Historische Entdeckungen am Heiligen Grab in Jerusalem
Mario Galgano - Vatikanstadt
Die römische Universität La Sapienza hat in einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung neue Ergebnisse ihrer archäologischen Ausgrabungen am Heiligen Grab in Jerusalem vorgestellt. Die Arbeiten, die unter der Leitung von Francesca Romana Stasolla von der Abteilung für Antike Wissenschaften durchgeführt werden, gewähren tiefere Einblicke in die Geschichte und Entwicklung dieses bedeutenden heiligen Ortes. Die aktuellen Untersuchungen konzentrierten sich auf den Eingangsbereich, den südlichen Teil des Chorumgangs und den nördlich gelegenen Bereich.
Veränderungen durch Bergbau und frühe christliche Bauphasen
Eines der markantesten Ergebnisse der Ausgrabungen betreffe die Beschaffenheit des Geländes, das eine felsige Oberfläche aufweise und durch jahrhundertelangen Bergbau tiefgreifend verändert worden sei, teilten die Archäologen mit. Die Forscher identifizierten mehrere Phasen der Gesteinsgewinnung, die von Nordosten nach Südwesten verliefen und teilweise bis zu fünf Meter tiefe Veränderungen hinterließen. Obwohl es schwer festzustellen sei, wie lange die organisierte Nutzung des Bergbaus andauerte, gebe es Hinweise auf eine intensive Ausbeutung, deren letzte Spuren mit den Bauarbeiten aus frühchristlicher Zeit verbunden seien.
Diese Veränderungen im Gelände beeinflussten auch die frühchristliche Bauphase: Der Standort sei planmäßig umgestaltet worden, um die Verehrung des Grabes Christi zu ermöglichen. „Zu Beginn des 4. Jahrhunderts wurde der Hügel durch umfassende Planierungsmaßnahmen geebnet, wobei Spuren dieser Eingriffe deutlich sichtbar sind“, erläutert die Pressemitteilung. Dabei sei eine Grabkammer entdeckt worden, die als das Grab Christi identifiziert wurde und den Beginn einer Monumentalisierung des Ortes markierte.
Kultstätte aus der Zeit des Kaisers Hadrian
Ein weiteres spannendes Resultat sei die Entdeckung eines Kultbereichs aus der Zeit Kaiser Hadrians. Dieser Bereich sei, wie christliche Quellen von Eusebius von Cäsarea und Kyrill von Jerusalem berichten, in der Vergangenheit überbaut worden, um den Zugang zum Grab zu blockieren und es von den Pilgern abzuschirmen. Allerdings vermuten die Archäologen, dass diese Struktur kleiner war als bislang angenommen und wahrscheinlich nicht die Dimensionen eines Kapitols erreichte, wie der Franziskaner und Archäologe Pater Virgilio Corbo einst vermutete.
Die Forscher gehen davon aus, dass diese Kultstätte den Zugang zum Grab Christi absichtlich versperrte, aber das Andenken daran bewahrte. Die Entdeckung dieser Struktur ermöglicht einen Einblick in die religiöse und architektonische Vergangenheit des Ortes. Um die Erkenntnisse weiter abzusichern, sollen die Ausgrabungen im nördlichen Schiff der heutigen Kirche fortgesetzt werden.
Der erste Monumentalisierungsprozess und die Entstehung der Rotunde
Nachdem der Hügel im 4. Jahrhundert eingeebnet wurde, sei ein kleineres, kreisförmiges Heiligtum um das Grab Christi entstanden, das einen Vorraum und drei Stufen umfasste und von zwölf Säulen umgeben war. Nach den bisherigen Erkenntnissen war dieses erste Heiligtum vermutlich nicht überdacht und ermöglichte den Gläubigen eine Zeremonie im Freien. Um das zentrale Heiligtum herum wurde schließlich die berühmte Rotunde errichtet, die den Ort zu einem zentralen Wallfahrtsort für Christen machte.
Die Forscher fanden zudem Hinweise darauf, dass am Ende des 4. Jahrhunderts die Bauarbeiten an der Rotunde und dem dazugehörigen Kiosk abgeschlossen waren. Die Rotunde wurde dabei mit einer liturgischen Basilika durch einen dreifachen Portikus verbunden, der den Bereich des Grabes in die christliche Kultstätte integrierte. Das Bauwerk ermöglichte den Pilgern, sich in Säulengängen und an verschiedenen Orten der Anbetung zu bewegen, und schuf einen Raum für differenzierte liturgische Rituale und Besichtigungen.
Dokumentation der Basilika und der städtischen Materialien
Ein weiterer Aspekt der Ausgrabungen umfasst die Dokumentation der gesamten Basilika und ihrer Nebenstrukturen, um ein vollständiges architektonisches Bild des Heiligtums zu erhalten. Die Forscher arbeiten auch an der Analyse der bei den Ausgrabungen gefundenen Materialien. Diese Untersuchung biete eine wertvolle Gelegenheit, nicht nur die Geschichte des Heiligen Grabes, sondern auch die Entwicklung der Stadt Jerusalem zu verstehen.
Die Erkenntnisse aus den Ausgrabungen der Universität La Sapienza eröffnen neue Perspektiven auf die religiöse und architektonische Geschichte des Heiligen Grabes und vertiefen das Wissen über die Entwicklung dieses heiligen Ortes. In enger Zusammenarbeit mit den Leitern der drei christlichen Konfessionen – lateinisch, orthodox und armenisch – werde das Forschungsteam die Untersuchungen fortsetzen, um weitere Einblicke in die Vergangenheit des Heiligen Grabes und seine Bedeutung für die christliche Welt zu gewinnen.
(sir)
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