Regenbogenflagge auf einer Kirche in Wien: Foto vom 18. Dezember 2023, dem Tag der Veröffentlichung von „Fiducia Supplicans" Regenbogenflagge auf einer Kirche in Wien: Foto vom 18. Dezember 2023, dem Tag der Veröffentlichung von „Fiducia Supplicans"   (AFP or licensors)

Segen für Homosexuelle: Gemischte Reaktionen aus der Weltkirche

In den Ortskirchen Westeuropa hat die Erlaubnis des Heiligen Stuhles zur Segnung homosexueller und anderer „irregulärer“ Paare überwiegend Lob gefunden. Verhaltene bis ablehnende Stellungnahmen kamen indes aus anderen Teilen der katholischen Weltkirche, namentlich dort, wo Homosexualität kulturell nicht akzeptiert und strafbar ist.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Die Erklärung „Fiducia Supplicans" („Das flehende Vertrauen") des vatikanischen Glaubensdikasteriums erschien am 18. Dezember 2023 mit dem Untertitel „Über die pastorale Sinngebung von Segnungen". Das von Papst Franziskus unterzeichnete Papier besagt, dass ein katholischer Priester ein gleichgeschlechtliches oder ein anderes unverheiratetes Paar segnen kann, sofern es sich nicht um eine formale liturgische Segnung handelt und nicht der Eindruck entsteht, dass die katholische Kirche die Verbindung segnet, als wäre sie eine Ehe.

Bischöfe aus Kasachstan waren unter den ersten, die eine rote Linie zogen, indem sie in ihren Regionen den Priestern die Segnung homosexueller Paare verboten. Praktizierte Homosexualität stehe „in direktem und ernsthaftem Widerspruch zur göttlichen Offenbarung und zur ununterbrochenen, 2000 Jahre alten Lehre und Praxis der katholischen Kirche", begründeten die Bischöfe der kasachischen Hauptstadt Astana ihren Entschluss in einem Hirtenbrief. Homosexualität ist in Kasachstan kein Straftatbestand, stößt aber wie in den meisten Staaten der ehemaligen Sowjetunion bei weiten Teilen der Gesellschaft auf Ablehnung. 

Ukraine: Bischöfe kritisieren Verwechslungsgefahr

Mit Ablehnung reagierten auch die römisch-katholischen Bischöfe der Ukraine auf die Möglichkeit, homosexuelle Paare zu segnen, auch wenn sie nicht so weit gingen, die Segnungen zu verbieten. Sie warnten in einer Stellungnahme vor einer Verwechslung mit dem Segen, der Eheleuten vorbehalten ist. „Was wir in dem Dokument vermisst haben, ist, dass das Evangelium die Sünder zur Umkehr aufruft.“ Doch ohne einen Aufruf an homosexuelle Paare, „das Leben in Sünde hinter sich zu lassen“, könne die Segnung wie eine Billigung aussehen und wie „der Beginn der Akzeptanz dieser Beziehungsform“ durch die Kirche, fürchten die Bischöfe. Homosexualität ist in der Ukraine gesetzlich toleriert.

Malawi: Bischöfe wollen homosexuelle Paare nicht segnen

In mehr als 30 Staaten Afrikas ist praktizierte Homosexualität ein Straftatbestand. Dieser Sachverhalt spiegelt sich in den Reaktionen afrikanischer Bischofskonferenzen auf „Fiducia Supplicans". So verbot die malawische Bischofskonferenz die Segnung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, „um Verwirrung unter den Gläubigen hintanzuhalten" und aus Respekt für die Gesetze des Landes, in dem christliche Religionsführer vor einigen Monaten den Obersten Gerichtshof dazu anhielten, das Verbot homosexueller Akte beizubehalten.

Das vatikanische Dokument beziehe sich ohnehin nicht ausdrücklich auf solche Paare, sondern lediglich auf Segnungen für Einzelpersonen „unabhängig von ihrem Beziehungsstatus", erklärten die Bischöfe des südostafrikanischen Landes. Man habe Verständnis für das „Interesse und die Befürchtungen, die diese Erklärung hervorgerufen hat" und versichere allen, dass nach der Lehre der Kirche die Ehe nach wie vor „eine exklusive, stabile und unauflösliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau ist“, so die malawische Bischofskonferenz.

