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Rauchschwaden über Port-au-Prince Rauchschwaden über Port-au-Prince  (ANSA)

Haiti: Chaos und Anarchie durch Banden und Polizei

Im krisengeschüttelten Karibikstaat eskaliert die Lage einmal mehr. Grund ist offenbar der überraschende Machtwechsel. US-Fluglinien setzen die Flüge nach Port-au-Prince für einen Monat aus.

Für Flug 935 von Port-au-Prince nach New York hätte es böse enden können: Wie die Fluggesellschaft JetBlue in dieser Woche bestätigte, wurde das Flugzeug von mindestens einer Kugel getroffen. Abgefeuert wurde sie mutmaßlich von den bewaffneten illegalen Banden, die um die Vorherrschaft im Land kämpfen und dabei immer wieder auch den Flughafen der haitianischen Hauptstadt ins Visier nehmen. Wie „Diario Libre“ berichtet, konnte die Maschine aber sicher auf dem Zielflughafen landen. Die Besatzung hatte zunächst keine Probleme gemeldet, erst bei der Inspektion in New York wurde die Beschädigung entdeckt.

Es ist der zweite Vorfall innerhalb kürzester Zeit. Zuvor war ein Flug von Fort Lauderdale (Florida) nach Port-au-Prince umgeleitet worden und landete in der Dominikanischen Republik, nachdem Schüsse beim Landeanflug in Haiti das Flugzeug beschädigt hatten. Die Fluglinie Spirit teilte mit, dass ein Flugbegleiter bei dem Vorfall leichte Verletzungen erlitten habe. Als Konsequenz aus dem Vorfall untersagte die US-Luftbehörde FAA allen US-Fluglinien den Betrieb in Haiti für 30 Tage.

Auch Polizisten heizen die Lage an

Die Gewalt geht nicht nur von den kriminellen Banden aus. „Ärzte ohne Grenzen“ berichtete, dass Mitglieder der haitianischen Polizei in dieser Woche einen Krankenwagen der Hilfsorganisation gestoppt hatten. Er sollte drei Personen mit Schussverletzungen in die von „Ärzte ohne Grenzen“ betriebene Klinik in Drouillard im Großraum der Hauptstadt bringen.

Unmittelbar vor der Klinik zwangen die Beamten den Krankenwagen, den Weg in ein öffentliches Krankenhaus zu nehmen. Dort umstellten Polizeikräfte und Mitglieder einer Bürgerwehr den Krankenwagen, schlitzten die Reifen auf und setzten Tränengas gegen die Mitarbeitenden von „Ärzte ohne Grenzen“ ein, um sie zum Verlassen des Fahrzeugs zu zwingen. Anschließend brachten sie die verwundeten Patienten an einen Ort abseits des Krankenhausgeländes, wo mindestens zwei von ihnen getötet wurden. Die Angreifer warfen der Hilfsorganisation vor, Bandenmitglieder geschützt zu haben.

Helfer sind empört

„Die hier an den Tag gelegte Gewalt gegenüber Patienten und medizinischem Personal von ‚Ärzte ohne Grenzen‘ ist schockierend. Und sie stellt die Arbeit der Organisation – die lebenswichtige Versorgung der haitianischen Bevölkerung – infrage“, sagte Landeskoordinator Christophe Garnier in einer Stellungnahme. „Damit unsere medizinische Hilfe weiterhin möglich ist, braucht es ein Mindestmaß an Sicherheit für unsere Teams und Patienten.“

Ausgelöst hatte die neue Gewaltwelle offenbar der Wechsel an der Staatsspitze. Der Übergangsrat ernannte überraschend Alix Didier Fils-Aimé zum neuen Ministerpräsidenten. Die Hintergründe der Entscheidung sind unklar. Während die neue Regierung daraufhin „Sicherheit“ für die Haitianer versprach, kündigten die Banden „Tage des Terrors“ an.

Seit Jahren herrschen Chaos und Armut

Haiti steckt seit Jahren in einer schweren innenpolitischen Krise. Nach dem Mord an Staatspräsident Jovenel Moïse 2021 bauten bewaffnete Banden im Land ihre Macht aus und terrorisieren seither die Bevölkerung. Zurzeit herrschen Chaos und Anarchie im Land. Seit einigen Monaten ist eine internationale Polizeimission unter der Führung Kenias in Haiti aktiv und versucht, bei der Wiederherstellung der Ordnung zu helfen.

Hinzu kommt eine humanitäre Krise: Fast die Hälfte der Bevölkerung, etwa 4,9 Millionen Menschen, habe nicht genug zu essen, um gesund zu überleben, hieß es zuletzt aus UN-Kreisen. Haiti gilt als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Es wurde in den vergangenen Jahren von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürmen erschüttert, zuletzt kam eine Cholera-Welle hinzu, die hunderte Tote forderte. Trotz der massiven Probleme werden derzeit tausende Haitianer aus dem Nachbarland Dominikanische Republik, aber auch aus den USA abgeschoben.

(kna - fl)

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14. November 2024, 10:38