Haitianer fliehen vor Bandengewalt aus ihren Häusern in Port-au-Prince Haitianer fliehen vor Bandengewalt aus ihren Häusern in Port-au-Prince 

UN warnt vor eskalierender Gewalt und humanitärer Krise in Haiti

Die Lage in Haiti spitzt sich dramatisch zu, warnte die Leiterin des UN-Büros im Land, María Isabel Salvador, vor dem Sicherheitsrat in New York. Trotz der jüngst gestarteten internationalen Polizeimission haben sich die Gewalt und humanitären Notstände in dem krisengeschüttelten Karibikstaat seit Juli weiter verschärft, mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung.

Am Montag traf sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York, um die alarmierende Gewaltsituation in Haiti zu erörtern. María Isabel Salvador, die Leiterin des UN-Büros in Haiti und Sonderbeauftragte des Generalsekretärs, sprach von einer zunehmend unkontrollierbaren Eskalation der Gewalt, die sich trotz der im Juli gestarteten internationalen Polizeimission unter der Führung kenianischer Kräfte weiter verschlechtert habe. Die Mission wurde ursprünglich ins Leben gerufen, um der haitianischen Polizei im Kampf gegen kriminelle Banden zu helfen. Doch die Sicherheitslage sei weiterhin außer Kontrolle.

Salvador machte deutlich, dass die haitianische Bevölkerung im ganzen Land leidet, während die kriminellen Aktivitäten schwer bewaffneter Banden immer intensiver und brutaler werden. Besonders beunruhigend sei die geografische Ausbreitung der Gewalt, die sich nun zunehmend über die Hauptstadt Port-au-Prince hinaus erstreckt und ganze Landstriche in Angst und Schrecken versetzt. Die humanitäre Lage sei nach ihren Worten so schlimm wie nie zuvor.

700.000 Binnenvertriebene

Die Zahl der Binnenvertriebenen habe im September die Marke von 700.000 erreicht – ein erschütternder Anstieg, der die tiefe humanitäre Krise verdeutlicht. Salvador erinnerte an den Angriff auf die Stadt Pont-Sondé am 3. Oktober, bei dem 115 Zivilisten getötet und Dutzende verletzt wurden. Sie sprach von einer „erschreckenden und brutalen“ Gewalt, die sich auch in weiteren jüngsten Anschlägen in Port-au-Prince und anderen Regionen widerspiegelt. Eine besonders grausame Facette des Konflikts ist die beispiellose Brutalität sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die zunehmend Opfer von Übergriffen durch Banden werden.

Alltag in Haiti
Alltag in Haiti

Farhan Haq, stellvertretender Sprecher des UN-Generalsekretärs, ergänzte, dass allein seit dem 17. Oktober über 4.200 Haitianer aus ihrer Heimat geflohen seien. Zwischen Juni und August seien in Haiti mehr als 1.440 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen, so die Vereinten Nationen.

Die Krise trifft vor allem die Kinder des Landes besonders hart. Catherine Russell, Leiterin von UNICEF, wies darauf hin, dass Schätzungen zufolge zwischen 30 und 50 Prozent der Mitglieder bewaffneter Gruppen in Haiti Kinder sind. Diese würden als Informanten, Köche, Sexsklaven und sogar als bewaffnete Kämpfer missbraucht. „Sie werden gezwungen, Gewalt auszuüben, oft unter grausamen Bedingungen“, erklärte Russell.

Die internationale Gemeinschaft steht vor der dringenden Herausforderung, den haitianischen Staat in seinen Bemühungen um Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen. Doch die bisherigen Maßnahmen, einschließlich der jüngsten Polizeimission, haben bislang nicht ausgereicht, um den Banden Einhalt zu gebieten oder die humanitäre Krise zu entschärfen.

Belastungsgrenze für Hilfsorganisationen

Die Eskalation der Gewalt hat auch die Hilfsorganisationen vor Ort an ihre Belastungsgrenzen gebracht. Zugang zu den betroffenen Gebieten ist oft nur eingeschränkt möglich, was die Versorgung der notleidenden Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern wie Nahrung und medizinischer Hilfe erschwert. Zudem herrscht großer Mangel an Unterkünften für die Vertriebenen.

Salvador appellierte an die Mitglieder des Sicherheitsrats, verstärkt humanitäre Hilfe zu leisten und den Druck auf die kriminellen Akteure zu erhöhen. „Wir müssen die humanitäre Krise bewältigen und gleichzeitig nach Wegen suchen, die Sicherheitslage zu stabilisieren“, betonte sie. Die dringende Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft sei unverzichtbar, um eine weitere Eskalation und die Zunahme der Gewalt zu verhindern.

Die Sicherheitslage in Haiti hat sich bereits in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert, doch die jüngsten Entwicklungen deuten auf eine neue Dimension der Krise hin. Angesichts der Tatsache, dass die Lebensgrundlage von Millionen Menschen bedroht ist und das Land weiterhin unter der Herrschaft der Gewalt steht, stelle sich die Frage, wie die internationale Gemeinschaft effektiv handeln kann, um Haiti zu helfen, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen und den Menschen eine Zukunftsperspektive zu geben, so die UN-Zuständige für Haiti.

(sir - mg)

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23. Oktober 2024, 10:50