Sambia: Vorerst nicht anwenden

Eine ähnliche Erklärung gab die Bischofskonferenz von Sambia ab. Man werde die Erklärung der Glaubenskongregation „als Grundlage weiterer Überlegungen“ betrachten, sie aber vorerst nicht anwenden. Auch in Sambia steht Homosexualität unter Strafe.

„Dies würde dem Gesetz Gottes, der Lehre der Kirche, den Gesetzen unseres Landes und den kulturellen Empfindungen unseres Volkes zuwiderlaufen“

In Nigeria, Afrikas bevölkerungsreichstem Land, versicherte die Bischofskonferenz ebenfalls, dass die Lehre der katholischen Kirche zur Ehe unverändert bleibe. „Daher gibt es in der Kirche keine Möglichkeit, gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Aktivitäten zu segnen. Dies würde dem Gesetz Gottes, der Lehre der Kirche, den Gesetzen unseres Landes und den kulturellen Empfindungen unseres Volkes zuwiderlaufen.“ In dem westafrikanischen Land stehen lange Haftstrafen auf Homosexualität, und in einigen nördlichen Bundesstaaten, die das islamische Recht der Scharia anwenden, kann die Todesstrafe drohen.

„Die Kirche versucht, alle Menschen zu erreichen, um sie auf den Weg der Umkehr und des Heils zu führen“

In Kenia registrierten die Bischöfe, dass einige sich nun fragten, ob die katholische Kirche mit diesem Schreiben gleichgeschlechtliche Ehen „billige und genehmige" oder das kirchliche Verständnis der Ehe ändere. Das sei nicht der Fall, so die Bischofskonferenz in einer Erklärung. In Industrieländern möge es „Verwirrung“ und „unchristliche Eheformen und Lebensstile" geben, doch „in unserem afrikanischen Kontext“ sei „sehr klar, was eine Familie und Ehe ist“; Homosexualität sei in Kenias Kultur nicht akzeptiert und darüber hinaus strafbar. Im Übrigen beabsichtige das Schreiben aus dem Vatikan, „die Einladung an alle Menschen zu Gottes Handeln und Gnade“ zu wecken. „Die Kirche versucht, alle Menschen zu erreichen, um sie auf den Weg der Umkehr und des Heils zu führen", heißt es in der Erklärung der Bischöfe von Kenia.

 

 

Deutschsprachiger Raum: Lob für Vatikan-Entscheidung

In Westeuropa wurde die Erklärung überwiegend positiv aufgenommen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz begrüßten die Bischöfe die Öffnung für die informelle Segnung homosexueller und anderer „irregulärer“ Paare ausdrücklich. Der Limburger Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sprach von einem „wichtigen Fortschritt“ und einem „großen Durchbruch in der Seelsorge". Der Passauer Bischof Stefan Oster äußerte, der Text könne in Deutschland und auf Ebene der Weltkirche „klärend wirken". Erzbischof Franz Lackner, Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz, sagte, Segnen sei ein Grundbedürfnis, „das grundsätzlich niemandem verwehrt werden darf - wie Brot". Dennoch bleibe die katholische Lehre zur Ehe unverändert. Der Eisenstädter Bischof Zsifkovics begrüßte die Öffnung und sagte, er werde selbst homosexuelle Paare segnen, sollten sie darum bitten. Die Schweizer Bischöfe erklärten, die Entscheidung aus dem Vatikan entspreche ihrem Wunsch „nach einer offenen Kirche, welche Menschen in unterschiedlichen Beziehungssituationen ernst nimmt, achtet und begleitet“.

