Thomas Sternberg bei einem Besuch in Rom Thomas Sternberg bei einem Besuch in Rom 

D: Kritik an „Durchstechen“ der Missbrauchsstudie

Fassungslos und ärgerlich: So kritisieren viele in der katholischen Kirche in Deutschland darauf, dass Teile einer von den Bischöfen in Auftrag gegebenen Missbrauchsstudie schon vor der Veröffentlichung in der Presse gelandet sind.

Von einem „Durchstechen“ sprach der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, an diesem Donnerstag im Gespräch mit WDR 5.

„Ich möchte einen Bericht nicht kommentieren, der noch nicht vorliegt – und der selbst den Bischöfen noch nicht vorliegt! Ich finde es schon schwierig, dass man in der Presse Dingen so vorweggreift, ohne dass man dazu wirklich Stellung nehmen könnte. Zu diesem Zeitpunkt kann ich nur sagen: Die Thematik ist natürlich beschämend und ganz schrecklich, vor allem das Leiden der Betroffenen… Aber zu Details des Berichtes, den auch ich nicht kenne, der aber hier offensichtlich in Teilen durchgestochen worden ist, möchte ich mich erst äußern, wenn das auch wirklich bekanntgegeben worden ist.“

[ Viel zu früh für Bewertungen ]

Am Mittwoch waren erste Befunde der Studie in den Medien, etwa auf Spiegel-online, aufgetaucht. Demnach gab es zwischen 1949 und 2014 insgesamt 3.677 Opfer sexueller Übergriffe von mindestens 1.670 Priestern. Mehr als die Hälfte der Betroffenen war zum Tatzeitpunkt jünger als 14 Jahre. Die komplette, 500 Seiten umfassende Studie wollen die deutschen Bischöfe am 25. September auf ihrer Herbstvollversammlung in Fulda präsentieren und ausführlich beraten.

Sternberg weigerte sich in dem WDR-Interview, jetzt schon Bewertungen zu den ersten bekanntgewordenen Zahlen vorzunehmen.

Zum Nachhören

„Ich halte das alles für viel zu früh. Und bereits jetzt mit Vorwürfen zu operieren über einen Bericht, von dem ich zunächst einmal sage: Ich finde es sehr, sehr gut, dass die Kirche sich diesem Thema gestellt und diesen Bericht in Auftrag gegeben hat… Ich habe den Eindruck, dass ein Problem auch darin liegt, dass man solche Dinge auch sehr stark unter dem Gesichtspunkt gesehen hat, das seien innerkirchliche Fragen und innerkirchliche Probleme, die auch innerkirchlich zu sanktionieren sind. Nein – das sind natürlich Straftaten, die auch in ein normales strafrechtliches Verfahren gehören!“

Sternberg: Prävention hat sich deutlich verbessert

 

Wenn der Bericht – beziehungsweise das, was jetzt vorab bekannt werde – den Eindruck erwecken sollte, die katholische Kirche in Deutschland habe ihre Hausaufgaben in Sachen Missbrauchs-Aufarbeitung und –Prävention noch nicht gemacht, dann ist dieser Eindruck falsch, glaubt Sternberg.

„Das ist ja das Positive an diesem sehr, sehr schmerzlichen Prozess, dass es zumindest eine deutliche Prävention gibt, dass alle Männer und Frauen, die in der katholischen Kirche mit Jugendlichen arbeiten, sich inzwischen ausführlichen Ausbildungen und Prüfungen unterziehen müssen. Das ist schon sehr viel passiert, und ich habe die Hoffnung, dass diese schrecklichen Dinge, die da jetzt zutage treten, dazu führen, dass man künftig so etwas verhindert und vermeidet.“

Zölibat und Missbrauch: Die Themen darf man nicht vermischen

 

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken äußert sich immer wieder kritisch zum Pflichtzölibat für Priester. Allerdings bekräftigt Sternberg, Zölibat und Missbrauch hingen aus seiner Sicht nicht miteinander zusammen.

„Ich glaube nicht, dass man diese beiden Themen so miteinander vermischen sollte. Ich bin auch nicht ganz sicher, ob nicht auch in anderen Systemen unseres Landes und der Gesellschaft da noch schreckliche Dinge hochkommen werden, wenn man sich einmal wirklich mit der Thematik des Missbrauchs beschäftigt. Es ist ja nicht so, als wäre die Missbrauchsfrage eine rein kirchliche Frage. Nur ist es hier jetzt eben in einem fraglos sehr schmerzhaften Prozess aufgearbeitet worden. Und da jetzt zu spekulieren, woran es liegen könnte… Ich halte den Kurzschluss, dass ein Leben als Single dazu führt, dass man Kinder missbraucht, für geradezu grotesk unsinnig!“

150 Jahre ZdK

 

Ausdrücklich begrüßt Sternberg die von Papst Franziskus am Mittwoch für Februar angekündigte Konferenz aller Bischofskonferenzen zum Thema Missbrauch. „Wir haben diese Skandale jetzt in vielen Ländern hintereinander gehabt. Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, dass sich diese Weltkirche sehr klar diesem Problem noch einmal stellt.“

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken feiert an diesem Donnerstag in Bamberg sein 150-jähriges Bestehen – übrigens in einer profanierten Kirche. Er hoffe, das sei „kein Menetekel“, scherzte Sternberg in einem weiteren Gespräch mit dem Kölner Domradio.

(wdr-5/domradio – sk)
 

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13. September 2018, 10:50