Ukraine: „Ohne Hilfe kommen wir nicht über den Winter“
Beata Zajączkowska und Stefan v. Kempis – Vatikanstadt
Darauf weist Pater Piotr Rosochacki hin: Der Leiter von Caritas Spes in Odessa bereitet sich in diesen Tagen auf einen weiteren Kriegswinter vor… und rechnet wie im letzten Jahr mit massiven russischen Angriffen auf Kraftwerke und das Heizungssystem. Seit Kriegsbeginn ist der polnische Priester für die Hilfslieferungen in die Süd- und Ostukraine zuständig. Im Interview mit Radio Vatikan spricht er von immer neuen Schwierigkeiten.
Da ist zum einen die Notwendigkeit, die Folgen der verheerenden Überschwemmungen nach dem Bruch des Staudamms in Nowaja Kachowka zu bekämpfen. Vor allem aber gilt es, die Menschen jetzt mit Heizkörpern und warmer Kleidung zu versorgen.
„Die Temperaturen sinken immer weiter. Die Herausforderung besteht also darin, den Menschen noch vor dem Winter zu helfen. Wir kaufen warme Kleidung, warme Schuhe, warmes Bettzeug - alles Dinge, die in der normalen Welt normalerweise schon im Voraus in jedem Haus vorbereitet werden. Vor allem die Menschen, deren Häuser durch die Fluten oder durch Beschuss zerstört wurden, brauchen diese Hilfen, denn sie wollen jetzt in ihre Häuser zurückkehren. Sie wissen nämlich, dass der Schaden umso größer wird, je länger sie abwesend sind. Außerdem will jeder, der kann, bald einfach wieder zu Hause sein, denn im eigenen Haus ist es am besten. Es ist also ein Kampf gegen die Zeit, um auf diese Bedürfnisse im Zusammenhang mit dem kommenden Winter zu reagieren.“
Hilfen gehen zurück
Allmählich gehen die Hilfen für die Ukraine aus dem Ausland zurück, sagt Pater Rosochacki. Damit meint er natürlich keine Waffenlieferungen, sondern humanitäre Hilfe. „In der Praxis bedeutet dies, dass wir mit weniger Mitteln viel weniger Menschen unterstützen können, und die Bedürfnisse sind groß… Ohne humanitäre Unterstützung von außen wird die Ukraine nicht überleben. Das Land kann die nächsten Wochen ohne humanitäre und auch militärische Hilfe nicht überstehen. Die Ukraine ist zu hundert Prozent von Europa abhängig, und ohne dessen helfende Hand wird sie zusammenbrechen. Man kann nicht bestreiten, dass die Hilfe ununterbrochen gebraucht wird.“
Die humanitären Organisationen, die in der Ukraine tätig sind, haben nach Pater Rosochackis Eindruck in anderthalb Kriegsjahren viel gelernt. Vor allem hätten sie sich untereinander vernetzt, um dafür zu sorgen, dass die Unterstützung auch wirklich bei den Bedürftigsten ankommt und es nicht zu Missbrauch kommt. Rotes Kreuz, Caritas, Caritas Spes und andere – zusammengeschlossen zu einem Netzwerk.
Warum die Caritas nie mit Bargeld hilft
„Wir haben eine gemeinsame Datenbank, in der wir überprüfen können, ob die finanzielle Unterstützung, um die eine Familie bittet, benötigt wird, ob sie diese Hilfe womöglich schon von einer anderen Organisation erhalten hat oder nicht. Außerdem wissen wir, wie hoch der Betrag ist und für welchen Zeitraum. Es ist also so transparent wie möglich. Außerdem funktioniert das Bankensystem in der Ukraine sehr gut. Die Begünstigten erhalten niemals direkt Bargeld, denn das wäre gefährlich; Kriminelle könnten die Caritas-Büros überfallen, wenn sie wissen, dass dort Bargeld aufbewahrt wird, oder sie könnten die Menschen ausrauben, die dort Hilfe erhalten.“
Auf die Frage nach der Stimmung in der Ukraine erklärt Pater Rosochacki, dass wohl jeder Ukrainer sich noch „einen Funken Hoffnung“ bewahrt habe, „dass dieser Krieg einmal zu Ende gehen wird“. Die Meinungen darüber, wann er enden wird, seien jedoch geteilt. „Wenn wir uns die Frontlinie anschauen, sehen wir, dass die ukrainische Offensive zum Stillstand gekommen ist oder sich nur mit sehr kleinen Schritten bewegt. Es ist also noch nicht so weit, dass morgen oder nächste Woche der Krieg zu Ende ist…“
Die meisten Schulen arbeiten nur online
Der Priester rechnet damit, dass Russland wie schon im letzten Winter „kriminelle Raketenangriffe und Drohnenangriffe auf Kraftwerke und Heizzentralen durchführen wird, um den Zugang zu Strom und Heizung zu begrenzen“. Schwierig ist die Lage nach seinem Eindruck auch weiterhin für Schülerinnen und Schüler, weil im Süden und Osten der Ukraine die meisten Schulen noch immer nur online arbeiten. „Die Kinder gehen nicht zur Schule, sie lernen online. Wenn es keinen Strom und kein Internet gibt, fällt der Unterricht in den Schulen ganz aus.“
Allerdings will Pater Rosochacki auch nicht zu pessimistisch klingen: „Es ist doch schön, dass im Namen unserer Organisation Caritas Spes das Wort 'spes' Hoffnung bedeutet! Die Tatsache, dass wir zu den Menschen gehen, sie treffen, ihnen Hilfe bringen, ist genau das, worauf sie warten. Es ist zwar bekannt, dass wir keine Millionen haben, um ihnen zu helfen, aber allein die Tatsache, dass sie wissen, dass es Menschen gibt, die an sie denken, die ihnen die Hand reichen, ist für sie unbezahlbar… Wir erreichen Hunderte von Dörfern und Kleinstädten, um die sich fast niemand kümmert. Die Präsenz der Caritas in diesen Gebieten ist für die Bewohner ein Zeichen dafür, dass die Welt noch an sie denkt.“
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.