Belgiens Parlament will Missbrauch weiter aufarbeiten
Im Jahr 2010 erschütterte ein Missbrauchsfall die katholische Kirche in Belgien. Die Konsequenzen beschäftigen die Politik auch noch 14 Jahre danach. Am Donnerstag sprach sich das Parlament in Brüssel einstimmig dafür aus, einen neuen Untersuchungsausschuss einzurichten. Bis spätestens Ende Januar kommenden Jahres soll das Gremium klären, ob es im Rahmen der „Operation Kelch“ zu Unregelmäßigkeiten, etwa durch Einflussnahmen aus dem In- oder Ausland, gekommen ist.
Dabei könnte im Hintergrund die Frage eine Rolle spielen, ob anti-kirchliche Kreise die ungewöhnlich scharfen Ermittlungsmaßnahmen beeinflusst haben, so Beobachter. In Belgien verfügen die Mitglieder der großen Freimaurerlogen traditionell über erheblichen Einfluss in Politik, Wirtschaft und Justiz.
Die Entscheidung des Parlaments zur Einsetzung der Kommission fiel mit dem ersten Tag des Papst-Besuches in Luxemburg und Belgien zusammen. In Belgien ist Franziskus am Donnerstagabend eingetroffen. Dort könnte er auch mit Betroffenen von sexuellem Missbrauch sprechen. Der Vatikan würde ein solches Treffen, sollte es stattfinden, allerdings erst im Nachhinein bestätigen.
Am Anfang stand ein Bischofsrücktritt
Die Ermittlungen im Rahmen der „Operation Kelch“ begannen mit dem Rücktritt von Roger Vangheluwe als Bischof von Brügge im Jahr 2010. Zuvor war bekannt geworden, dass er über Jahre einen Neffen sexuell missbraucht hatte. 2011 gestand er den Missbrauch eines weiteren Neffen; 2017 beschuldigte ihn außerdem ein damals 57-jähriger Mann, Anfang der 70er Jahre als Messdiener von ihm missbraucht worden zu sein. Vor wenigen Monaten entließ Papst Franziskus den heute 87-jährigen ehemaligen Bischof aus dem Klerikerstand. Das ist die höchste kirchenrechtliche Strafe.
Kurz nach Vangheluwes Rücktritt 2010 stürmten staatliche Missbrauchsermittler kirchliche Einrichtungen und beschlagnahmten Akten, Rechner und Handys der in Mechelen versammelten Bischöfe. Der damalige Brüsseler Erzbischof Andre Leonard und sein Vorgänger Kardinal Godfried Danneels mussten vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen. Auch das Ansehen von Kardinal Danneels nahm nachhaltig Schaden, als eine Tonbandaufnahme auftauchte, in der Danneels einem Opfer nahelegte, sich mit öffentlichen Anklagen zurückzuhalten.
„Operation Kelch“ füllte über 100 Ordner
Der Hohe Justizrat in Belgien hatte Mitte April die Ergebnisse seiner Untersuchungen zur „Operation Kelch“ vorgelegt. Demnach ließen sich keine Nachweise dafür finden, dass die katholischen Bischöfe den Ermittlungen im Rahmen der „Operation Kelch“ im Wege gestanden hätten. Der Bericht ging auch an einen in der vergangenen Legislaturperiode eingesetzten Parlamentsausschuss, der sich allerdings aus Zeitmangel nicht mehr näher mit der „Operation Kelch“ und den dazugehörigen über 100 Aktenordnern befassen konnte. Das soll nun nachgeholt werden.
Unterdessen will die belgische Generalstaatsanwaltschaft laut Medienberichten in Kürze einen Antrag auf endgültigen Abschluss der „Operation Kelch“ stellen. Alle Fälle seien entweder inzwischen juristisch verjährt oder die betroffenen Personen lebten nicht mehr.
(kna – pr)
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