Ordensfrau in PNG: „Gott war lange vor den Missionaren hier“
Anne Preckel – Port Moresby
Radio Vatikan erreicht die Schweizer Ordensfrau vor Ankunft des Papstes telefonisch in der Diözese Mendi im südlichen Hochland Papua-Neuguineas. In der schwer zugänglichen Gegend fern ab der Hauptstadt setzt sich Schwester Lorena seit Jahrzehnten für Frauen ein, die als angebliche „Hexen“ verfolgt werden. Über 250 solcher Frauen konnte sie bereits vor dem Tode bewahren, im „Haus der Hoffnung“ finden sie Schutz und Aufnahme. Über das Thema ist Schwester Lorena, die das letzte Mal vor zwei Jahren im Vatikan war, mit dem Papst im Gespräch. Während des Papstbesuches in Port Moresby wird sie bei der Begegnung des Papstes mit Bischöfen und Ordensleuten am Samstag im Marienheiligtum dabei sein.
Erster Papst seit Jahrzehnten „eine große Ehre“
Papua-Neuguineas Gläubige beteten täglich für den Papstbesuch, erzählt die Ordensfrau gegenüber Radio Vatikan, die Menschen hätten schon lange darauf gewartet: „Das ist natürlich für das ganze Land eine ganz große Ehre, weil der letzte Papst, der in Papua-Neuguinea war, das war Johannes Paul II., und seither hatten wir keinen Papst mehr hier. Das ganze Land ist in großen Vorbereitungen, und wir beten jeden Tag nach der heiligen Messe um ein gutes Gelingen dieser Papstreise.“
Papst Franziskus treffe in Papua-Neuguinea auf eine junge und lebendige Kirche, die Zulauf hat. In ihrer Pfarrei gebe es jedes Jahr Kindstaufen, Kommunionsfeiern und Firmungen, auch viele Erwachsene träten dem Christentum bei, „um ihrem Leben einen tieferen Wert zu geben“, wie Schwester Lorena formuliert. Sie selbst arbeite mit einem einheimischen Priester und aktiven Laien zusammen, darunter mit vielen Frauengruppen: „Wir haben Laien, die Basisgruppen führen. Wir haben Laien, die Religionsunterricht geben. Wir haben Laien, die uns beim Taufunterricht mithelfen. Wir haben viel, viel mehr Laien in unserer kirchlichen Mitarbeit als wir Schwestern und Priester haben!“
Lebendige Kirche ohne „Sonntagschristen“
Diese Christen seien „keine Sonntagschristen“, sondern trügen das Gemeindeleben entscheidend mit. „Und in mancher Hinsicht denke ich, wenn ich jemals in die Schweiz zurückkehre, sind wir hier mit unseren Missionen viel weiter als in Europa“, so die gebürtige Schweizerin. Wichtige Glaubenszentren im Hochland seien der „Fatima-Schrein“ und das „Zentrum für den Barmherzigen Jesus“. Laien als Träger der Neuevangelisierung zu fördern, ist eine Priorität der katholischen Kirche Papua-Neuguineas. „Katholische Laien: ausgebildet für die Mission“ ist der Titel des Pastoralplans von 2020, der jeweils lokal angepasst und alle drei Jahre erneuert werde. Dabei geht es darum, den Glauben im Alltag zu bezeugen, durch Zuwendung zu Armen, Häftlingen, Flüchtlingen, Drogenabhängigen, Straßenkindern, Obdachlosen, Menschen mit Behinderungen und mit Aids. Diesem Einsatz werde der Papstbesuch neue Energie verleihen, ist Schwester Lorena überzeugt.
Inkulturation des Glaubens
Die Schweizer Ordensfrau wirkt seit 1979 in Papua-Neuguinea als Missionarin. Dass das Christentum in Papua-Neuguinea so gut Fuß fassen konnte, liege an einer besonderen Empfänglichkeit der Lokalbevölkerung für diesen Glauben: Der christliche Glaube an einen Gott, der Mensch wird, sei den Menschen aus traditionellen Glaubensvorstellungen bereits vertraut. „Die Geburt Jesu, diese Inkarnation, Gott wird Mensch – das ist ganz, ganz tief verbunden mit Inkulturation. Und Papua-Neuguinea hat da ganz, ganz, ganz viele Vorteile – weil diese Tradition in Papua-Neuguinea ist eigentlich eine Tradition ganz umgeben von Geistern. Und da ist immer der Große Geist der Hauptgeist, der wie Gott alles in den Händen hat. Gott war eigentlich lange vor den Missionaren hier – und deswegen war das Feld auch leicht zu missionieren und zu evangelisieren. Und deswegen wird hoffentlich auch der Papst sehr viel Freude und Kraft mit nach Rom nehmen, wie wir viel Kraft von ihm bekommen werden, um eben weltweit überzeugte Christen zu sein, die wirklich das Evangelium verkünden mit der ganz riesigen Kraft der Versöhnung und des Friedens.“
Ursachen des Hexen-Aberglaubens sind komplex
Mit Blick auf das Problem des Hexenwahns hebt die Ordensfrau die komplexen Ursachen des Phänomens hervor. Neben Aberglauben spiele der Einfluss der Moderne in Papua-Neuguinea und religiöser Extremismus eine Rolle. In ihrer Diözese seien die ersten Fälle von Hexenverfolgung erst 2012 aufgetreten. Schwester Lorena vermutet, dass moderne Einflüsse, die die traditionellen Stammesgesellschaften erst vor wenigen Jahren erreichten, dazu beitrugen. „Jeder Fall ist wieder anders und es ist nicht leicht, das auf einen Nenner zu bringen. Aber ganz, ganz sicher hat da die ganz rasante Entwicklung eine große Bedeutung.“ Als sie Ende der 1970er Jahre in der Diözese Mendi ankam, seien die Frauen noch im traditionellen Rock, die Männer im Lendenschurz und die Kinder nackt gewesen. Seitdem habe sich in Papua-Neuguinea so viel rasant verändert:
