Indien: Lage ist „sehr, sehr“ komplex
„Die Situation in Indien ist - wie es für dieses riesengroße Land nicht anders sein könnte, einfach sehr, sehr, sehr komplex“, so die Expertin von missio Aachen in dem Interview. Premierminister Narendra Modi kann nach den Wahlen zwar weiter regieren, doch seine Partei hat die absolute Mehrheit verloren. Die Wähler haben wohl eher die Oppositionsparteien gestärkt. Dazu Leibfritz: „Vielleicht kann man mal so grob sagen: in den letzten Jahren ist trotz Wirtschaftswachstum und trotz auch Erfolgen in Armutsbekämpfung die Schere zwischen Arm und Reich spätestens seit Corona sehr stark aufgegangen.“
Säkulare Verfassung bleibt erhalten
Aus religiöser Sicht habe das mehrheitlich hinduistisch geprägte Land „eine säkulare Verfassung, die zum Glück jetzt auch erhalten bleibt“, erläutert sie. Die Wähler der weltweit größten Demokratie lehnten Modis Vision eines Hindu-dominierten Staates teilweise ab, deshalb sei wahrscheinlich der Anteil der Sitze der BJP (Modis Regierungspartei) um 63 reduziert. Dadurch errang die Partei lediglich 240 Sitze, weit unter den 272 Sitzen, die für eine parlamentarische Mehrheit erforderlich sind. „Es war ja eigentlich das erklärte Ziel der Regierung, auch die Verfassung zu ändern“, so Leibfritz gegenüber Radio Horeb. Religionsfreiheit werde in Indien weiterhin offiziell festgeschrieben.
Christen wurden bisher allerdings „als fremde Religion angesehen“, als „Religion der Kolonisatoren“ und der Islam hingegen als „Religion der Invasoren“. „Da gibt es sehr starke Feindbilder und da ist die Religionsfreiheit nicht unbedingt so gewährleistet“, erläutert Leibfritz.
Antichristliche Übergriffe
Im Zuge des Wahlkampfs gab es laut dem internationalen, überkonfessionellen, christlichen Hilfswerk Open Doors auch antichristliche Übergriffe. Ihre Zahl habe zuletzt spürbar zugenommen. Die Wahlkampfreden enthielten nicht nur Angriffe auf politische Gegner, sondern auch religiöse Minderheiten wie Christen, auch Muslime seien dabei regelmäßig Ziel von Hassreden gewesen. Dazu Leibfritz:
„Diese Hassrede während des Wahlkampfs ist Modi letztlich schlecht bekommen. Sie richtete sich gegen Muslime. Dies war auch in unseren deutschen Medien dann angekommen und wurde auch in Indien selber überhaupt nicht gutgeheißen. Da hat er die Muslime als ,Infiltratoren' bezeichnet, also als Bevölkerungsgruppe, die von der Opposition begünstigt würde. Es wurde behauptet, man werde den Hindus Geld wegnehmen und dass es mehr Menschen mit mehr Kindern geben werde. Damit meinte er die Muslime. Also, das war so das Dominante, was letztlich auch die Wahlgesetze verletzt hat.“
Beschwerde bei der Wahlkommission
Und es habe auch eine Beschwerde gegeben bei der Wahlkommission vonseiten der Opposition, so die Fachreferentin von missio Aachen:
„Es wurde aber nichts getan, und ich glaube, diese Polarisierung hat letztlich im Stimmen gekostet. In Bezug auf Christen ist mir jedoch nichts auf gefallen. Also, die Restriktionen und Diffamierungen von Christen gibt es natürlich auch nicht nur im Wahlkampf. Es gab kurz nach einer Tempeleinweihung im Januar Übergriffe auf christliche Kirchen.“
(radio horeb/agenturen – mg)
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