Schamane bittet Papst um Hilfe beim Schutz des Amazonasgebiets
Antonella Palermo und Christine Seuss - Vatikanstadt
„Ich habe keine Angst vor dem weißen Mann, aber ich habe große Angst vor den Maschinen, die die Erde zerstören, Bäume fällen und Gräben in den Boden graben, um die Mineralien zu entnehmen. Ich habe Angst, dass dieser Bergbau unsere Gemeinden, unsere Flüsse, unsere Gesundheit, unser Überleben und unseren Reichtum zerstören wird. Ich mache mir Sorgen um unsere Zukunft, denn die nächsten Generationen werden den Regenwald brauchen“. Mit diesen Worten verleiht Davi Kopenawa, Schamane und Vertreter der Yanomami in Brasilien, gegenüber Radio Vatikan seinen Sorgen um den Lebensraum seiner Volksgruppe Ausdruck. Zuvor hatte er Papst Franziskus vor der Generalaudienz am Mittwoch in einem Nebenraum der Audienzhalle privat getroffen.
Die Bitte um Hilfe für den Schutz des Amazonasgebietes
„Ich wusste, dass es für mich und für die Sache meines Volkes sehr wichtig war, mit Papst Franziskus zu sprechen. Ich wurde sehr gut und respektvoll empfangen“, berichtet der Yanomami-Führer von der Begegnung und erklärt, dass er den Papst auf die „katastrophale“ Situation hingewiesen habe, in der die indigenen Gemeinschaften des Amazonasgebiets schon zu lange leben, eine Situation, die sich seiner Meinung nach in letzter Zeit jedoch nochmals stark verschlechtert hat: „Obwohl der Schutz dieser Gebiete international anerkannt ist, wird ständig in sie eingedrungen, weil die Behörden dies zulassen. Es gibt sogar Behörden, die dieses Phänomen fördern. Ich habe den Papst gebeten, beim Präsidenten der Republik Brasilien zu intervenieren, um ihn zu überzeugen, die Goldgräber und andere Ausbeuter zum Rückzug zu bewegen.“
Bruder Zacquini: außergewöhnliches Geschenk, mit den Yanomami zu leben
Die Yanomami leben an der Grenze zwischen Brasilien und Venezuela im Regenwaldgebiet. Der französische Ethnograf Bruce Albert, der jahrzehntelang mit ihnen gelebt hat, hat mit „La caduta del cielo“ (Nottetempo, 2018) ein Werk über sie geschrieben, in dem er ihre unverfälschte Art, die Welt, das Leben und die zwischenmenschlichen Beziehungen zu verstehen, wiedergibt - weit entfernt von der Logik des Profits und der Bequemlichkeit. Genau das hat Bruder Carlo Zacquini von den Consolata-Missionaren angezogen, der seit Ende der 1960er Jahre mit dieser Gruppe in Kontakt steht und sie seitdem nicht mehr verlassen hat. Er ist es, der Davi bei seinen Besuchen in Italien begleitet und auch für ihn übersetzt: „Ich wünschte, ich hätte so viel Glauben wie die Yanomani“, gesteht er. „Für mich war es ein außergewöhnliches Geschenk, bei ihnen zu sein. Von Anfang an war ich schockiert, wie sie behandelt wurden. Ich war mit einem anderen Ziel dorthin gegangen und dann geblieben“, erklärt er in dem gemeinsamen Interview. „Ihre Weisheit“, so der Missionar weiter, „kann ein Geschenk für die Weltkirche und für alle Völker sein, weil sie aus Spontaneität, tiefem Vertrauen, Gemeinschaftssinn und der Fähigkeit, Schwierigkeiten zu überwinden, besteht, an denen es nicht mangelt.“
Wie wichtig es ist, politische Führer zu haben, die die Ureinwohner wertschätzen
Zwar habe die Kirche vor Ort große Fortschritte gemacht, indem sie viele Anregungen zum Schutz dieses Erbes der Menschheit angeboten habe, betont Bruder Charles. Dennoch bleibe jedoch noch viel zu tun, um sicherzustellen, dass die Wünsche des Papstes, die im Apostolischen Schreiben Querida Amazonia von vor vier Jahren zum Ausdruck gebracht wurden, in die Praxis umgesetzt werden. „Um diese Probleme zu lösen“, wirft Davi ein, „ist es wichtig, Menschen zu wählen, die die Indianer lieben und ihre Realität genau kennen. Lokale und nationale Politiker lassen nicht zu, dass die Gesundheit der Yanomami geschützt wird, und das gilt auch für andere Gruppen. Die Landbesitzer und die Holzhändler lassen nicht zu, dass unser Land respektiert wird“. Davi prangert in diesem Zusammenhang auch die FUNAI (Nationale Indio-Stiftung) an, die eigentlich dafür zuständig wäre, die in der brasilianischen Verfassung und im Indio-Statut verankerten Rechte der Yanomami zu respektieren. Doch unter der Präsidentschaft Bolsonaros wurde die Institution tiefgreifend umgebaut, so dass sie, wie Davi unterstreicht, „so weit demontiert wurde, dass sie nicht mehr für die Zwecke eingesetzt werden kann, für die sie geschaffen wurde.“
Der Regenwald kann nicht heilen, aber was übrig ist, muss bewahrt werden
Seit den 1980er Jahren bis zum heutigen Tag setzt sich Davi im In- und Ausland für den Schutz der Rechte der Ureinwohner und die Erhaltung des Regenwaldes zum Wohle der Menschheit ein. 1989 erhielt die von ihm gegründete Organisation Survival International zur Förderung von Bildungsprojekten den angesehenen Right Livelihood Award, den alternativen Nobelpreis, der für seinen „unermüdlichen, konsequenten und unerschütterlichen Einsatz“ für die am stärksten bedrohten Völker der Erde verliehen wurde. Doch nicht nur Anerkennung hat Kopenawa für seinen Einsatz erhalten. So hat er auch Morddrohungen von Kriminellen bekommen, die wohl mit illegalen Bergleuten zusammenarbeiten, die in das Gebiet der Yanomami eindringen. Ob der Regenwald denn heilen könne, fragen wir ihn noch, bevor das Interview zu Ende geht. „Nein“, antwortet Davi lakonisch, „der Wald wurde bereits gerodet. Nur Gott kann ihn heilen. Den Menschen wird das nicht gelingen“. Doch dass das, was noch übrig ist, gerettet wird, ist die gemeinsame Hoffnung der Ureinwohner, die mit ihrem Schrei gehört werden wollen. Bei Papst Franziskus mit seiner Forderung nach einer integralen Ökologie, wie er sie auch in seinem Nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia festgehalten hat, sind sie sicher auf offene Ohren getroffen.
(vatican news)
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