Zwangsehen in Pakistan: Missio Aachen sucht Hilfe der deutschen Regierung
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
„Das Thema Zwangsheirat ist ein großes Problem in Pakistan. Wir gehen davon aus, dass es etwa 1.000 Fälle im Jahr gibt, dazu noch eine große Dunkelziffer“, erklärte uns Bingener. „Es ist so, dass Mädchen dazu gezwungen werden, oftmals ältere muslimische Männer zu heiraten. Davor steht eine Zwangskonversion. Entweder werden die Mädchen gelockt mit Versprechungen, dass sie ein besseres Leben führen werden, dass sie nicht mehr diskriminiert sind, wenn sie zum muslimischen Glauben übertreten, denn als Christen sind sie ja diskriminiert. Oder sie werden eben auch entführt.“
Diese Praxis widerspricht klar den Menschenrechten und trifft die kleine christliche Minderheit in Pakistan an empfindlicher Stelle. Es braucht mehr Solidarität der deutschen und der europäischen Politik, so Bingener. Deshalb hatte Missio Aachen eine Petition zum Thema Nein zur Zwangsheirat und Zwangskonversion auf den Weg gebracht. Mit 2.400 Unterschriften übergab Bingener sie am Montag dem Bundesbeauftragten für Religionsfreiheit weltweit, Frank Schwabe. „Wir gehen davon aus, dass er diese Petition gegen Zwangsheirat und gegen Zwangskonversionen mitnimmt, dass er das zum Thema macht“, sagte uns Bingener. „Öffentlichkeit nutzt dem Thema sehr, also wenn die Bundesregierung deutlich macht, wir sehen, was in Pakistan passiert, und wir sehen das Leid.“
Politische und diplomatische Hebel nutzen
Der Missio-Chef sieht politische und diplomatische Hebel, die genutzt werden sollen, um gegen Zwangsehen und Zwangskonversionen in dem mehrheitlich muslimischen Land vorzugehen. Nächstes Jahr stehe eine Pakistan-Reise von Regierungsmitgliedern an, „dort kann man es zum Thema machen“, wünscht sich das katholische Hilfswerk. Auch die deutsche Botschaft in Islamabad solle Zwangsheirat und Zwangskonversion zu Lasten der christlichen Minderheit thematisieren. „Nächste Woche wird offensichtlich der Religionsfreiheits-Bericht herauskommen. Wenn es dort auch enthalten ist, dann sind das verschiedene Möglichkeiten und Ebenen, auf denen die Fragestellungen thematisiert werden. Das ist ganz besonders wichtig, denn es braucht Öffentlichkeit und es braucht auch einen Einsatz von uns hier in Deutschland, aber auch im Hinblick auf die Europäische Union, damit sich in Pakistan die Situation verändern kann.“
Bingener war selbst vergangene Woche in Pakistan und hat viele Gespräche geführt. „Zwangsheirat heißt für viele Mädchen und Frauen eine lebenslange Hölle, muss man wohl sagen. Oftmals werden die Frauen und Mädchen schlecht behandelt in den Familien, in die sie eingeheiratet haben, und wollen dann auch zurückkehren. Eine Rückkehr zum christlichen Glauben ist aber nicht möglich, weil das unter die Blasphemiegesetze fallen würde. Eine Muslimin kann nicht konvertieren ins Christentum. Sie merken, das sind große Problematiken, großes menschliches Leid, und wir gehen von einer großen Dunkelziffer aus.“
Das zweite große Kreuz der christlichen Minderheit in Pakistan sind die so genannten Blasphemiegesetze, resümierte Bingener im Rückschau auf seine Reise. „Jeder Christ, jede Christin kann im Grunde genommen von einem Nachbarn der Blasphemie angezeigt werden und landet dann im Gefängnis. Es gibt einige Fälle, und diese Fälle verbreiten Angst und Schrecken unter den Christen, weil man eben willkürlich unter Verdacht kommen kann. Die Blasphemiegesetze sind sehr belastend.“
Die Wut auf die christliche Minderheit entlädt sich fallweise auch in größeren Attacken. So war der Missio Aachen-Leiter in Jaranwala zu Besuch, wo vor drei Monaten 21 Kirchen und viele christliche Häuser niedergebrannt wurden. „Wir haben dort in den verbrannten Häusern gestanden und mit den Menschen gesprochen, die nichts mehr haben. Auch das war eine sehr belastende Situation und Erfahrung, die deutlich gemacht hat, was es jetzt braucht: Es braucht jetzt Solidarität mit den Christen in Pakistan.“
(vatican news – gs)
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