Suche

Eine orthodoxe Kirche in Tiflis Eine orthodoxe Kirche in Tiflis  (ANSA)

Georgien: Appell der orthodoxen Kirche

Nach dem Drama um Berg-Karabach rückt nun ein weiterer Kaukasus-Konfliktherd in den Fokus: Die georgische orthodoxe Kirche zeigt sich besorgt über die Entwicklungen in der abtrünnigen Provinz Abchasien. Dies erklärte Patriarch Ilia II. am Donnerstag.

Das Patriarchat von Georgien hatte in diesen Tagen in Tiflis eine Konferenz zum Thema Abchasien ausgerichtet. Im Anschluss wurde in einer Erklärung die Forderung nach einer friedlichen Wiederherstellung der territorialen Integrität Georgiens unterstrichen. Die georgische Regierung wurde für ihre Politik kritisiert, die willentlich oder unbeabsichtigt den Abtrünnigen in die Hände spiele. Welche besorgniserregenden Entwicklungen man in Abchasien ortet, wurde in der Erklärung allerdings nicht explizit benannt.

Das abtrünnige georgische Gebiet Abchasien hat sich (wie auch Südossetien) 2008 mit militärischer Hilfe Russlands in einem Krieg von Georgien abgespalten. Moskau hat in Abchasien (und Südossetien) bis heute Truppen stationiert und beide Regionen als unabhängige Staaten anerkannt. Georgien kritisiert dies als Bruch des Völkerrechts.

Die orthodoxe Kirche in der international nicht anerkannten Republik Abchasien hatte sich 2009 einseitig von der georgisch-orthodoxen Kirche abgespalten, ist aber von keiner anderen orthodoxen Kirche anerkannt. Auch das Moskauer Patriarchat hat dies bislang nicht getan, obwohl es vonseiten der abchasischen Kirche immer wieder Vorstöße dazu gibt. Der georgische Patriarch Illia II. trägt nach wie vor u.a. den Titel Metropolit von Sochumi und Abchasien.

Streit mit vielschichtigem Hintergrund

Die Befürworter der Eigenständigkeit der abchasischen Kirche verweisen auf die Geschichte des Königreichs Abchasien, in dem die Kirche im 8. Jahrhundert tatsächlich ihre Eigenständigkeit entwickelte. Dies geschah nach der Christianisierung Westgeorgiens, die vom Byzantinischen Reich vom 4. bis zum 6. Jahrhundert ausgegangen war. Im 15. Jahrhundert erlangte Abchasien schließlich volle kirchliche Eigenständigkeit, und ab dem 16. Jahrhundert trug der Katholikos von Abchasien zusätzlich den Titel eines Patriarchen. Einer der bedeutendsten Patriarchen war Eudaimon I. Chkhetidze (1543-78), der eine gemeinsame Synode der abchasischen und georgischen Kirchen einberief, um die Liturgie zu reformieren

Nach der völligen Eingliederung Georgiens in das russische Zarenreich im Jahr 1814 verschwand das eigenständige Patriarchat in Abchasien. Von 1817 bis 1943 gehörten die Abchasen zur russischen Kirche. Der gebürtige Georgier Josef Stalin führte sie jedoch wieder in die Kirche Georgiens zurück.

Während des Zusammenbruchs der Sowjetunion brachen gewaltsame Konflikte zwischen Abchasen und Georgiern aus, die 1992/93 in einem blutigen Krieg mit Tausenden von Toten und Hunderttausenden von Flüchtlingen gipfelten. Seit 1993 hat Abchasien eigenständige staatliche Strukturen, betrachtet sich als Republik Abchasien und ist von Georgien unabhängig. Alle georgischen Priester mussten das Land verlassen.

Im Rahmen des Fünf-Tage-Kriegs zwischen Russland und Georgien im August 2008 erkannte Russland schließlich die Unabhängigkeit Abchasiens (und Südossetiens) an.

(kap - jo)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

05. Oktober 2023, 10:48