Franziskaner: Safeguarding-Standard als Ziel
Anne Preckel - Vatikanstadt
Beide Franziskaner sind in der Ordenszentrale mit Schutz-Maßnahmen für den Weltorden befasst, der Bruder Albert Schmucki aus der Schweiz ist Leiter des Safeguarding-Büros, Bruder Joseph Condren aus Irland der Sekretär.
Safeguarding zentral verankert
Neue Weichen in punkto Safeguarding habe das Generalkapitel 2021 in Rom gestellt, wo laut Bruder Albert „mutige Entscheidungen“ getroffen wurden, um Safeguarding im Franziskanerorden weltweit besser zu verankern. Der Schutz verletzlicher Personen sei dort als Priorität benannt worden und verschiedene Maßnahmen der Prävention wurden eingeleitet, berichtet der Franziskaner im Interview mit Radio Vatikan. In den englischsprachigen Provinzen habe die Safeguarding-Arbeit der Franziskaner schon einige Zeit vor dem Generalkapitel 2021 begonnen, ergänzt Bruder Joseph Condren. Beim Generalkapitel, dem höchsten Organ der Franziskaner, sei das Thema 2021 nun zentral gewesen.
„Das Generalkapitel hat gesagt, dass wir alles unternehmen möchten, damit den Opfern eine einfühlende und gerechte Antwort zuteilwird“, berichtet Bruder Albert von der wegweisenden Versammlung. Dabei gehe es darum, Safeguarding als wesentlichen Teil des franziskanischen Charismas zu begreifen und das auch so zu vermitteln: „Für uns ist Prävention nicht nur ein technisches Unterfangen, sondern in erster Linie versuchen wir den Brüdern verständlich zu machen, dass Prävention ein ursprünglicher Ausdruck unseres franziskanischen Charismas ist. Franziskus war geprägt von einem tiefen Respekt vor jeglicher Kreatur und besonders vor der verwundbaren Schöpfung. Verwundbarkeit sollte für uns weniger eine Bedrohung sein als vielmehr eine Chance, mit Verwundbarkeit verantwortungsvoll umzugehen.“
Internationale Kommission
Das Safeguarding-Büro der Franziskaner, deren Leiter Bruder Albert Schmucki ist, ist ein Ergebnis des Generalkapitels von 2021. Es fördert und koordiniert Maßnahmen im Bereich der Missbrauchsprävention, soll für transparente und verlässliche Verfahren für Betroffene sorgen und Bildungsmaßnahmen für Mitbrüder und Laienmitarbeiter vorschlagen. Als eine Art Aufsichts- und Beratungsorgan des Safeguardingbüros wurde eine internationale Kommission eingesetzt, die sich mehrmals im Jahr austauscht, online und teils in Präsenz. Bruder Albert Schmucki: „Da sind Leute aus den Vereinigten Staaten, Irland, Argentinien, Singapur, Bosnien-Herzegowina, dann aus Simbabwe und wir beide aus dem Safeguarding-Office dabei."
Die Franziskaner entschieden 2021 außerdem, dass alle Ordensprovinzen und Bereiche des Ordens „eine Rahmenordnung für Safeguarding ausarbeiten müssen, welche unserem Office für Safeguarding unterbreitet wird“, berichtet der Schweizer Ordensmann weiter, „damit wir versuchen, einen gemeinsamen Standard in Safeguarding zu erreichen“. Auch gibt es eine Anleitung, wie im Fall von Vorwürfen zu verfahren ist.
