Kolumbien: Dem Friedensprozess droht das Scheitern
Zwei Dutzend Menschen wurden verletzt. Beobachter sprechen von einem Anschlag auf die Friedenspolitik des linken Präsidenten Gustavo Petro. Ihm fällt es immer schwerer, seinen Kurs angesichts von immer neuen Anschlägen beizubehalten. Der Anschlag habe den Friedensprozess praktisch blutig beendet, kommentierte Petro.
Wenig später hieß es von Seiten der Verhandlungsdelegation der Regierung: „Der Prozess der Friedensgespräche ist ausgesetzt“. Voraussetzung für eine Fortsetzung sei, dass die Guerilla ihren Friedenswillen unmissverständlich bekenne. Ob und wie es nun weitergeht, ist ungewiss. Das Vertrauen im Regierungslager scheint weitgehend zerstört. Die ELN wirft der Linksregierung vor, Absprachen nicht eingehalten zu haben.
Kirche als neutrale Beobachterin
Inmitten dieser Gemengelage kommt der katholischen Kirche eine besondere Bedeutung zu, denn sie sitzt als neutrale Beobachterin mit am Tisch. Sie hört zu, beobachtet und ergreift auch mal das Wort, wenn niemand mehr für die Opfer des bewaffneten Konflikts spricht. Der Geistliche Hector Fabio Henao, einer der herausragenden kirchlichen Begleiter des Friedensprozesses, warb unlängst nochmals für die Wiederbelebung von ausgehandelten Waffenstillständen, denn diese hätten eine unmittelbare positive Auswirkung auf die Lebensumstände der Menschen in den Konfliktregionen.
Nach Einschätzung Henaos, der innerhalb der kolumbianischen Bischofskonferenz zuständig für das Verhältnis von Staat und Kirche ist, werden die bisherigen Erfolge der Verhandlungen unterschätzt: Es seien in den Gesprächen zwischen der Regierung und der ELN wichtige Fortschritte erzielt worden, die nicht ignoriert werden dürften. „Im Gegenteil, die Zivilgesellschaft muss sich zusammenschließen, um die Gespräche voranzubringen“, fordert der Kirchenvertreter.
Historische Verbindung der Kirche zur ELN
Henao erinnert an die bereits vereinbarten Waffenstillstände: „Wir müssen anerkennen, dass dies ein geeignetes und wirksames Instrument ist, um Leben zu retten“. Eine Waffenruhe schaffe in vielerlei Hinsicht ein positives Umfeld für Verhandlungen.
Die Kirche ist derzeit die einzige gesellschaftliche Kraft, zu der alle Beteiligten Vertrauen haben. Ihr kommt auch deshalb eine besondere Rolle zu, weil es eine historische Verbindung zur ELN-Guerilla gibt. Die Gruppe war 1964 von Studenten, katholischen Radikalen und linken Intellektuellen aus Protest gegen die Armut der Kleinbauern gegründet worden. Eine ihrer Ikonen war der aus katholische Priester Camilo Torres. Er starb 1966 bei Kämpfen mit Regierungstruppen.
Laut der Wahrheitskommission zur Aufarbeitung des bewaffneten Konflikts war die ELN im Zeitraum von 1986 bis 2016 für rund 18.600 Tote verantwortlich.
(kna – sk)
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