buddhismus blieb in den folgenden Jahrzehnten im Untergrund bestehen. „Jeder nahm irgendwann die Hilfe von Mönchen in Anspruch, die im Untergrund lebten", erklärt der französische Anthropologe Grégory Delaplace, ein Spezialist für religiöse Fragen in der Mongolei. Ab den 1990er Jahren ermöglichte dieser Nährboden ein bemerkenswertes Wiederaufleben des Buddhismus in der Mongolei. So wurden ab der Jahrtausendwende nach und nach die Klöster wieder aufgebaut, die bei den stalinistisch inspirierten „Säuberungen“ in den 1930er Jahren zerstört worden waren. Die buddhistische Tradition regelt wichtige Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in der Mongolei. So werden die Mönche oft bei Beerdigungen hinzugezogen oder bei wichtigen Momenten im Leben um Rat gefragt.
Vor 30 Jahren: Die ersten katholischen Priester
1992 gewann die Mongolei ihre Freiheit als unabhängiges Land und verabschiedete eine neue Verfassung, die Religionsfreiheit garantierte. Der Vatikan schickt die ersten drei Priester in das Land. Sie waren Mitglieder der Kongregation vom Unbefleckten Herzen Mariens (CICM), eine Gründung des Belgiers Theophile Verbist, der 1868 in der heutigen Inneren Mongolei (in China) starb. 1993, vor 30 Jahren also, nahmen das zentralasiatische Land und der Heilige Stuhl offiziell diplomatische Beziehungen auf. Auch der Besuch von Papst Franziskus markiert diesen Jahrestag.
Die erste mongolische Kirche wurde 1996 geweiht und ist heute die Kathedrale St. Peter und Paul in Ulaanbaatar, wo Papst Franziskus am Samstag die katholischen Autoritäten und die im Land lebenden Ordensleuten treffen wird.
Die winzige katholische Gemeinde, die heute knapp 1.500 Personen zählt, besteht aus einem Bischof, 25 Priestern (darunter zwei Mongolen) und 33 Ordensfrauen. Großen Wert legt die Ortskirche auf ihre karitative Arbeit. Die Evangelisierung erfolgt durch die Werke, mit einer großen Fähigkeit zur Inkulturation. „Katholische Missionare treten weniger ,missionarisch' auf als protestantische und stützen sich nicht auf eine Tradition, auf eine lokale Migrantenpräsenz wie die Orthodoxie", erklärt Grégory Delaplace. „Sie bieten ihren Dienst vor allem der Bevölkerung in den von Armut betroffenen Vierteln an und verlangen von den Menschen keine radikalen Lebensveränderungen wie die Abkehr von Alkohol oder Zigaretten."
Laboratorium des interreligiösen Dialogs
Mit 53 Prozent Buddhisten, aber auch muslimischen Minderheiten und anderen christlichen Kirchen ist die Mongolei heute ein Laboratorium des interreligiösen Dialogs, das der Pontifex besuchen wird, um es kennenzulernen. Während des Angelusgebets am 27. August hob Papst Franziskus die Bedeutung dieser Begegnung hervor.
Der Apostolische Präfekt von Ulaanbaatar, Kardinal Giorgio Marengo, freut sich über die Qualität dieses Dialogs. Als er vor 20 Jahren in das Land kam, waren interreligiöse Treffen noch eher selten, doch inzwischen finden sie alle zwei Monate statt. „Die Kirche befindet sich notgedrungen in einer Situation, in der sie unbedingt Beziehungen zu den Gläubigen anderer religiöser Traditionen braucht", stellt der Apostolische Präfekt von Ulaanbaatar fest.
Die Rückkehr des Schamanismus
In dieser religiösen Landschaft Ostasiens ist in der Mongolei schließlich ein weiteres Element von zentraler Bedeutung: Der Schamanismus. „Es gibt eine große Begeisterung in der Bevölkerung für die Idee, wieder an diese Traditionen anzuknüpfen, die als verloren, aber zugleich als unerlässlich für das Wohlbefinden der Mongolei verstanden werden", so Anthropologe Delaplace. Er nimmt wahr, dass der Schamanismus sich heute geradezu in die Mitte der Probleme des Landes zu stellen scheint, denn die Mongolei öffnet sich der Welt, macht sich aber auch Sorgen, ihre Wurzeln zu verlieren.
„Aus der Sicht vieler Mongolen muss man zum Schamanismus und zu einer Nähe zur mongolischen Landschaft, den Elementen und der Natur zurückkehren, damit man seinen Platz als Eroberer im heutigen geopolitischen Feld wieder einnehmen kann ", erklärt Grégory Delaplace. In dieser Sicht sei der Buddhismus eine Religion der Unterdrückung, nicht die Religion der Mongolei, nicht die Religion von Dschingis Khan und nicht die Religion, die es ermöglicht hat, die Hälfte der Welt zu erobern".
(vatican news - gs)
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