Irland: Hoffnung auf Heilung

In Irland begrüßte Erzbischof Eamon Martin von Armagh, der Primas von ganz Irland, die Klarstellung in dem Dokument, wonach die immerwährende Lehre der Kirche über die Ehe zwischen Mann und Frau unverändert bleibe. Der Papst mache deutlich, „dass diese pastoralen Segnungen keine Art von liturgischer oder ritueller Anerkennung“ für Homosexualität sind. Zugleich zeige das Dokument, „dass die Probleme und Verletzungen, die Menschen, die sich als LGBT+ identifizieren, erfahren haben, innerhalb der Kirche sicherlich sehr laut gehört wurden. Ich hoffe, dass Menschen, die sich in der Vergangenheit ausgeschlossen gefühlt haben, dies als einen Schritt hin zur Liebe und Barmherzigkeit Christi sehen werden", sagte Erzbischof Martin.

Frankreich: Weg vom Ansatz „Verboten oder erlaubt“

Erzbischof Hervé Giraud von Sens-Auxerre in der französischen Region Burgund, der Moraltheologe ist, sagte gegenüber der US-amerikanischen Agentur OSV News, dass „wir alle Homosexuelle in unseren Familien haben, sogar die katholischsten Familien, die die Nähe zur Kirche suchen". Das von Papst Franziskus unterzeichnete Dokument sei „eindeutig von großer Tragweite“, die Kirche müsse aber dafür Sorge tragen, „dass der Inhalt klar verstanden wird". Giraud betonte, die Möglichkeit des Segens für Paare in irregulären Situationen solle nicht „rituell von kirchlichen Autoritäten festgelegt werden“, sodass es nicht zu einer Verwechslung mit dem formalisierten Segen kommen könne, der dem Ehesakrament vorbehalten sei. Papst Franziskus versuche, vom einfachen Ansatz „Verboten oder erlaubt“ wegzukommen und „die Menschen unter Gottes wachsames Auge zu stellen"; ein Segen wolle „ermutigen, voranbringen und manchmal korrigieren“; Priester hätten an diesem Punkt eine große Verantwortung.

USA und Kanada: skeptisch bis verhalten positiv

In den Vereinigten Staaten reagierte die katholische Bischofskonferenz auf „Fiducia supplicans" verhalten. Ein knappes Statement hält fest, dass „die Lehre der Kirche zur Ehe hat sich nicht verändert" habe. Die Bischöfe in den USA gelten bei vielen kirchlichen Reformfragen als gespalten. Indessen begrüßte der Erzbischof von Chicago, Kardinal Blase Cupich, die Möglichkeit, homosexuelle Paare zu segnen. Die Kirche brauche einen pastoralen Ansatz gegenüber Menschen in irregulären Situationen. Deshalb werde das Papier „vielen weiteren Menschen in unserer Gemeinschaft helfen, die Nähe und die Barmherzigkeit Gottes zu spüren". An der traditionellen Lehre der Kirche über die Ehe werde nicht gerüttelt.

Ähnliches verlautete aus Kanada. Bischof William McGrattan schrieb als Vorsitzender der Bischofskonferenz, das Schreiben bekräftige ausdrücklich das traditionelle Verständnis der Kirche von der Ehe. Dennoch erlaube es den Seelsorgern, Menschen zu segnen, „die aus freien Stücken um einen Segen bitten und göttliche Hilfe suchen, um in Treue zu Gottes Willen zu leben". Die Erklärung stelle klar, dass solche Segnungen auf die Personen selbst und nicht auf ihre Situation bezogen sein müssten.

Mexiko: Informeller Segen hat viele Gesichter

Die mexikanische Bischofskonferenz forderte Priester, pastorale Mitarbeiter und Gläubige dazu auf, „keine Verwirrung zu stiften oder die pastorale Bedeutung dessen zu verzerren, was Papst Franziskus fordert, nämlich: eine einladende Haltung, Nähe und Unterscheidungsvermögen gegenüber denjenigen, die um einen Segen bitten, und sie mit Sanftheit, Festigkeit und Klarheit auf ihrem Weg zu begleiten, um Gottes Willen in ihrem Leben zu erfüllen." Informelle Segnungen außerhalb der Liturgie könnten „in zahllosen Situationen unterschiedlicher menschlicher Realitäten erteilt werden, als Zeichen unseres Lobes und unserer Dankbarkeit gegenüber Gott und als Offenheit für seine Gnade und Barmherzigkeit".

(osv/Agenturen – gs)

 

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21. Dezember 2023, 13:21