Naher Osten: „Es ist kein Spiel“
Viele Beobachter „scheinen die Situation nicht zu begreifen“ und benähmen sich, als wären sie Zuschauer „bei einem Fußballspiel“, so Schnabel. Da schwenke eine Seite israelische und die andere palästinensische Fahnen. „Aber es ist kein Spiel, denn hier leiden Menschen, und viele sterben.“
Der Benediktiner ruft dazu auf, „der Logik von Hashtags wie ‚istandwithisrael‘ oder ‚freepalestine‘ ein Ende zu setzen, die nicht dazu beitragen, die tieferen Gründe des Konflikts zu verstehen“. Für ihn selbst sei es unmöglich, sich für die eine oder die andere Seite zu entscheiden.
Der 1978 in Stuttgart geborene Benediktiner hat lange Zeit im Heiligen Land gelebt und ist einer der führenden Experten für die Ostkirche. Seit Mai letzten Jahres ist er Abt der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg in Jerusalem.
„Entmenschlichung des Konflikts“
Im Gazastreifen beobachtet Schnabel mit Besorgnis eine zunehmende „Entmenschlichung des Konflikts“, die sich sowohl in den Erklärungen als auch in den Ereignissen vor Ort zeige: „Der israelische Verteidigungsminister bezeichnet diejenigen, die den Angriff vom 7. Oktober verübt haben, als ‚Tiere‘. Und für die Hamas sind die Israelis Monster. Als Geistlicher möchte ich daran erinnern, dass wir von Menschen sprechen.“
Mit Blick auf den 7. Oktober erinnert der Abt daran, dass auch die Christen mit den vier von der Hamas getöteten philippinischen Migranten und mit einem von Raketen der Hisbollah getroffenen indischen Katholiken einen Blutzoll entrichtet hätten. Im Gazastreifen seien über dreißig Katholiken durch die Militärschläge der israelischen Armee ums Leben gekommen. „Nichts rechtfertigt ihre Ermordung“, so Schnabel.
„Liebet eure Feinde“
„Als Christen müssen wir uns bewusst sein, dass wir eine kleine Minderheit sind; wir können nicht wirklich eine Brücke zwischen Juden und Muslimen, zwischen Israelis und Palästinensern sein. Deshalb müssen wir authentischer sein, die Unterschiede der Sprachen und Kulturen wertschätzen, denn unsere Gemeinschaft besteht aus Palästinensern, Israelis, Einwanderern aus Sri Lanka, Indien, den Philippinen, aus Europa und hat ein verbindendes Merkmal: die Taufe.“
Es wirke vielleicht „skandalös“, aber als Christ sei man dazu angehalten, für seine Feinde zu beten. Das bedeute eine Gegenposition zur „extremen Polarisierung“, so Nikodemus Schnabel. „Jede Seite leidet und bittet um Gebete für ihre Opfer. (…) Eine Messe für diejenigen, die uns hassen: das ist die Antwort nach der Lehre Jesu, der einzige Weg zur Versöhnung.“
(asianews – sk)
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