Skyline von Singapur Skyline von Singapur  (AFP or licensors)

Papst reist nach Singapur: Multireligiöser Mikrokosmos

Multireligiös und multiethnisch ist die kleine, hochentwickelte Wirtschaftsmetropole Singapur in Südostasien, die Papst Franziskus im Rahmen seiner Vierländerreise besucht (11.-13. September). Singapur könne „Beispiel dafür sein, wie das Zusammenleben verschiedener Kulturen ganz gut funktionieren kann“, sagt Julia Ratzmann, Leiterin der ökumenischen Pazifik-Informationsstelle, im Gespräch mit Radio Vatikan.

Anne Preckel - Vatikanstadt 

Papst Franziskus besucht mit Singapur ein religiös und ethnisch vielfältiges Land: die gut 5,6 Millionen Einwohner Singapurs sind eine bunte Mischung aus Chinesen (74 Prozent), Malaien (13,5 Prozent), Indern (9 Prozent) sowie vielen Migranten und Auswanderern aus allen Ländern der Welt. Die Mehrheit von ihnen, über 30 Prozent, sind Buddhisten, auch gibt es Muslime (15 Prozent) sowie Daoisten (11 Prozent), Hindus (5 Prozent) und Religionslose (17 Prozent). Die Christen sind mit etwa einem Fünftel die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Singapur, Katholiken machen in Singapur nur dreieinhalb Prozent aus. 

Von der Kathedrale in den Hindu-Tempel

Papst Franziskus könne auf der letzten Etappe (11. bis 13. September 2024) seiner Vierländerreise einen „gesellschaftlichen und religiösen Mikrokosmos“ antreffen, sagt Julia Ratzmann über Singapur, das eines der religiös vielfältigsten Länder weltweit ist. Diese Vielfalt werde im Zentrum der Millionenmetropole auch im Stadtbild sichtbar, so die Leiterin der ökumenischen Pazifik-Informationsstelle: „Der Papst kann von einem Hindutempel ins arabische Viertel zu Fuß gehen. Er kann eine Moschee besichtigen, er kann in die katholische Kathedrale von Singapur gehen und wird auf seinen Wegen dorthin Menschen unterschiedlichster Kontexte, kultureller, geographischer und sozialer Hintergründe begegnen.“

„Singapur kann Beispiel dafür sein, wie das Zusammenleben verschiedener Kulturen ganz gut funktionieren kann.“

Singapur könne „Beispiel dafür sein, wie das Zusammenleben verschiedener Kulturen ganz gut funktionieren kann“, hebt die Ozeanien-Expertin hervor, und diese friedliche Koexistenz könne der Papst vor Ort auch spüren. Das Verhältnis der Christen zu den anderen Religionen sei insgesamt „sehr gut“: „Die anderen Religionsgemeinschaften betrachten die Christen als jemanden, der die Bevölkerung besser macht, weil sie eben ihre Werte leben und sich sehr stark engagieren.“ Sie kenne sehr viele Hilfsprojekte in Singapur, die von engagierten Christinnen getragen und finanziert würden, die sich für das Wohl armer und marginalisierter Gruppen engagieren – „zum Beispiel der Wanderarbeiter, von denen es ja viele gibt in Singapur… Und ich glaube, dieses Engagement der Christen hat dazu geführt, dass andere Religionsgemeinschaften das Christentum als positiv wahrnehmen“, glaubt Ratzmann.

„Dieses Engagement der Christen hat dazu geführt, dass andere Religionsgemeinschaften das Christentum als positiv wahrnehmen.“

Christliches Wohlfahrtswesen beeindruckt

Singapur ist Handels-, Finanz- und Dienstleistungszentrum und in der Region das reichste Land Südostasiens. Doch auch hier gibt es Menschen, die durchs Raster fallen. Der Einsatz des Christentums für genau diese Menschen werde geschätzt, ja mache das Christentum attraktiv in einer Gesellschaft, die ansonsten stark durch Profitstreben und wirtschaftlichen Erfolg geprägt sei, so Ratzmann: „Was ja eigentlich im Gegensatz zu urchristlichen Werten steht: Im Christentum geht es nicht so sehr darum: Wer ist der Beste, Schönste, Reichste, wer hat das meiste Geld? Sondern es geht eher darum: Wer ist der Gerechteste, wer verhält sich gut gegenüber seinen Mitmenschen? Und das hat, glaube ich, dazu geführt, dass es wirklich mehr Christen in Singapur gibt als in anderen Ländern dieser Region.“

„Und das hat, glaube ich, dazu geführt, dass es wirklich mehr Christen in Singapur gibt als in anderen Ländern dieser Region.“

