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Papua-Neuguinea: Kirche kämpft für Umweltschutz und Gerechtigkeit

Mit seinem Besuch im tropischen Papua-Neuguinea, dem flächenmäßig drittgrößten Inselstaat, geht Papst Franziskus einmal mehr an die „Peripherie“. Der ehemalige Kolonialstaat im Pazifik hat mit vielen Problemen zu kämpfen, aber ein lebendiges Glaubensleben. Auch deutsche Missionare waren vor Ort - heute sind in der christlichen Bevölkerungsmehrheit ein großer Teil Katholiken zu finden. Die Kirche setzt sich für Bildung und Gerechtigkeit, den Schutz indigener Völker und die Umwelt ein.

Anne Preckel - Vatikanstadt

Papua-Neuguinea, das den Osten der Insel Neuguinea und mehrere Inselgruppen umfasst, hat eine außerordentliche große kulturelle und biologische Vielfalt. Auf dem Inselstaat, der bekannt ist für seine Strände und Korallenriffe, leben indigene Papua in Volksgruppen mit jeweils eigener Sprache und Kultur. In Küstennähe und auf den Inseln sind melanesische Gruppen zu finden sowie Mikronesier, Polynesier und Europäer. Heute ist Papua-Neuguinea überwiegend christlich, Katholiken machen etwa 31 Prozent der Bevölkerung aus. Es waren unter anderem deutsche Missionare, die das Christentum auf die Insel brachten.

„Papua-Neuguinea ist auf den ersten Blick ein wunderschönes tropisches Land. Eine Insel, so wie sie in unseren Köpfen existiert, das Paradies auf Erden“, sagt Julia Ratzmann, Leiterin der ökumenischen Pazifik-Informationsstelle. „Wenn man genauer hinschaut, sieht man dann, dass es sehr viele soziale Probleme gibt, die eigentlich erst nach Ende der Kolonialzeit entstanden sind, mit der Ankunft von Europäern und Menschen aus anderen Staaten, die dort ihr Business unterhalten.“ Ratzmann bereist die Region seit über 20 Jahren und kennt Papua-Neuguinea, seine Menschen und deren Probleme gut. Die studierte Völkerkundlerin, die unter anderem die lokale Kreolsprache Tok Pisin spricht, gibt im Interview mit Radio Vatikan Einblicke in ein Land, das mit vielen Herausforderungen zu kämpfen hat.

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Klimawandel wird Thema beim Papstbesuch

Eine dieser Herausforderungen ist der Klimawandel, der in Papua-Neuguinea schlimme Folgen hat. Das Thema werde beim Papstbesuch in Papua-Neuguinea (6.-9. September) eine Rolle spielen, sagt Ratzmann. „Sicher wird der Papst mit seinen Begleitern an der Küste stehen, und es werden ihm die Einheimischen zeigen, bis wohin die Küstenlinie früher ging und bis wohin sie heute geht, einfach aufgrund des steigenden Meeresspiegels.“ Auch Überschwemmungen und Erdrutsche sowie Stürme sind in der Region häufig, Papua-Neuguinea gilt weltweit als eines der am meisten gefährdeten Länder, was Klimawandelfolgen betrifft. Für die einheimische Bevölkerung sei dies aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, berichtet Ratzmann.

„Die Menschen legen sehr viel Wert darauf, sich nicht als Opfer, als hilflos darzustellen, sondern sie engagieren sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit wunderbaren Projekten gegen die Klimawandelfolgen. Es gibt Mangroven-Aufforstung, Projekte, wo gerade auch kirchliche Jugendgruppen etwa als Konfirmations- oder Kommunionsprojekt in zwei, drei Wochen Mangrovensetzlinge pflanzen.“ Mangroven schützen die Küsten und sind Brutstätte für Fische. Das wiederum sichert den Lebensunterhalt von Fischern mit kleinen Booten, die nur in Küstennähe fischen können.

