Bischof Franz-Josef Overbeck Bischof Franz-Josef Overbeck 

Bischof zu Asylstreit: „Kompromiss möglich“

Der deutsche Sozialbischof Franz-Josef Overbeck hält einen Kompromiss im Asylstreit zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer für möglich. Er erwarte „von allen Parteien, die Regierungsverantwortung haben“, Kompromissbereitschaft.

Das sagte Overbeck an diesem Samstag im Gespräch mit dem Kölner Domradio.

„Ich setze darauf, dass Politik immer möglich ist, wo es Kompromisse gibt. Und darauf, dass Kompromisse helfen, Politik möglich zu machen. Ich erwarte von allen Parteien, die Regierungsverantwortung haben, dass sie das tun. Ich hoffe, dass das auch jetzt der Fall ist, und ich glaube sogar, dass es notwendig ist.“

„Kompromisse sind nicht unbedingt faul“

Kompromisse seien ja nicht unbedingt „faule Kompromisse“, so der Bischof von Essen, der innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz für’s Soziale zuständig ist. Stattdessen sehe er Kompromisse als „das Erreichen des Möglichen“. Das erinnert an die Definition von Politik als der Kunst des Möglichen.

Merkel (CDU) und Seehofer (CSU) streiten derzeit vor allem über die Frage, ob Deutschland künftig Fremde an der Grenze abweisen soll, wenn sie schon in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben. Seehofer, dessen CSU sich im Herbst einer bayerischen Landtagswahl stellen muss, ist für das Abweisen an der Grenze, Merkel dagegen. Der Zwist könnte, wenn keine(r) nachgibt, zu einer handfesten Regierungskrise führen.

Wir sind heute in einer anderen Lage als Weimar

 

Der Publizist Andreas Püttmann verglich ebenfalls im Domradio den derzeitigen Populismus und das Erstarken rechten Denkens mit dem Ende der Weimarer Republik. Dazu sagte Overbeck:

Zum Nachhören

„Das Ende der Weimarer Republik begann ja schon 1930 auf demokratische Weise, weil sich die Parteien in einer kleinen Frage der Arbeitslosenunterstützung nicht einigen konnten. Was anschließend kam, hat natürlich gezeigt, dass die Gefahr groß ist.“

Doch „in einer solchen Lage“ sehe er Deutschland heute nicht.

„Aber wachsam muss man bleiben und dabei klar sagen: Demokratie hat mit Menschenwürde zu tun, mit dem Wert des Rechts und auch mit einem Sozialstaat. Und wenn ich diese Perspektiven in unserem Land anschaue, stehen wir an einer anderen Stelle als das Deutsche Reich 1930 bis 1933.“

„Andere Meinungen anhören“

Trotzdem: Die Frage bleibt, wie man mit den Populisten umgehen soll. Ignorieren? Auf sie zugehen? Sie stellen? Auch die Kirche sucht da noch nach einer Strategie.

„Wichtig ist, dass es in demokratischen Prozessen Diskussionen gibt, die davon ausgehen, dass ich eine Meinung sagen kann, die vernunftbegründet und argumentativ gestützt ist. Und darauf, dass ich die andere Meinung anhöre und mich gleichzeitig ähnlich argumentativ verhalte. Das ist mit Blick auf Populismus und Strömungen, die sich dieser fremdenfeindlichen Haltung bedienen, schwierig.“

Eine der großen Herausforderungen: die Angst

 

Auf der anderen Seite aber müsse man sich „der Realität stellen“, überlegt Bischof Overbeck. Und die Realität sieht – da zielt er auf die AfD – so aus: „Dass es Parteien gibt, die sich dieser Haltung befleißigen, aber immerhin von nicht wenigen gewählt werden, wie es in Deutschland der Fall ist - das aber unter demokratischen Prinzipien.“

Zum Wahrnehmen der Realität gehört auch, dass Parteien wie die AfD gewählt werden, weil sie die Ängste vieler Menschen aufgreifen.

„Ich glaube, die Angst ist in der Tat eine der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, weil Populismus nicht nur mit sogenannten Sachgründen zu hat - wie immer sie aussehen oder wie immer man sie bewertet - sondern auch mit Emotionen sowie der Frage nach Identität und Sicherheit. Und hierbei spielt Angst eine große Rolle. Man kann ihr am besten begegnen, indem man sich rechtsstaatlich verhält und auf einen Bürgersinn und Solidarität setzt.“

Und damit schlägt Bischof Overbeck noch einmal den Bogen zurück zum Ausgangspunkt, nämlich dem Streit um Migranten, um Flüchtlinge, um Asyl.

„Ich setze auf Bürgersinn“

„Wenn ich auf das schaue, was seit dem Herbst 2015 zur Bewältigung der Flüchtlingsherausforderung bei uns im Ruhrgebiet geschehen ist, weiß ich, dass die Solidarität der Kirchen - nicht nur der katholischen, auch der evangelischen - sehr geholfen hat, diesen von Angst regierten gefährlichen Strömungen zu begegnen. So einen Bürgersinn brauchen wir, und auf den setze ich. Auf den setze ich auch bei allen Parteien, die Verantwortung für das Gemeinwohl in unserem Staat übernehmen wollen, und zwar auf Dauer.“

Erneut wirbt der Essener Bischof in der Flüchtlingsdebatte um Sachlichkeit, um Menschlichkeit, um Kompromisse.

Wohin wollen wir als Gesellschaft?

 

„Wir müssen vor allen Dingen etwas für die Menschen in den Herkunftsländern tun, die vor immensen Herausforderungen stehen - ich denke an Afrika oder den Mittleren Osten -, damit in diesen Ländern auf Dauer verlässliche Politik gemacht werden kann. Ich glaube, es braucht für viele der Fragen Bündnisse, die über zwei oder drei Parteien hinausgehen. Die uns zusammen mit Bürgerinitiativen zeigen, wohin wir als Staat und als Gesellschaft wollen, um weiterhin in Sicherheit und in Frieden zu leben. Mir scheint, dass wir neu durchbuchstabieren müssen, warum Europa, warum die Demokratie im Sinne dessen, was wir jetzt 70 Jahre erleben, ein Friedensprojekt ist. Das zu unterstützen werden wir nicht müde, und ich glaube, dass wir als Kirchen eine ganze Menge dazu beitragen können.“

(domradio – sk)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

16. Juni 2018, 10:45