Gaza: Der Krieg der Krankenhäuser
Nach Angaben der Nachrichtenagentur AP konzentrieren sich die israelischen Streitkräfte derzeit auf die Räumung medizinischer Einrichtungen, weil diese nach ihren Erkenntnissen von militanten Hamas-Kämpfern als Deckung genutzt werden. Das sogenannte „Indonesische Krankenhaus“ liegt in der Nähe des Flüchtlingslagers Dschabalija. Die israelische Militäraktion dort erfolgt einen Tag, nachdem die Weltgesundheitsorganisation 31 Frühgeborene aus dem Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt, dem größten Krankenhaus des Gebiets, evakuieren konnte.
Schlacht der Narrative
Das Drama der Krankenhäuser im Gazastreifen steht im Mittelpunkt einer Schlacht der Narrative zwischen Israels Militär und den Hamas-Terroristen. Israel erklärt, die Hamas benutze Zivilisten als menschliche Schutzschilde; Kritiker halten dagegen, Israels Belagerung und unerbittliche Luftangriffe kämen einer kollektiven Bestrafung der 2,3 Millionen Palästinenser in diesem Gebiet gleich.
„Krankenhäuser sollten vor Kriegsangriffen geschützt werden“, fordert der Art Raid Haj Yahya, ein Freiwilliger des Verbands „Ärzte für Menschenrechte“. Er lebt in Wahat al Salam, einer Modellsiedlung des friedlichen Zusammenlebens von Juden und Palästinensern bei Jerusalem, die in ihrer Art einzigartig ist in Israel. Raid Haj Yahya ist einer der Initiatoren des Programms für humanitäre Hilfe in den Krankenhäusern des Gazastreifens, das seit zwanzig Jahren besteht.
„Bis vor zweieinhalb Monaten konnten wir viel tun für die Gesundheitsversorgung in Gaza, und die Lage war in dieser Hinsicht stabil“, erklärt der Arzt in einem Interview. „Jetzt ist die Lage dramatisch. Es mangelt an Benzin, Wasser, Strom, Medikamenten und medizinischem Material, und es gibt keine Plätze in anderen Krankenhäusern, wohin man Patienten aus Kampfzonen evakuieren könnte.“
Der Arzt beklagt vor allem, dass humanitäre Hilfe nur tröpfchenweise in den Gazastreifen gelangen kann. „Es gibt keine Narkosemittel für Operationen und keine notwendigen medizinischen Ausrüstungen. Und das in allen Krankenhäusern in Gaza. Es wäre sehr dringend, lebenswichtige Hilfsgüter zu beschaffen und die Blockade dieser Einrichtungen aufzuheben, damit die Arbeit der Ärzte fortgesetzt werden kann. Es gibt in den Krankenhäusern nichts mehr, was ein Mindestmaß an medizinischer Versorgung gewährleisten könnte, insbesondere für Dialysepatienten und Neugeborene. Wenn das so weitergeht, gibt es keine Überlebenshoffnung.“
Die Zivilisten schützen
Raid Haj Yahya erinnert sich an seinen letzten Besuch im al-Shifa-Krankenhaus im nördlichen Teil des Gazastreifens so: „Die Lage war dort sowohl für die Patienten als auch für das Personal recht gut. Man konnte in aller Ruhe rein- und rausgehen.“ Das bringt er kaum zusammen mit den jetzigen Bildern aus dem Krankenhaus. Mehr als 250 Patienten mit schweren Erkrankungen befinden sich weiterhin in der Einrichtung von al-Shifa; allerdings können dort die meisten Behandlungen nicht mehr durchgeführt werden, denn Wasser, medizinische Hilfsmittel und Treibstoff für die Notstromgeneratoren gibt es nicht mehr. Die israelischen Streitkräfte sind am Mittwoch ins Krankenhaus eingedrungen und erklären, in seinem Untergrund einen Hamas-Kommandoposten entdeckt zu haben.
„Wir rufen alle internationalen Organisationen und Institutionen eindringlich dazu auf, zu intervenieren, um Wasser nach Gaza hereinzulassen und die Belagerung von Krankenhäusern aufzuheben, damit Ärzte und Krankenschwestern ihre Arbeit machen können. Bringen Sie wenigstens die Kranken raus, damit sie in andere Einrichtungen gebracht werden können! Wir sollten damit aufhören, unschuldige und wehrlose Menschen zu töten – sie sind keine Soldaten und haben nichts mit dem Krieg zu tun. Wir müssen die Zivilisten schützen und diesen Krieg beenden.“
„Keine Ausrede für Massaker“
Auch der palästinensische Philosoph Sari Nusseibeh fordert zu mehr Empathie mit den Menschen im Gazastreifen auf. „Keiner, der auch nur einen Funken Menschlichkeit hat, kann zusehen, was gerade in Gaza passiert.“ Das sagte der frühere Präsident der Palästinenser-Uni von Jerusalem gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ von diesem Montag. Auf den Einwand, dass vielen Menschen palästinensische Empathie für die israelischen Opfer des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober fehle, entgegnete Nusseibeh: „Ich kann nicht für alle Palästinenser sprechen, aber ich persönlich leide mit allen Zivilisten, die Gewalt erfahren“. Es gebe „keine Ausrede für Massaker“. Das Gebot der Menschlichkeit sei auf alle Menschen gleichermaßen anzuwenden.
„Der Gazastreifen ist völlig zerstört“, sagt Raid Haj Yahya im Interview mit dem Verband „Freunde von Wahat al Salam“. „Im Norden gibt es keine funktionsfähigen und effektiven medizinischen Dienste mehr. 26 Krankenhäuser wurden zerstört, sie sind außer Betrieb. Stoppt den Krieg, stoppt den Krieg!“
(vatican news – sk)
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