Kirchliches Engagement für Umweltschutz und Bildung

Im Umweltschutz sei Papua-Neuguineas katholische Kirche stark engagiert, auch gemeinsam mit anderen Kirchen. Papua-Neuguinea ist rohstoffreich, es gibt Gold, Nickel, Kupfer, Rohöl, Gas und Holz. Der Abbau geschieht häufig auf Kosten der Umwelt. Aktuell seien bedenkliche Minenprojekte in Planung, berichtet Ratzmann: „Der Plan sieht vor, dass man die mit Chemikalien versetzten Abräume aus den großen Minen einfach vor der Küste ins Meer schüttet. Davor haben die Menschen Angst, das möchten sie nicht. Und hier engagieren sich kirchliche Gruppen, Gemeinden schließen sich zusammen, ernennen einen Sprecher, der mit Minenverantwortlichen zu verhandeln sucht, um Lösungen anzubieten.“ Die Hoffnung dürfte groß sein, dass Papst Franziskus sich vor Ort explizit für den Umwelt- und Klimaschutz stark machen wird.

Auch im Bildungsbereich sind die christlichen Kirchen sehr aktiv. „Die katholische Kirche engagiert sich sehr stark in Bildungseinrichtungen, in Schulen und Universitäten, und versucht, Menschen in Jobs zu bringen. Sie engagiert sich in der Wohlfahrtspflege für Kinder, Kindergesundheit, Kinderbildung. Jedes Kind soll die Möglichkeit haben, zumindest die Grundschule und zwei drei Klassen einer weiterführenden Schule zu besuchen“, so Ratzmann. „Also hier sehe ich großes Engagement, nicht nur der katholischen Kirche, sondern auch aller anderen christlichen Religionsgemeinschaften im Land. Sie füllen die Lücke aus, wo der Staat es nicht leisten kann.“ Ratzmann wünscht sich persönlich vom Papstbesuch, dass er auch einer Ausweitung der ökumenischen Zusammenarbeit dienen könne.

Armut und Analphabetismus

Etwa 40 Prozent der Menschen in Papua-Neuguineas sind extrem arm. Über ein Drittel kann nicht lesen und schreiben, was Benachteiligunegn mit sich bringt und die Kluft zwischen Arm und Reich verstärkt. Während die in Papua-Neuguinea lebenden Ausländer hochqualifizierte Jobs bekämen, würden Einheimische „mit Billigjobs abgespeist“, so Ratzmann. Die Perspektivlosigkeit führe oft zu Kriminalität und sozialen Problemen. „Viele junge Männer haben nicht die Möglichkeit, eine Schulbildung zu genießen, weil sie in den Gärten auf den Plantagen ihrer Eltern arbeiten müssen. Das führt zu Frustration. Und selbst wenn man eine Ausbildung hat, findet man oft keinen Job, hängt dann auf der Straße rum. Ein sehr, sehr großes Problem ist Straßenkriminalität unter jungen Männern, die auf der Straße Drogen konsumieren, Alkohol trinken und übergriffig werden gegenüber jungen Frauen und auch Ausländern.“

Viele Einwohner in Papua-Neuguinea leben im unzugänglichen bergigen Hochland als Selbstversorger. Oder sie arbeiten als Niedriglöhner in den Städten. Vom Rohstoffabbau profitiert die Bevölkerung kaum. Im Nachgang zur Kolonialzeit haben sich in Papua-Neuguinea soziale Probleme verfestigt. Die politischen Klasse sei oft korrupt, berichtet Ratzmann, Vetternwirtschaft sei ein großes Problem: „Politiker lassen sich korrumpieren und ziehen dann Menschen aus ihrem eigenen familiären Umfeld in politische und auch Wirtschaftsunternehmen, ohne dies von Qualifikation und Kompetenz abhängig zu machen. Das ist ein Riesenproblem, weil so jede Menge Menschen an der Macht sind, die eigentlich gar keine Ausbildung für den Beruf haben.“