Bildungsarbeit und Bewusstseinsarbeit
Zentrales Element der Prävention bei den Franziskanern ist Bildungsarbeit. 2023 wurde ein Handbuch veröffentlicht, das bereits in der Grund- und Weiterbildung der Brüder zum Einsatz kommt. Safeguarding sollte von Anfang an Teil der Ausbildung sein, unterstreicht Bruder Albert Schmucki: „Das ist wahrscheinlich eine der Verschiebungen, die wir gemacht haben in den letzten Jahren, dass wir merken, wie wichtig es ist, mit den Brüdern in der Grundausbildung, etwa im Noviziat, über Safeguarding zu sprechen. Weil sie da spirituell, aber auch menschlich noch offener und auf der Suche sind nach ihrer ordensmäßigen Identität. Gerade da braucht es auch diesen Aspekt des Safeguarding.“
In verschiedenen Regionen der Welt führen der Franziskanerorden heute Schulungen zur Missbrauchsprävention durch, berichtet der Schweizer Ordensmann weiter: „Wahrscheinlich der größte Kurs war im Februar in Nairobi mit 53 Brüdern aus allen Entitäten in Afrika – mit Referenten, die einen afrikanischen Hintergrund hatten. Aber es gab auch einen Kurs in Bosnien und Herzegowina. Und jetzt komme ich gerade aus Guatemala und El Salvador, wo wir ebenfalls Schulungen angeboten haben“, nennt er einige Beispiele. Der Orden bemühe sich zudem darum, in allen Regionen lokale Safeguarding-Fachleute zu installieren, die ausgebildet werden, um in den Ortskirchen selbst Schulungen durchzuführen. Einige von ihnen werden etwa am Institut für Anthropologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom (IADC) geschult, wo unter den Studierenden inzwischen immer mehr Franziskaner zu finden sind.
Das Zeugnis von Betroffenen
Wesentlich für die Sensibilisierung der Ordensmitglieder sei das Zeugnis von Betroffenen. So würden in die Ausbildungskurse die Erfahrungen von Missbrauchsopfern einbezogen. Bruder Albert Schmucki beschreibt, was das bei den Mitbrüdern auslöst. „Da sehen wir, dass es zunächst oft Emotionen gibt wie Trauer, Fassungslosigkeit, Ohnmacht. Aber dann auch einen allmählichen Übergang zu aktiveren Emotionen wie Empörung, Wut, Entschiedenheit. Und diesen emotionalen Weg zu begleiten im Kontakt mit den Betroffenen, das scheint mir einer der wichtigen Punkte zu sein in unserer Arbeit in den letzten Jahren.“
Auch sein Mitbruder Joseph Condren, Sekretär in der Safeguarding-Zentrale, beschreibt das Zeugnis von Betroffenen als „game changer“ in punkto Bewusstseinsbildung. Das Wort Missbrauch löse oft zunächst Abwehrreaktionen bei den Mitbrüdern aus, die an Schulungen teilnähmen. „Was ihre Haltung aber grundlegend änderte, war das Anhören von Opfern, wenn Fragen gestellt und ein Dialog geführt werden kann“, berichtet der irische Ordensmann. „Dann ist es nicht länger nur ,ein Thema‘, sondern es geht um Menschen. Und die Mitbrüder hören solche Erfahrungen mit ihrem Herzen, nicht mit ihrem Kopf“, bringt es der Franziskaner auf den Punkt.
Auch wenn sich Präventionsarbeit nicht auf eine Formel bringen lasse, gebe es einen Ansatzpunkt, der überall gilt, sind beide Franziskaner überzeugt: Wo das franziskanische Charisma authentisch gelebt wird, lässt sich eine Kultur des Schutzes aufbauen, beziehungsweise: wo dieses Charisma verleugnet wird, droht Missbrauch in menschlichen Beziehungen. Menschenwürde, Respekt, Gerechtigkeit – ausgehend von solchen universellen Prinzipien lasse sich Prävention auch kulturübergreifend vermitteln. Immer gehe es auch um Machtmissbrauch und die Erosion menschlicher Beziehung in einem breiteren Sinn.
