Ecuador: Drogenkriminalität bleibt schwelendes Problem
In mindestens einer Haftanstalt, dem Männergefängnis in Esmeraldas, war es durch die Vermittlung der katholischen Kirche gelungen, eine gewaltlose Freilassung der Geiseln zu erreichen. Auch in diesem Fall kehrte das Gefängnis nach dem Einsatz von mindestens tausend Soldaten unter die Kontrolle der Regierung zurück. In den durchsuchten Zellen kamen Schusswaffen, Sprengstoff, Messer, Drogen und Handys zum Vorschein.
Der erst wenige Monate im Amt befindliche Mitte-Rechts-Präsident Daniel Noboa konnte die Ausschreitungen begrenzen, doch nach Ansicht der Ecuador-Spezialistin Emmanuelle Sinardet von der Universität Paris-Nanterre muss er sich auf weitere Schwierigkeiten einstellen. Denn das zugrundeliegende Drogenproblem bleibt bestehen.
„Zunächst einmal bekämpfen sich die Gangs selbst immer noch untereinander, was die spektakulären Operationen erklärt, die man in den vergangenen Jahren in Ecuador bereits beobachten konnte. Zu dieser ohnehin schon extrem schlechten Situation kommt aber noch die Wirtschaftskrise hinzu, die nach Covid anhält und die der Ukraine-Krieg weiter verschärft. Wir sehen eine wirtschaftliche Lähmung aufgrund der Unsicherheit.“
Große und kleine Drogenkriminalität
Das alles ist ein Nährboden für die Entwicklung einer heterogenen Form von Drogenkriminalität, so die Forscherin. Stark gewachsen sei der kleine Drogenhandel, der sich auf transnationale Drogenkonzerne stützt, erklärt Sinardet: „Handel auf Straßenebene, aber auch Handel auf globaler Ebene durch diese großen Gruppen aus Kolumbien und Mexiko, die mit albanischen Mafias verbündet sind und sich auf diese kleinen lokalen kriminellen Gruppen stützen.“
Spaltung erschwert Reformen
Zudem ist Ecuador seit Jahren gesellschaftlich polarisiert. Das macht Reformen sehr schwierig. Sinardet verweist auch auf massive soziale Unterschiede zwischen Arm und Reich und auf Korruption, die weit in den öffentlichen Bereich hineinreicht.
Der 36-jährige Regierungschef Noboa, Spross einer superreichen Unternehmerfamilie und selbst in den USA geboren und ausgebildet, versucht sich mit seinem Durchgreifen als starker Mann der Stunde zu präsentieren, so die Forscherin. „Er muss seine Wählerschaft davon überzeugen, dass er der richtige Mann für den Kampf gegen die Banden ist. Er zeigt sich als derjenige, der das Heft in die Hand nimmt, das zuvor den verschiedenen Drogengangs überlassen wurde. Auf die Verschärfung des staatlichen Tons haben die Bandenakteure mit spektakulären Aktionen reagiert.“ Genau deshalb sei Noboa gut beraten, auf der Hut zu bleiben.
Hilfe der USA denkbar
Ecuador könne aber auf die Hilfe der USA zählen, glaubt die Forscherin. Die Vereinigten Staaten hätten Erfolge im gemeinsamen Kampf gegen Drogenkriminalität in Kolumbien, wo die Herstellung und die illegale Ausfuhr von Kokain eingedämmt werden konnte. Auch wenn Ecuador noch nicht einmal selbst Drogen herstellt. „Es ist wirklich eine Handelsplattform, ich spreche von einer Art Supermarkt. Jedenfalls: die USA haben viel Erfahrung mit der juristischen Behandlung von transnationalen Akteuren des Drogenhandels. Daher denke ich, dass kurzfristig der wichtigste Ansprechpartner und die wichtigste Unterstützung die USA sein könnten. Aber es gibt auch regionale Vereinbarungen, insbesondere rund um die Andengemeinschaft, und man kann davon ausgehen, dass diese regionalen Institutionen auch hier in Ecuador eingreifen können.“
(vatican news – gs)
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