Rumänien: Radikaler Orthodoxer führt bei Präsidenschaftswahl
Die Kandidaten der bislang führenden Sozial- und Christdemokraten ziehen nicht mehr in die Stichwahl ein, die am 8. Dezember zwischen den beiden verbliebenen Kandidaten stattfindet. Der dann gewählte Staatspräsident legt die Linien der Außen- und Verteidigungspolitik Rumäniens fest.
Georgescu führte seinen Wahlkampf vor allem im Sozialen Netzwerk Tiktok. Dort präsentierte sich der studierte Agraringenieur als rechter „Anti-System-Kandidat" mit einem Fokus auf Familie, traditionelle Werte und orthodoxen Glauben. Er bezog in Bezug auf die Ukraine zudem pro-russische Positionen und verteidigte die faschistischen und antisemitischen Legionäre der „Eisernen Garde" der Zwischenkriegszeit und den Diktator und verurteilten Kriegsverbrecher Ion Antonescu (1882-1946).
In seiner ersten Reaktion nach der Wahl verglich Georgescu seinen unvorhergesehenen Wahlsieg mit dem Brotvermehrungs-Wunder im Neuen Testament und rief die Rumänen zur „vollkommenen Treue zu Jesus Christus" auf. Zudem bestritt der NATO- und EU-Kritiker jedoch, Extremist oder pro-russisch zu sein. „Wir bleiben den europäischen Werten verpflichtet, aber wir müssen uns unseren Familien, unseren Kindern, unseren Vorfahren verpflichtet wissen", sagte er am Montag auf Facebook.
Zwei orthodoxe Kandidaten
In der Vergangenheit war der Nachhaltigkeitsexperte unter anderem für die rumänischen Umwelt- und Außenministerien sowie den „Club of Rome" tätig. Von 2010 bis 2012 war Georgescu Sonderberichterstatter beim UN-Hochkommissariat für Menschenrechte für die Themen Menschenrechte und gefährliche Abfälle. Zugleich hatte er sich zur Freimaurerei bekannt. In den vergangenen Jahren rückte er zunehmend nach rechts und opponierte unter anderem gegen die Politik während der Covid-Pandemie.
Auch seine Herausforderin in der Stichwahl, die liberale Gegenkandidatin Elena Lasconi der Partei „Union rettet Rumänien", gehört der orthodoxen Kirche an. Die ehemalige Journalistin und studierte Wirtschaftswissenschaftlerin setzte im Wahlkampf vor allem auf das Thema Korruptionsbekämpfung. Bei der Abgabe ihrer Wahlunterlagen bekreuzigte sie sich demonstrativ. In einer ersten Reaktion nach der Wahl sagte die Politikerin am Montag, dass die Rumänen vor einem „existenziellen Kampf" um ihre Demokratie stünden. Sie müssten sich zusammenschließen, um einen rechtsextremen Kandidaten zu besiegen, der das Land zurück nach Russland und in die dunklen Tage der Diktatur drängen würde.
Kirche als Werbeort
Die deutsche Rumänien-Expertin Katja Plate gab der rumänisch-orthodoxen Kirche eine mögliche Mitverantwortung: „Sicher ist, dass in zahlreichen Kirchen und Klöstern seit Monaten Werbematerial für Calin Georgescu auslag", sagte die Büroleiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Bukarest am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Es ist bekannt, dass einzelne Bischöfe starke prorussische Tendenzen haben und auf Basis der Gemeinschaft der orthodoxen Kirchen für einen Schulterschluss der orthodoxen Bruderländer Rumänien und Russland werben." Während Patriarch Daniel immer wieder eine proeuropäische Haltung zeige, gelte dies nicht für den Synod, das Führungsgremium der Kirche. Dort dominieren laut Plate „traditionalistisch rechts-nationale Ansichten".
(kna – gs)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.