Der Heilige Stuhl bedauert den Putschversuch in Bolivien
Der Heilige Stuhl hat sich der internationalen Gemeinschaft angeschlossen und den versuchten Staatsstreich in Bolivien „bedauert und verurteilt“. In seiner Rede auf der Tagung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Asunción sprach Erzbischof Turturro über die Ereignisse in La Paz. Hauptthema der Versammlung war die Integration und Sicherheit für eine nachhaltige Entwicklung der Amerikas. Turturro betonte, dass die Region sich nicht nur auf wirtschaftliches Wachstum konzentrieren könne, sondern auch in die ganzheitliche Entwicklung aller Menschen investieren müsse, insbesondere der Armen und Schwachen. Er erinnerte daran, dass ein Drittel der lokalen Bevölkerung in Armut lebt. Papst Franziskus unterstütze diese Bemühungen und spreche von einer nachhaltigen Entwicklung mit „menschlichem Antlitz“, erinnerte der Nuntius. Der Heilige Stuhl setze sich dafür ein, dass die Staaten in Lateinamerika zusammenarbeiten, um die Sicherheit zu verbessern und eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft für alle Menschen in der Region zu schaffen.
Appell der Bischöfe
„Das friedliche Zusammenleben muss von jeder öffentlichen Institution garantiert werden", forderten die Bischöfe. Am Mittwoch waren am zentralen Plaza Murillo vor dem Regierungssitz in der Hauptstadt La Paz Militäreinheiten aufmarschiert und hatten den Sturm des Präsidentenpalastes versucht, indem gepanzerte Fahrzeuge die Türen des Regierungspalasts rammten. Der von General Juan Jose Zuniga angezettelte mutmaßiche Putschversuch konnte jedoch abgewendet werden durch die Polizei und die von Staatspräsident Luis Acre vorgenommene Einsetzung eines neuen Armeechefs, der den Truppenrückzug anordnete. Zuniga wurde festgenommen und ist in U-Haft.
Unklare Lage
Wenig später erhob der General nach Angaben der Tageszeitung „El Deber" schwere Vorwürfe gegen Arce. Demnach war der Putschversuch eine abgesprochene Inszenierung: Der Präsident habe ihn am Wochenende zuvor ermuntert, etwas zu unternehmen, um die Popularität der Regierung zu steigern, behauptete Zuniga. Denn die Stimmung im Land sei miserabel. Ob der General Beweise vorlegen kann, blieb zunächst unklar.
Bischöfe werben für Dialog
Die Bischöfe riefen in ihrem Schreiben zum Schutz der in der Verfassung festgelegten Staatsordnung auf und auch dazu, „Räume des Dialogs" zur Lösung bestehender Konflikte zu suchen. Zugleich wiesen sie auch auf die schwierige soziale Situation hin, in der sich das Land derzeit befinde. Grundsätzliche Probleme in dem 12-Millionen-Einwohner-Staat hatten die Bischöfe bereits in den vergangenen Monaten benannt: Entgegen der Beteuerung der Behörden sei „nichts in Ordnung", hatte etwa der Erzbischof von Sucre, Ricardo Centellas, im Februar angesichts wachsender wirtschaftlicher Probleme kritisiert. Gemeinsame Kraftanstrengungen seien zur Überwindung der Wirtschaftskrise, der sozialen Ungleichheit und hohen Arbeitslosigkeit dringend notwendig.
Parteiinterner Machtkampf
Bolivien wird seit Jahren zudem auch von einer innenpolitischen Krise und einem parteiinternen Machtkampf erschüttert. Sowohl Amtsinhaber Luis Arce, einst Wirtschaftsminister unter Ex-Präsident Evo Morales (2006 bis 2019), als auch Morales selbst beanspruchen die Führungsrolle in der linksgerichteten Regierungspartei MAS samt nächster Präsidentschaftskandidatur für die Wahlen 2025. Die Lager der beiden Politiker stehen sich verfeindet gegenüber, es gab zuletzt gegenseitige Korruptionsvorwürfe. Selbst von Umsturzplänen war die Rede.
Hintergrund
Die aktuelle Krise hat ihre Wurzeln in einem Konflikt aus dem Jahr 2016. Die bolivianische Verfassung verbot nach der Regierungszeit von 2006 bis 2019 eine weitere Kandidatur von Morales. Ein von ihm angestoßenes Referendum sollte grünes Licht für eine Verfassungsänderung und damit für eine Aufhebung der Amtszeitbegrenzung geben. Doch Morales verlor die Abstimmung und brach sein Versprechen, das Ergebnis zu akzeptieren. Seitdem ist das politische Klima im Land vergiftet.
Als nach den Wahlen von 2019 internationale Beobachter bei der Auszählung von Hinweisen auf möglichen Wahlbetrug sprachen, trat Morales auf Druck von Straßenprotesten, Gewerkschaften, der Armee und auch aus dem eigenen Lager zurück, nannte dies später aber einen Putsch gegen sich. Die Neuwahlen gewannen die Sozialisten klar mit Arce als ihrem neuen Spitzenkandidaten. Morales trat nach seiner Rückkehr aus dem Exil offen in Opposition zu seinem ehemaligen Mitstreiter Arce. Dieser dürfte nun aus der Konfrontation mit dem Militär gestärkt hervorgehen, sofern sich der Zwischenfall nicht als inszeniert herausstellen sollte.
(or/kna - sst)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.