Ukraine: Krieg im Schatten des Nahost-Konflikts eskaliert
Bei dem neu entflammten Konflikt im Nahen Osten werde „immer offensichtlicher, dass Russland mit seinen Verbündeten, etwa dem Iran, den Krieg auf die ganze Welt auszubreiten versucht“, so der Geistliche. „Nachdem es nicht möglich war, die Ukraine schnell einzunehmen, sucht Russland auf der ganzen Welt Verbündete.“
Der Krieg werde auch immer mehr zum Thema der Innenpolitik vieler europäischer Staaten, aber auch der Vereinigten Staaten. Schewtschuk: „Es liegt auf der Hand, dass die Taktik darin besteht, die Weltmedien zum Thema Ukraine zum Schweigen zu bringen, indem man die Aufmerksamkeit der internationalen Gesellschaft auf das Heilige Land lenkt.“ Natürlich sei die Aufmerksamkeit um die Ereignisse im Heiligen Land groß, die Stadt Jerusalem sei heilig für drei große Weltreligionen, erinnerte der Großerzbischof. Die Ukrainer fühlten sich mit den Menschen im Heiligen Land tief verbunden und beteten mit ihnen um Frieden, versicherte er. Aber: „Der Gazastreifen ist so groß wie die Hälfte der Hauptstadt der Ukraine. Die Dimensionen dieser beiden Kriege sind unvergleichlich“, so Schewtschuk.
Einmal mehr berichtete der Geistliche über das Ausmaß an Brutalität, mit dem der Krieg in seiner Heimat geführt werde. „Unseren Informationen zufolge verliert die russische Armee allein im Donbass-Gebiet fast 1.000 Soldaten pro Tag. Das Ausmaß der Verachtung menschlichen Lebens gegenüber, das Russland an den Tag legt, ist erschütternd“, so Schewtschuk. „Die Grausamkeit gegenüber der Zivilbevölkerung lässt uns das Blut in den Adern gefrieren.“
Winter wird noch schwieriger
In der Ukraine bereiteten sich die Menschen auf den nächsten Kriegs-Winter vor, dieser werde noch schwieriger als im letzten Jahr, befürchtete der Großerzbischof. „In diesem Winter geht es um das nackte Überleben der Zivilbevölkerung. Im vergangenen Jahr hat Russland 60 Prozent des ukrainischen Stromnetzes zerstört. Heuer werden sie versuchen, die restlichen 40 Prozent zu zerstören.“ Er selbst könne bezeugen, wie schlimm es ist, wenn es in einem Wohnhaus mit zwölf oder 13 Stockwerken keinen Strom, keine Heizung und kein Wasser gibt. „Da wird das Leben praktisch unmöglich.“ Daher erwarte Schewtschuk eine Flüchtlingswelle. „Menschen werden nicht nur vor Bombardierungen fliehen, sondern besonders auch vor der Kälte.“
Es sei eine „interessante Tatsache“, dass fast alle katholischen Ostkirchen unter Kriegsbedingungen lebten, so Schewtschuk: in der Ukraine, Armenien, Syrien, im Libanon, im Irak, jetzt im Heiligen Land, in Eritrea. In vielen Ländern gäbe es ein „Aderlass“ kirchlichen Lebens auf den ursprünglichen kirchlichen Territorien. Auch die ukrainische Kirche leide unter einer massiven Auswanderung. „Seit Ausbruch des Krieges waren bereits 14 Millionen Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen - ein Drittel der Bevölkerung. Von diesen 14 Millionen haben 6 Millionen die Ukraine verlassen. Die Zurückgebliebenen sind als Binnenflüchtlinge in anderen Teilen des Landes untergekommen“, erläuterte der Geistliche.
Am Dienstag hatte Schewtschuk die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Rom besucht.
(kap - mg)
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