Die Zahl der Christen in Singapur liege heute zwischen 18 bis 20 Prozent. In den Nachbarländern Malaysia und Indonesien sind es um die neun bis zehn Prozent. Singapurs Christen stammten überwiegend aus dem Bildungsbürgertum, seien Akademiker und hätten Bezüge in den Westen, weil sie dort studiert hätten oder geschäftliche Beziehungen pflegten, so Ratzmann. Der Staat lege auf das friedliche Miteinander der Religionen wert und lasse ihnen Raum. „Religionsfreiheit ist in Singapurs Verfassung garantiert, freie Religionsausübung. Und es wird auch nicht reingeredet seitens des Staates, welche Religion ich ausübe.“ Nur eine Bedingung gebe es, ergänzt die Leiterin der Pazifik-Informationsstelle: „Das Wichtigste in Singapur ist eigentlich, dass ich mich nicht ins Business oder in das Geldgeschäft einmische. Ich kann meine Religion frei leben und ausleben. Sobald ich mich aber sozusagen in geschäftliche Beziehungen irgendwie einklinke, die nicht so ganz regierungskonform sind, bekomme ich Probleme.“

„Das Wichtigste in Singapur ist eigentlich, dass ich mich nicht ins Business oder in das Geldgeschäft einmische.“

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Todesstrafe in 2024 mehrfach vollstreckt

Für ein „geordnetes“ gesellschaftliches Miteinander sorgt nicht zuletzt ein rigides Strafgesetz in Singapur, das nicht nur sozialen Frieden garantiert, sondern auch Alltagsdinge wie Kaugummikauen und Essen in öffentlichen Verkehrsmitteln streng reglementiert. Auf bestimmte Drogendelikte steht in dem Land sogar die Todesstrafe; sie wurde in diesem Jahr bereits drei Mal vollstreckt. Der Papst tritt grundsätzlich für die Abschaffung der Todesstrafe ein. Ob er sich in Singapur hierzu äußern wird, bleibt abzuwarten.

Singapur sei „ein totaler Überwachungsstaat“, sagt Ratzmann und nennt Beispiele: „Bei der Einreise muss man ein Gesichtserkennungsprogramm durchlaufen. Der Staat weiß jederzeit, wo ich mich als Besucherin aufhalte. Es gibt alle fünf Meter Videoüberwachung, Kameras. Wenn Sie ein Kaugummi auf die Erde spucken, gibt es gleich eine hohe Konventionalstrafe.“ Andererseits sei Singapur aufgrund dieser Überwachung auch sehr sicher im Vergleich zu anderen Ländern.

Von Händlern, Diplomaten und Missionaren

Die Gründung des modernen Singapurs liegt gerade einmal zwei Jahrhunderte zurück. Der britische Diplomat Thomas Stamford Raffles handelte 1819 einen Vertrag aus, in dem das Sultanat von Johor den Briten erlaubte, einen Handelsstützpunkt auf der Insel Singapur zu errichten. Dem gläubigen Europäer war zugleich ein Anliegen, am neuen britischen Handelsstützpunkt das Christentum zu stärken, das Missionare der „London Missionary Society“ (LMS) in Singapur verbreiteten. „Raffles kam 1819 an und hatte bereits zuvor auf Java und Sumatra eine Bibelgesellschaft gegründet. Er war nämlich sehr gläubiger Christ und hat sich überlegt, dass er das gleiche Vorhaben auch in Singapur umsetzen möchte“, erläutert Ratzmann.

Singapurs heutige religiöse Vielfalt ist eng mit der Geschichte als Handelshafen verknüpft: Händler und Kaufleute, Abenteurer und Missionare trugen ihre Waren, Kulturen und eben auch Religionen ins Land. Für die Verbreitung des Christentums spielten neben Missionaren der „London Missionary Society“ (LMS) auch portugiesische Missionare eine entscheidende Rolle, die bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts herkamen. Ein Sinnbild dafür ist die römisch-katholische Sankt-Josephs-Kirche im Herzen Singapurs, die Mitte des 19. Jahrhundert für portugiesische und eurasische Katholiken errichtet wurde.

Franziskus ist der zweite Papst im Land

Papst Franziskus wird neben seinen Ansprachen vor Politik, Kirche und Zivilgesellschaft in Singapur auch eine heilige Messe feiern. Das Motto des Singapur-Besuchs (11.-13. September) lautet „Einheit, Hoffnung und Kreuz“, visualisiert durch ein Logo mit den Farben Gelb und Rot, die die Vatikanflagge und die Flagge von Singapur repräsentieren. Die Erzdiözese Singapur hat alle Gläubigen dazu aufgerufen, sich für eine Einheit im Glauben zu engagieren und sich durch die Begegnung mit Papst Franziskus in ihrem Glauben erneuern zu lassen.

Franziskus ist der zweite Papst im Land: Johannes Paul II. besuchte den fernöstlichen Stadtstaat vor 38 Jahren, am 20. November 1986. Während seines Aufenthalts traf der polnische Papst den damaligen Präsidenten und Premierminister und leitete eine Messe im Nationalstadion mit etwa 70.000 Menschen. Der insgesamt nur fünfstündige Besuch war Teil einer Asien-Pazifik-Reise des 66-jährigen Pontifex, die ihn auch nach Bangladesch, Fidschi, Neuseeland, Australien und auf die Seychellen führte.

Über Apostolische Delegaten pflegten der Heilige Stuhl und Singapur seit 1968 diplomatische Kontakte, 1999 wurden volle diplomatische Beziehungen eingerichtet.

(vatican news)

 

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28. August 2024, 12:06