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Bauch einer Schwangeren (Archivbild) Bauch einer Schwangeren (Archivbild)  (ANSA)

Verstößt Leihmutterschaft gegen die Menschenwürde?

Leihmutterschaft verbieten: Dieses Ziel hat sich eine internationale Allianz von Wissenschaftlern und Experten gesetzt, mit einer „Erklärung von Casablanca“ vom März 2023. Inzwischen hat sie auch die katholische Kirche als Verbündete gewonnen.

In seiner Neujahrsansprache an Diplomaten, also an exponierter Stelle, forderte Papst Franziskus Anfang Januar 2024 ein weltweites Verbot von Leihmutterschaft – und lieferte einige Tage später auf der Plattform X eine Begründung nach: Ein ungeborenes Leben dürfe nicht „zum Vertragsgegenstand werden“. „Deshalb verletzt die Leihmutterschaft die Würde der Frau und des Kindes in schwerem Maße.“

„Ein globaler Markt“

„Es handelt sich da um eine Praxis, für die sich ein globaler Markt entwickelt hat“, erklärt Bernard Garcia Larraín vom internationalen Verband „Juristen für das Kind“ im Interview mit Radio Vatikan. „Da reisen Menschen in andere Länder, um Leihmütter zu suchen. Es ist unerlässlich geworden, einen Gesetzestext zu erstellen, um diese Praxis abzuschaffen; das innerstaatliche Recht reicht nicht mehr aus, um diesen Markt zu einzuschränken.“

Forscher, Mediziner, Psychologen und Juristen aus über 80 Ländern, die die „Erklärung von Casablanca“ unterzeichnet haben, machen jetzt Lobbyarbeit für ein internationales Abkommen gegen Leihmutterschaft. Da seien ganz verschiedene Kulturen und Sensibilitäten vertreten, sagt Garcia Larraín.

Zum Nachhören
Neugeborene in der ukrainischen Hauptstadt Kyiv - Archivaufnahme von 2020
Neugeborene in der ukrainischen Hauptstadt Kyiv - Archivaufnahme von 2020

„Ein Kampf der Menschlichkeit“

„Für uns ist es kein Kampf, der einem politischen Sektor zuzuordnen ist, sondern eher ein Kampf der Menschlichkeit: Wir wollen Frauen vor diesem globalen Markt, dieser Ausbeutung schützen – und natürlich auch die Kinder. Sie werden da Gegenstand eines Vertrags, der eines menschlichen Wesens unwürdig ist. Die Würde eines Menschen besteht gerade darin, dass es für ihn keinen Preis gibt. Wir folgen da in rechtlicher Hinsicht derselben Logik wie früher beim Kampf gegen den Markt der Sklaverei.“

Ringen um eine Strategie

An diesem Freitag und Samstag findet in Rom ein Nachtreffen der „Erklärung von Casablanca“ statt. Hier wollen die Gegner des Leihmuttermarktes eine Strategie entwerfen. Auch ein Vatikanvertreter ergreift bei der Konferenz das Wort.

„Ich denke, dass es zunächst einmal darum geht, die Menschen zu informieren, die Bevölkerung darüber aufzuklären, was Leihmutterschaft eigentlich ist. Das Phänomen ist ja gar nicht so bekannt… Und gleichzeitig bedarf es eines diplomatischen Vorgehens auf hoher Ebene. Schließlich müssen sich Staaten auf der Ebene der Vereinten Nationen, auch auf multilateraler oder sogar bilateraler Ebene dafür einsetzen, dass Verträge geschlossen werden, um die Leihmutterschaft zu verbieten.“

Die öffentliche Meinung mobilisieren

Der Franko-Chilene Garcia Larraín ist Casablanca-Koordinator; er war schon bei der UNO, hat in Rom in diesen Tagen auch mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin gesprochen. Ihm scheint es wichtig, die öffentliche Meinung in den Ländern des Westens zu mobilisieren. Leihmutterschaft, das ist aus seiner Sicht vor allem ein Geschäft – es gehe vor allem um Wirtschaft.