Ambivalente „Modernisierung“

Der Stundenlohn liegt in Papua-Neuguinea bei umgerechnet ein bis zwei Euro. Und während in den letzten 20 Jahren das Lohn-Niveau kaum anstieg, gab es zuletzt enorme Preissteigerungen bei Rohstoffen, Öl und Gas. Waren und Dienstleistungen, die sich immer mehr Menschen wünschten, seien schwer zu bezahlen: „Da gibt es eine riesige Diskrepanz zwischen dem, was Menschen verdienen können, und dem, was Waren und Dienstleistungen kosten. Früher waren die Menschen reine Subsistenzbauern. Sie haben von dem gelebt, was sie auf dem Land anbauen konnten. Heute, vor allen Dingen durch den Einfluss der sozialen Medien, durch Fernsehen, Internet, Radio, möchten sie natürlich auch Dinge kaufen. Dafür braucht man Geld. Und an das Geld zu kommen, ist eben nicht ganz so einfach.“

Der Kontakt mit Medien und anderen Einflüssen der „modernen“ Welt ist für viele traditionelle Stämme im Hochland ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kann er gesellschaftlichen Anschluss und verbesserte Lebensqualität bedeuten, andererseits nehmen bestimmte Probleme auch zu. So kommen bei Stammeskonflikten in Papua-Neuguinea neuerdings automatische Waffen zum Einsatz, die zu einer Verschärfung der Gewalt geführt haben. Durch den Konsum digitaler Medien halten beim „Hexenglauben“, der sich in der Verfolgung von Frauen als angebliche „Hexen“ in Papua-Neuguinea zeigt, neue Formen von Gewalt Einzug, wie kirchliche Beobachter berichten. Um der Verfolgung von Frauen als „Hexen“ entgegenzuwirken, bemühen sich die katholische und lutherische Kirche in Papua-Neuguinea um Opfer-Schutz und Aufklärung, etwa durch Frauenhäuser und Informations-Kampagnen.

Deutsche Missionare in Papua-Neuguinea

Die Anfänge des Christentums in Papua-Neuguinea reichen bis in die Kolonialzeit zurück, in der auch deutsche Missionare auf der Insel Neuguinea das Christentum verbreiteten, nachdem der nordöstliche Teil 1885 deutsche Kolonie geworden war. Ratzmann berichtet, dass katholische wie evangelische Missionare in Papua-Neuguinea erfolgreich missionierten.

„Es gab zwei große Wellen christlicher Missionsgesellschaften. Schon so ab 1850 kamen die ersten katholischen Missionare ins Land. Die waren allerdings nicht in Festland-Neuguinea, sondern auf einer Insel und sind dort zunächst gescheitert (Insel Umboi, Anm.). Mit dem Versuch einer Missionierung ab 1886 war der evangelisch-lutherische deutsche Missionar Johann Flierl dann an der Nordostküste von Neuguinea. Er wurde ausgesandt von der Neuendettelsauer Missionsgesellschaft und war dann auch recht erfolgreich in dieser Gegend. Und wenige Jahre später kamen die Steyler Missionsgesellschaften ins Land, die dort ja immer noch ihre Ordensgesellschaften unterhalten."

Die Steyler Missionare wirken seit 1896 in Papua Neuguinea und sind dort bis heute sehr aktiv, hauptsächlich in der Pfarreiarbeit. Die Missionierung des Hochlandes von Papua-Neuguinea begann erst nach dem Ersten Weltkrieg. Neuguinea war in der Kolonialzeit aufgeteilt worden, der Norden wurde deutsches Schutzgebiet, das sogenannte ,Kaiser-Wilhelms-Land'; der Südosten britisches Protektorat; der Westen Holländisch-Neuguinea. Nachdem Australien die Verwaltung von Britisch-Neuguinea und Deutsch-Neuguinea übernommen hatte, wurde 1975 aus den beiden Gebieten (,Papua' und ,New Guinea') der unabhängige Staat Papua-Neuguinea.