In punkto Bewusstseinsbildung habe sich im Franziskanerorden schon einiges getan, zeigt sich Bruder Albert Schmucki mit Blick auf die Schulungen zuversichtlich. „Insgesamt würde ich sagen, dass sich auf der Ebene der Sensibilisierung der Brüder einiges bewegt hat. Gerade auch bei den jungen Brüdern stößt das Thema auf großes Interesse, auch in Kulturen, wo ich das nicht unbedingt erwartet hätte. Ich glaube schon, dass es da eine Bewegung gibt“, so der Leiter des Safeguarding-Büros der Franziskaner in Rom.
Safeguarding-Standard als Ziel
Einen Safeguarding-Standard überall umzusetzen, wo Franziskaner weltweit wirken, sei allerdings „nicht ganz einfach“, räumt er weiter ein. Immer wieder gibt es auch Resistenzen und kulturelle Differenzen bei der Bewertung und Wahrnehmung des Themas Missbrauch. Auch kirchliche Unterschiede spielten eine Rolle. Der Ordensmann nennt Beispiele: „Es gibt Bischofskonferenzen, die Dokumente veröffentlicht haben, wo die Brüder sich auch an die Diözese wenden können, wenn es darum geht, die Anhörung der Opfer zu verbessern, und andere Diözesen, wo da fast nichts geschieht. Oder es gibt Regionen wie Lateinamerika, wo die Oberen-Konferenz sehr viele Kurse anbietet in Prävention. In Asien hingegen gibt es dazu dagegen noch sehr wenig.“
Papst Franziskus hat in den letzten Jahren kirchlich Leitende stärker in die Pflicht genommen, Verdachtsfällen nachzugehen und Missbrauch zu melden, wie etwa im Papsterlass „Vos estis lux mundi“ (2019) gefasst ist. Die Stärkung des Kirchenrechtes sei „eine wirkliche Unterstützung“ für alle gewesen, die sich um den Schutz von Minderjährigen und verletzlichen Personen kümmern, so Bruder Joseph Condren. Er persönlich nehme inzwischen eine „sehr viel proaktivere Haltung“ der katholischen Kirche im Kampf gegen Missbrauch wahr, so der Franziskaner, der langjährige Erfahrungen im Bereich Safeguarding hat. Diese Haltung habe sich auch bei den Franziskanern niedergeschlagen: „Die jetzt von der Kirche geforderte Rechenschaftspflicht ist auch in unserem Ordensrecht verankert, sie wurde mit dem letzten Generalkapitel im Jahr 2021 eingeführt“, so Condren. Provinzialminister wüssten nun um mögliche Konsequenzen, wenn sie ihren Amtspflichten nicht nachkämen und Missbrauch vertuschten.
Unsicherheiten bei der Anwendung von Regeln
Die Vatikanvorgaben, wie bei mutmaßlichen Missbrauchsfällen umzugehen sei, seien „eigentlich sehr deutlich, sehr klar“, ergänzt Bruder Albert Schmucki. Der Vatikan hatte dazu eine Anleitung, ein ,Vademecum' (2022), veröffentlicht. Dennoch gebe es immer noch Unsicherheiten, wie bei Fällen zu verfahren sei, so dass eine Begleitung und Supervision der Provinzialminister hilfreich sei. Diese hätten manchmal Angst, etwas falsch zu machen, und hätten auch provinzintern oftmals viele Herausforderungen zu bewältigen. „Ich glaube, vieles ist nicht böse Absicht, sondern Überforderung“, erläutert er. „Und darum ist es wichtig, dass wir nicht nur mit Druck arbeiten, sondern auch niederschwellige Hilfe anbieten, damit sie den Eindruck haben, sie sind nicht alleine und gut begleitet, wenn Sie zum Beispiel eine Voruntersuchung durchführen.“ In solchen Fällen werde dann die Generalprokura mit Bitte um Hilfestellung angefragt.
Hinweis: Die Mitglieder des Franziskanerorden sprechen sich alle mit ,Bruder' an, auch wenn es sich um einen Priester handelt.
(vatican news – pr)
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