USA: Trump und das Dilemma der Katholiken
Stefan von Kempis - Vatikanstadt
In den ersten Stunden eigentlich gar keine – jedenfalls nicht vom offiziellen Katholizismus. Die US-Bischofskonferenz hat zunächst nicht offiziell auf das Wahlergebnis reagiert, was auch verständlich ist, solange noch Stimmen ausgezählt werden.
Doch hatten sich die Bischöfe im Wahlkampf überhaupt auffallend zurückgehalten. Der Theologe Massimo Faggioli, der an der Villanova University lehrt, deutete das so: „Es gibt das allgemeine Gefühl, dass das ein sehr heikler Moment ist und dass die katholischen Wähler sehr gespalten sind. Darum wollen die Bischöfe nicht zu politisch wirken, wollen nicht zu der verbreiteten Anspannung beitragen.“ In den umkämpften Bundesstaaten („swing states“) bevorzugten katholische Wähler nach den Umfragen Trump (50 Prozent) gegenüber Kamala Harris (45 Prozent); 68 Prozent dieser Katholiken gaben gleichzeitig an, die Bischöfe hätten wenig oder keinen Einfluss auf ihre Haltung.
Trump hat bei christlichen Wählern stark abgeschnitten
Nachwahlbefragungen von Fox News in Zusammenarbeit mit der Nachrichtenagentur AP zeigen, dass Trump bei christlichen Wählern landesweit stark abgeschnitten hat. Bei Katholiken erreichte er danach 54 Prozent, bei Protestanten sogar 60. Anders verhielt sich das bei jüdischen und muslimischen Wählern, die mehrheitlich für Harris gestimmt haben.
Gespalten wirkt, was die Haltung zur Politik betrifft, auch die US-Bischofskonferenz selbst. Das Dilemma bestand darin, dass Harris‘ Demokraten für ein „Recht auf Abtreibung“ eintraten und Trumps Republikaner für hartes Vorgehen gegen Migranten. Beides musste den Katholiken Bauchschmerzen bereiten, wie auch Papst Franziskus bei einer seiner „fliegenden Pressekonferenzen“ zu verstehen gegeben hat. Damit blieb eigentlich nur übrig, die Wähler auf ihr Gewissen zu verweisen.
Hauptstadt-Kardinal Wilton Gregory bezeichnete mit Blick auf den Wahlkampf den Schutz des menschlichen Lebens als „das grundlegende Thema“. Der New Yorker Kardinal Timothy Dolan befand, keiner der Kandidaten könne „die katholische Kultur des Lebens wirklich auf den Punkt bringen“. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Timothy Broglio, warnte wiederum vor einem Patriotismus, der „durch blinden Nationalismus entstellt“ werde.
Dass es keine einheitliche und deutlichere Stellungnahme der US-Bischöfe zum Wahlkampf gegeben hat, sehen viele in den USA als Versäumnis. Die New Yorker Moraltheologin Meghan Clark kritisierte, die vorsichtige Haltung der Bischöfe sei „dem Moment, den wir erleben, nicht angemessen“. „So etwas kann man kaum eine prophetische Kirche nennen“, urteilte auch Faggioli. So hätten die Bischöfe doch schon nach dem Sturm auf das Kapitol 2021 deutlich von der Bedrohung der Demokratie reden können.
(vatican news)
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