Die Aufteilung nach Denominationen, ein Relikt aus der Kolonialzeit, prägt das Land bis heute und führte zu einer starken Identifizierung von ethnischsprachlichen Gruppen mit bestimmten Konfessionen, erläutert Ratzmann:

„Das heißt, jede Stadt, jedes Dorf, jede Region ist einer Religionsgemeinschaft zugeschrieben worden. Das hat zur Folge, dass es noch heute nur katholische Dörfer oder nur lutherische Dörfer gibt. Wenn man nach Neuguinea reist, je nach Region, in der man sich aufhält, ist die erste Frage der Gäste oder der der Leute, die mich empfangen, immer: zu welcher Religionsgemeinschaft gehörst du? Und dann freut man sich, wenn man jemanden empfängt, der der gleichen Religionsgemeinschaft angehört wie das Dorf, die Stadt, die Gemeinde, in der man zu Gast ist."

,Unserdeutsch' und deutsche Wörter in Tok Pisin

Spuren speziell aus der deutschen Kolonialzeit finden sich heute in Papua-Neuguinea im Bereich der Sprache. So ist in Papua-Neuguinea die weltweit einzige bekannte deutschbasierte Kreolsprache zu finden, die Anfang des 20. Jahrhunderts im Umfeld einer katholischen Internatsschule entstand und zur Erstsprache einer ganzen Sprachgemeinschaft wurde. Erst die australischen Besatzer verdrängten die deutsche Sprache nach dem 1. Weltkrieg, allerdings gibt es in Papua-Neuguinea bis heute Menschen, die das sogenannte ,Unserdeutsch' sprechen.

Darüberhinaus seien in der verbreitesten Verkehrssprache Papua-Neuguineas, Tok Pisin, bis heute einzelne deutsche Begriffe zu finden, so Ratzmann, die selbst diese Sprache spricht. Ende des 19. Jahrhunderts wurden auf den Kokosplantagen im Norden Australiens in Queensland Arbeiter aus der ganzen Südsee angeworben und man brauchte eine gemeinsame Sprache, um Befehle an diese Arbeiter weitergeben zu können: „Und da hat man viele Wörter aus dem Deutschen genommen, auch aus anderen Sprachen, aus denen, von denen diese Arbeiter kamen, aber aus dem Deutschen zum Beispiel das Wort Feierabend oder das Wort raus, also hau ab! Oder das Wort Kapo für Vorsteher auf so einer Plantage. Das sind also Relikte aus den engen Beziehungen, die es gab zwischen Deutschland und Neuguinea."

Motto der Papstreise

Papst Franziskus besucht Papua-Neuguinea vom 6. bis 9. September 2024 im Rahmen einer Vierländerreise und trifft dort Vertreter der Kirche, Politik und Zivilgesellschaft. Neben der Hauptstadt Port Moresby reist er auch in die Diözese Vanimo in Nähe der Grenze zum indonesischen Westneuguinea, wo sich eine Unabhängigkeitsbewegung der indonesischen Beanspruchung widersetzt. Das Motto der Papstreise, „Betet“, ist inspiriert von der Bitte der Jünger an Jesus, sie das Beten zu lehren. Der Papstbesuch soll die Gläubigen in Papua-Neuguinea ermutigen, in ihrem Glauben gestärkt zu werden und unter der Leitung des Kirchenoberhauptes das Beten zu lernen. Franziskus ist nicht der erste Papst, der das Land besucht: Johannes Paul II. war 1984 und 1995 vor Ort.

Julia Ratzmann ist studierte Völkerkundlerin mit Schwerpunkt Ozeanien und leitet die ökumenische Pazifik-Informationsstelle mit Sitz in Deutschland, die unter anderem vom katholischen Hilfswerk missio (München) unterstützt wird. Sie unterhält zahlreiche Kontakte zu kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Partnern in der Region, die sie seit Jahrzehnten bereist. Radio Vatikan hat mit ihr anlässlich der Papstreise in die Region über Kirche und Gesellschaft in Singapur, Osttimor und Papua-Neuguinea gesprochen.

(vatican news)

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05. September 2024, 12:01