„Mit einem Sprung sind die modern geworden. Die wurden einfach, sagen wir einmal ganz krass, vom Steinzeitalten ins moderne Zeitalter hineingeworfen. Die konnten da nicht mitreden – das geschah einfach. Erst das Flugzeug und dann das Computerzeitalter. Das Allerschlimmste ist die digitale Welt. Schon Kinder, die keine Schuhe haben und nicht gut gekleidet sind, haben diesen kleinen Kasten, das Handy.“ Und sie konsumierten Bilder, die sie überforderten, etwa Bilder von Kriegsgewalt, die sie nicht einordnen könnten – für die traditionellen Gesellschaften, die bislang im Einklang mit der Natur lebten, sei dies aufwühlend, ein Schock. „Da kommen schon eine ganz große Unruhe und viel zu viele Ablenkungen auf sie los. Vor allem, wenn man bedenkt, dass immer noch ein großer Prozentsatz dieser Menschen nie eine Schule besucht hat, ja Analphabeten sind und auch unter der Arbeitslosigkeit und der Korruption leiden.“
Katholische Kirche „gegen jede Form der Gewalt“
Die katholische Kirche versuche in Papua-Neuguinea angesichts dieser Verunsicherung Bildung, Werte und Orientierung zu vermitteln, so Schwester Lorena. Sie stehe an Seite der Menschen und setze sich für Gerechtigkeit und „gegen jede Form der Gewalt“ ein. Das beziehe sich auch auf die Glaubensverkündigung, die niemals aggressiv sein dürfe, „weil wir ja in diesem Land eine frohe Botschaft verkünden und nie eine Drohbotschaft“, betont die Ordensfrau.
Im christlichen Spektrum sei dies leider nicht überall der Fall, berichtet sie dann und nennt ein aktuelles Beispiel, bei der es durch eine kirchliche Abspaltung (vom Protestantismus, Anm.) zu Verfolgung kam. „Und ich habe vier Tage gebraucht, bis ich diese Frau endlich aus dem Schlamassel rausholen konnte. Und dann habe ich mich bei der Frau erkundigt: Ja, wer ist denn für diesen Wahnsinn verantwortlich? Und zu meinem Schrecken war es der Pastor ihrer Gemeinde... Ja, was ist denn das für eine Kirche, die Frauen foltern lässt, in einer Kirche?!“, zeigt sich Schwester Lorena mit Blick auf diese Freikirche schockiert. Die Gruppierung gehört wohlgemerkt nicht dem Kirchenrat von Papua-Neuguinea an, dem hingegen die katholische, die evangelisch-lutherische, die anglikanische und andere Kirchen angehören, die sich um Zusammenarbeit und Ökumene bemühen.
Probleme mit kirchlichen Abspaltungen
Im kirchlichen Spektrum in Papua-Neuguinea gebe es „viele Abspaltungen (von Glaubenssätzen des Protestantismus, Anm.), und diese verursachen teilweise sehr viel Durcheinander“, berichtet sie weiter. Dem Papstbesuch sähen solche freikirchlichen Gruppen, die noch nicht allzu lange in Papua-Neuguinea seien, mit gemischten Gefühlen entgegen, ergänzt sie. Auch die katholische Kirche in Papua-Neuguina hat ihre Probleme mit solchen Gruppen, die Verwirrung stiften oder - wie im Fall des Hexen-Aberglaubens - fragwürdige Lehren verbreiten. Die katholische Kirche ist auch nicht mit dem Vorschlag einverstanden, den amerikanische evangelikale Gruppen in Papua-Neuguinea derzeit einbringen: Sie wollen Papua-Neuguineas christliche Identität in der Verfassung verankern. Der katholischen Bischofskonferenz, die Religionsfreiheit und kulturelle und religiöse Vielfalt hochhält, ist das zu identitär, sie will nicht, dass Papua-Neuguinea in einen konfessionellen Staat umgemodelt wird.
Auch hinsichtlich solcher Entwicklungen sehen Schwester Lorena wie auch andere Vertreter der katholischen Kirche in Papua-Neuguinea den Papstbesuch als bedeutsam und hilfreich an. Sie hoffen, dass er zum Unterscheidungsvermögen im christlichen Glaubensspektrum beitragen und den Christen Orientierung geben kann.
Papst bringt authentische Botschaft
Schwester Lorena: „Ich habe einfach ganz große Hoffnung, dass dieser wunderbare katholische Glauben, der die ganze Welt umfasst und alle Menschen einbezieht, alle Kulturen, alle Sprachen - dass uns der Papst noch mehr Kraft und noch mehr Mut und noch mehr Hoffnung gibt, als wir schon haben. Das ist meine, meine große Hoffnung: Nicht uns verkünden, sondern Jesus Christus und seine befreiende Botschaft, mit der Versöhnung, dem Frieden, der Gerechtigkeit, der Wahrheit, dass alles dazugehört. Das ist wirklich meine Botschaft. Und so wie ich Franziskus erlebt habe und kennengelernt habe, ist er der fähige Mann dazu.“
(vatican news)
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