Luxemburg: Papstbesuch als „kurzfristige und freudige Überraschung“
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Frau Heckner, Papst Franziskus steht kurz vor seinem Besuch in Luxemburg. Kam das für die katholischen Gläubigen in Luxemburg eher unerwartet? Franziskus reist ja sonst eher in Länder der ,Peripherie'?
Nicola Heckner: Ja, der Besuch von Papst Franziskus war tatsächlich eine relativ kurzfristige und freudige Überraschung. Wir haben kurz vor den schulischen Sommerferien davon erfahren. Diese Woche hat in Luxemburg die Schule wieder begonnen, und nächste Woche steht schon der Besuch an. Was die Frage nach der sogenannten Peripherie angeht, kann man sich auch fragen: Wo ist eigentlich die Peripherie? Luxemburg ist, wie viele andere Länder in Europa, stark säkularisiert, und die Bedeutung der Kirche nimmt seit Jahrzehnten ab. Insofern könnte man sagen, dass Luxemburg in Glaubensfragen inzwischen zur Peripherie gehört.
Sie haben eine theologische Ausbildung und sind Direktorin der katholischen Privatschule Sainte Sophie in Luxemburg. Wie bereiten Sie Ihre Schüler und Schülerinnen auf den Papstbesuch vor?
Nicola Heckner: In den Luxemburger Schulen gibt es seit der Trennung von Kirche und Staat das Fach „Vie et société“ (Leben und Gesellschaft). Dieses Fach behandelt ethische, gesellschaftliche und auch religiöse Fragen. In diesem Fach bereiten wir uns auf den Papstbesuch vor. Bei uns an der Schule ist das Schulseelsorgeteam für die Vorbereitung zuständig. Es besteht aus Lehrern, einer Katechetin und einem Priester. Da wir nicht viel Zeit für die Vorbereitung hatten, werden wir den Besuch auch nachbereiten. So ein Papstbesuch ist schließlich nicht nur für die Gläubigen oder die Kirche wichtig, sondern etwas ganz Besonderes für die gesamte Gesellschaft.
Wie ist allgemein die Stimmung in Luxemburg vor dem Papstbesuch? Und wie sehr ist sie beeinträchtigt von dem Caritas-Veruntreuungsskandal?
Nicola Heckner: Die Probleme bei der Caritas sind wirklich schmerzlich und belasten die Kirche und das ganze Land. Dieses Thema schwingt im Moment bei allen Veranstaltungen mit. Kardinal Hollerich hat in einem Interview gesagt, dass die Caritas selbst Opfer des Veruntreuungsskandals ist und nicht Täter. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren jetzt ihre Arbeitsstellen, und viele internationale, humanitäre und soziale Projekte können erst einmal nicht weitergeführt werden. Es ist sicher ein Weckruf für alle Organisationen, ihre internen Prozesse zu überprüfen. Trotzdem glaube ich nicht, dass dies die Stimmung vor dem Papstbesuch beeinträchtigt. Im Gegenteil, Papst Franziskus vermittelt eine klare Botschaft von Humanität, Empathie und Sensibilität für Menschen in Not – zentrale Elemente der christlichen Botschaft.
Luxemburg ist klein, wohlhabend und – Sie haben es erwähnt – sehr säkularisiert. Wie groß ist denn da der Papstbesuch als Thema, abseits der katholischen Kreise?
Nicola Heckner: Ich würde sagen, es gibt noch Luft nach oben. Es besteht sicherlich ein allgemeines Interesse, und das Bildungsministerium hat beschlossen, dass Schüler, die den Papstbesuch miterleben möchten, freigestellt werden dürfen. Trotzdem fiebert das ganze Land noch nicht so richtig mit. Insofern könnte man sagen, Luxemburg ist ein Land in der Peripherie und in Glaubensfragen vielleicht sogar sehr skeptisch geworden. Vielleicht gelingt es Papst Franziskus aber, hier und da die Freude am Glauben neu zu entfachen oder zumindest eine Resonanz zu erzeugen. Schließlich beruhen unsere heutige Lebensform und auch die Demokratie auf christlichen und humanistischen Werten.
Sie stammen selbst aus Deutschland, wo die Kirche in einer schwierigen Lage ist. Wie würden Sie die katholische Kirche in Luxemburg im Vergleich zu Deutschland charakterisieren?
Nicola Heckner: Die Unterschiede sind tatsächlich sehr groß. In Deutschland arbeiten Kirche und Staat noch eng zusammen. Der Bundespräsident, der Kanzler oder Minister aller Couleur nehmen an Kirchentagen teil und halten Vorträge. In Luxemburg hingegen hat man sich für die Trennung von Kirche und Staat entschieden, ähnlich wie in Frankreich. Für mich war es eine Umstellung, dass die Kirche hier kein Attraktivitätsfaktor ist, selbst nicht für katholische Schulen. Die Trennung von Kirche und Staat fand vor etwa zehn Jahren statt, und gefühlt war es von einem Tag auf den anderen. Die Kirchen waren nicht vorbereitet, und als Konsequenz haben wir auch den Religionsunterricht verloren. Dennoch gibt es seitdem schöne Entwicklungen, wie den ökumenischen Dialog.
Wie äußert sich das?
Nicola Heckner: In Luxemburg gibt es regelmäßig gemeinsame Veranstaltungen mit anderen christlichen Kirchen. Bei wichtigen Gottesdiensten, wie dem Papstbesuch, sind Vertreter der anglikanischen, orthodoxen, protestantischen Kirchen und auch andere Glaubensrichtungen, wie der Rabbiner und der Imam, anwesend. Das finde ich wirklich zukunftsweisend.
(vatican news – gs)
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