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Kirche in der Ninive-Ebene (Archivbild 2018) Kirche in der Ninive-Ebene (Archivbild 2018)  (AFP or licensors)

Kardinal Sako: Christen im Irak fürchten weiter um ihre Sicherheit

Zehn Jahre sind vergangen seit dem Terror des sogenannten Islamischen Staats gegen Christen und Jesiden im Irak. Die kollektive Tragödie ist immer noch in den Köpfen verankert, sagte uns der irakische Kardinal Louis Raphaël Sako. Und: „Der IS ist zwar besiegt, aber seine Ideologie ist nach wie vor stark, und das nicht nur im Irak."

Stefano Leszczynski und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Die Flucht der Christen vor den IS-Milizionären begann schon im Juni 2014, als es dem IS gelang, Mossul zu erobern. Zu Beginn jenes Sommers lebten allein dort mindestens 1.200 christliche Familien. Zu Beginn dieses Jahrhunderts gab es allein in Mossul noch mehr als 100.000 Christen - eingebettet in ein soziales Gefüge, in dem die sunnitische Mehrheit mit Schiiten, Jesiden und anderen Minderheiten friedlich zusammenlebte. Schon vor den Gräueltaten des IS hatte die Zahl der Christen nach der ersten US-Militärintervention, die 2003 zum Sturz des Regimes von Saddam Hussein führte, allerdings abgenommen. Und auch wenn der IS inzwischen besiegt sei, sei die Lage für Christen und weitere Minderheiten im Irak immer noch schwierig, berichtet Kardinal Sako im Interview mit Radio Vatikan:

„Die Leute haben nicht viel Zuversicht mit Blick auf die Zukunft. Sie fragen sich immer noch, wann es endlich einen modernen Staat geben wird, der demokratisch ist, wo Gerechtigkeit herrscht und alle die gleichen Rechte und Pflichten haben. Auch deshalb verlassen immer noch viele den Irak, nicht nur Christen." Er versuche, die Christen zum Bleiben zu bewegen und sage ihnen, dass auch die schlechten Zeiten nicht ewig dauern und man Geduld haben müsse, sagt Kardinal Sako. Doch:

„Die Leute haben nicht viel Zuversicht mit Blick auf die Zukunft“

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Viele wandern weiter ab

„Sie denken, dass ihr Leben immer noch in Gefahr ist, weil das Land nicht stabil ist und sie eine kleine Minderheit sind. Und noch dazu sind alle besorgt aufgrund der Spannungen im Nahen Osten. Sowohl die Christen in der Ninive-Ebene als auch die Jesiden, alle haben da Sorge. Überall gibt es Krieg. Es bräuchte einen richtigen Mentalitätswandel, weg von Krieg und Rache, von Gewalt und Waffen hin zu Dialog, hin zu anderen Lösungen, einem ehrlichen und mutigen Dialog", erklärt der Kirchenmann.

Doch das ist aktuell nicht in Sicht und es überwiegt die Angst, dass der Nahost-Krieg auch den Irak erreicht. Und so sind inzwischen mehr als eine Million Christen ins Ausland abgewandert, wodurch die Zahl der Christen im Irak stark zurückgegangen ist. Schätzungsweise 100 christliche Familien verlassen den Irak jeden Monat. 

„Überall gibt es Krieg. Es bräuchte einen richtigen Mentalitätswandel, Weg von Krieg und Rache, von Gewalt und Waffen hin zu Dialog“

Kardinal Sako prangert angesichts der Lage im Irak auch Gleichgültigkeit an: „Der Westen ist ein bisschen zurückhaltend, und es gibt Gleichgültigkeit. Im Westen basiert alles auf der Wirtschaft und Profit und es mangelt an moralischen Werten, da gibt es nur leere Worte und jeder sucht nach seinen eigenen wirtschaftlichen Vorteilen. Das ist sehr traurig. Gott hat den Menschen geschaffen, damit er glücklich und in Gemeinschaft mit den anderen lebt, nicht nur zum Selbstzweck. Ich denke, dass wir unsere Brüder und Schwestern nicht vergessen dürfen, wir sind alle Geschwister und man darf nicht zulassen, dass die Menschen einfach so sterben, sei es hier im Irak oder anderswo. Jeder von uns ist verantwortlich für die anderen. Nach dem Tod wird uns Gott nicht fragen, bist du Christ oder Muslim, er wird fragen: Was hast du deinen Geschwistern getan?" 

Kaum Rückkehrer

Daten zur Rückkehr der Christen in den Irak sind unsicher, es gibt keine bestätigten Zahlen. Doch bisher sind nur sehr wenige geflohene Christen in ihre Häuser zurückgekehrt. In Mossul seien es 30 bis 40 Familien, die oft nicht vollständig sind. „Viele Rückkehrer sind Senioren”, betont Kardinal Sako. Nach den jüngsten Statistiken machen die Christen immer noch sieben Prozent der insgesamt mehr als 600.000 Vertriebenen aus, die noch in der Region Kurdistan leben. Laut Angaben der örtlichen Behörden sind nur wenige Christen, die während der Herrschaft des IS aus Mossul und der Ninive-Ebene geflohen sind, in den letzten Jahren in ihre ehemaligen Wohngebiete zurückgekehrt.

(vatican news/fides - sst)

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09. August 2024, 11:42