Spanien: „Die Prozession muss auch nach innen führen“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Und sie spricht von „eindrucksvollen Kulissen für eine einzigartige Veranstaltung mit besonderem Flair“. 32 Bruderschaften gestalten seit Jahrhunderten die Umzüge und Prozessionen, die oft nachts stattfinden. Der Erzbischof von Granada, José María Gil Tamayo, hält viel von der Volksfrömmigkeit, die sich darin ausdrückt. Aber er hofft, dass die Emotionen nicht nur oberflächlich aufgerührt werden.
„Papst Benedikt XVI. sprach von einem ‚Bildungsnotstand‘. Es gibt keine größere Armut als die Unwissenheit“, so der Erzbischof im Gespräch mit dem katholischen spanischen Radiosender „Cope". „Wir müssen uns fragen, warum bin ich hier, was ist meine Bestimmung? Diese großen Feste, an denen wir das große christliche Geheimnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung Jesu Christi feiern, bleiben etwas Oberflächliches, wenn es keine Katechese gibt, wenn es keine Ausbildung gibt, die erklärt, warum dieses große Ereignis in der Geschichte der Menschheit gefeiert wird, besonders für Christen. Es mag von einem gewissen Gefühl begleitet sein, was gut ist, aber das ist vorübergehend und hat ein Verfallsdatum. Die Emotionen und Reize vergehen, sie verpuffen.“
Nicht bei den äußeren Formen stehenbleiben
Das religiöse Empfinden der Menschen im Erzbistum Granada müsste „aktualisiert und in die richtige Richtung gelenkt werden“, findet Gil Tamayo.
„Die Prozession muss auch nach innen gehen, denn sonst bleibt sie etwas Äußerliches und Vorübergehendes… Die Bruderschaften, die tief in ihren Stadtvierteln verankert sind, sollten auch dafür ein Ort sein. Wir dürfen nicht bei den äußeren Formen stehenbleiben. Die beeindruckenden Darstellungen Christi und der Gottesmutter bei den Feiern der ‚Semana Santa‘ kann man nur verstehen, wenn die Menschen den Code des Glaubens kennen.“
Volksfrömmigkeit stärken
Der Erzbischof von Granada ist tief beeindruckt von der Volksfrömmigkeit, die sich in den Feiern der Karwoche ausdrückt, und von der ungebrochenen Anziehungskraft der Bruderschaften auch auf junge Leute. Ihn erinnert das manchmal an die Eroberung des muslimischen Sultanats Granada durch die „Katholischen Könige“ vom Ende des 15. Jahrhunderts.
„Bei der Einnahme von Granada und der Re-Evangelisierung waren damals die Orden das große Instrument. In diesen Zeiten des Säkularismus ist das große Instrument neben den Verbänden und Bewegungen eine starke Volksfrömmigkeit, weil sie tief im Volk und in den Stadtteilen verwurzelt ist. Entweder wir stärken die Volksfrömmigkeit - die Bruderschaften und auch Schwesternschaften -, indem wir ihren prägenden Sinn für Nächstenliebe und Gottesdienst wiederfinden, oder vieles wird aus dem Ruder laufen und stagnieren.“
Im letzten Jahr hat Gil Tamayo zum ersten Mal die „Semana Santa“ in Granada erlebt. Dazu sagt er: „Mir ist aufgefallen, dass Menschen, die ihren Glauben gar nicht leben oder die nichts mit den Bruderschaften zu tun haben, großen Respekt vor den ‚pasos‘ haben, dem anstrengenden Tragen der Statuen durch die Straßen. Man spürt eine Wertschätzung und Bewunderung für die Mühe, die sich diese Menschen machen. Ich habe die Ernsthaftigkeit dieser ‚Semana Santa‘ bewundert.“
(cope – sk)
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