„Die Leihmutterschaft ist ein riesiger Markt: Anwaltskanzleien, Kliniken und Agenturen für Leihmütter sind die Hauptnutznießer dieses Marktes. Und da es keine internationalen Abkommen gibt, wird das zu einem riesigen Problem: Da lassen sich immer öfter weniger entwickelte Länder auf einen Reproduktions-Tourismus für Ausländer ein, aus finanziellen Gründen. Das ist das ganze Problem der Grenzen der Märkte und des Kapitalismus…“

Papst Franziskus 2021 mit einem Hochzeitspaar bei einer Audienz
Papst Franziskus 2021 mit einem Hochzeitspaar bei einer Audienz

Rechtliche Grauzonen

Der Jurist sieht damit Leihmutterschaft in einer ähnlichen Grauzone wie Organhandel oder Sex-Tourismus. Da würden Ungleichgewichte und Abhängigkeitsverhältnisse ausgenutzt. Ihn interessiert auch der rechtliche Status von Kindern, die durch Leihmutterschaft auf die Welt gekommen sind, in einzelnen Ländern.

„Es gibt ein Recht darauf, seine Herkunft zu kennen. Das steht in der Kinderrechtskonvention. Es gibt auch ein Recht darauf, so weit wie möglich von der eigenen Familie aufgezogen zu werden.“

„Auf jeden Fall ist klar, dass es rechtlich gesehen ein Recht darauf gibt, seine Herkunft zu kennen. Das steht in der Kinderrechtskonvention (UN-Kinderrechtskonvention von 1989, Anm.). Es gibt auch ein Recht darauf, so weit wie möglich von der eigenen Familie aufgezogen zu werden. Bei der Leihmutterschaft wird dieser Grundsatz des Abstammungsrechts, der sehr ernst zu nehmen ist, durchbrochen, stattdessen geht es dann um eine Abstammung nach Vertrag; in dieser Optik ist es das Geld, das zählt. Das heißt, nur weil man Geld hat, konnte man sich ein Kind beschaffen…“ Für Garcia Larraín ein klarer Verstoß gegen die Menschenwürde.

Vatikan-Erklärung zur Menschenwürde erwartet

Casablanca: In der marrokanischen Hafenstadt wurde die internationale Allianz gegen Leihmutterschaft 2023 gegründet
Casablanca: In der marrokanischen Hafenstadt wurde die internationale Allianz gegen Leihmutterschaft 2023 gegründet

Nun wird der Vatikan genau zum Thema Menschenwürde am kommenden Montag eine wichtige Erklärung veröffentlichen, und das Glaubensdikasterium hat schon wissen lassen, dass darin auch Leihmutterschaft angesprochen wird. Garcia Larraín erwartet sich davon Aufwind für sein Anliegen.

„Es ist keine religiöse Stimme, die wir suchen...“

„Das ist sehr wichtig, weil der Heilige Stuhl ein Staat ist. Und Papst Franziskus hat eine Stimme, die viel bewirkt: eine Stimme, die zählt, eine moralische Stimme. Es ist keine religiöse Stimme, die wir suchen, denn wir wenden uns an die ganze Welt. Unser Vorbild sind die ‚Allgemeine Erklärung der Menschenrechte‘ und andere, große Kämpfe der Menschheit; das überwindet die Schranken von Glaubensrichtungen, das überwindet Kulturen. Und in dieser Hinsicht ist Papst Franziskus, der viel von Dialog spricht, ein Verbündeter. Unser Ziel ist ein großer internationaler Vertrag wie jene in der Geschichte, die der Menschheit geholfen haben, Fortschritte zu machen. Wir sind froh darüber, diesen Prozess in Gang zu bringen. Aber wir wissen: Das kann, wie der Fall der Sklaverei lehrt, lange dauern…“

(vatican news – sk)
 

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05. April 2024, 11:30