Gaza: „Hier sind überall Scharfschützen“
Federico Piana und Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Zusammen mit der Ordensfrau sucht derzeit fast die gesamte katholische Gemeinschaft des Gazastreifens Schutz auf dem Gelände. Schwester Nabila von der „Rosenkranzkongregation von Jerusalem“ hat das Drama vom letzten Samstag miterlebt, als eine Frau und ihre Tochter von Scharfschützen erschossen wurden
„Wissen Sie, wir hausen hier in den Gebäuden der Kirche und der Schule; die Tische wurden aus den Klassenzimmern entfernt. Die Frau wollte draußen auf die Toilette gehen; da wurde sie von Scharfschützen erschossen, die in den Häusern hinter uns postiert waren. Als ihre Tochter sah, wie ihre Mutter fiel, ging sie zu ihr hinaus, um ihr zu helfen, aber auch sie wurde in den Kopf geschossen. Wir sind alle sehr erschrocken. In diesem Moment war es für uns schwierig, nach draußen zu gehen, und wir konnten nur mit Mühe eine der beiden Leichen bergen, während wir lange warten mussten, um auch die andere zu holen.“
Panzer auf der Straße vor der Kirche
Die Menschen auf dem Compound der „Heiligen Familie“ sind voller Angst; die israelischen Panzer stünden direkt auf der Straße vor der Kirche, sagt Schwester Nabila. Nach 16 Uhr dürfe keiner mehr draußen auf der Straße zu sehen sein. „Hier sind überall Scharfschützen postiert. Wir leben unter extremer Anspannung: Es gibt keinen Strom, kein Licht und kein Trinkwasser. Aber wir danken Gott, dass es im Moment keine weiteren Toten gibt, und wir beten, dass dieser furchtbare Krieg bald zu Ende ist.“
Die Ordensfrau, die sich zusammen mit anderen Schwestern und dem Pfarrvikar, Pater Yusuf, um die Menschen kümmert, die auf das Gelände geflüchtet sind, haben nicht mit einer solchen Eskalation gerechnet. Wie denn auch: „Schon vor dem Ausbruch des Krieges haben wir die Behörden darauf hingewiesen, dass sich fast die gesamte christliche Gemeinschaft in der Pfarrei aufhält. Es gibt hier keine Waffen und keine Muslime. Jetzt haben wir sieben Verwundete unter uns, von denen wir nicht wissen, wie wir sie behandeln sollen. Pater Yusuf hat das Rote Kreuz um Hilfe gebeten, aber wir wissen nicht, ob und wann Hilfe eintreffen wird.“
Weihnachten, trotz allem
Unter den Flüchtlingen auf dem Gelände der Pfarrei befinden sich auch zahlreiche Kinder, viele von ihnen behindert und krank. Sie alle haben trotz oder gerade wegen den schwierigen Umständen den Wunsch, sich auf Weihnachten vorzubereiten. Schwester Nabila ist sich bewusst, dass das in diesem Jahr nicht so gut gelingen wird wie in früheren Jahren: „Die Geburt Jesu löst immer Freude in unseren Herzen aus – vielleicht ist der Krieg ja auch bis Weihnachten schon zu Ende? Wir werden jedenfalls trotz allem versuchen, uns so gut wie möglich auf Weihnachten vorzubereiten. Wenn es zum Beispiel etwas ruhiger ist, gehen wir in die Kirche und beten den Rosenkranz; aber das ist sehr schwierig...“
Schwester Nabila hat, vom belagerten Gaza aus, eine Bitte an die internationale Gemeinschaft: „Wir bitten alle Führer dieser Welt, dass sie die Zerstörung und den Tod der Kinder und der Unschuldigen sehen und dass sie ein Wort der Gerechtigkeit sprechen! Wenn sie das nicht tun, dann schmerzt das mehr als der Krieg.“
(vatican news)
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