Vor dem Kölner Dom am letzten Silvestertag Vor dem Kölner Dom am letzten Silvestertag 

D: Laien, die Pfarreien (mit)leiten

Das Erzbistum Köln will neue Formen der Gemeindeleitung einführen. Sogenannte „Teams von Verantwortlichen“ mit gefirmten Männern und Frauen sollen diese Rollen übernehmen.

Ein interessantes Modell, das Laien mehr Verantwortung gibt. Aber wie weitreichend sind die Entscheidungen, die ehrenamtliche Katholikinnen und Katholiken künftig treffen dürfen?

Markus Bosbach ist der Leiter der Hauptabteilung Seelsorgebereiche und stellvertretender Generalvikar im Erzbistum Köln. Im Gespräch mit dem Domradio sagt er gleich vorneweg, das Konzept sei ja noch gar nicht fertig, sondern gehe gerade „in eine weitere Entwicklungsphase“.

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Noch am Anfang eines Weges

Aber natürlich hätte man das gerne noch etwas konkreter. Denn es geht ja nicht nur darum, wer den Schlüssel für die Kirche hat, oder? Bosbach: „Wer den Schlüssel hat, ist schon eine ganz wichtige Frage, denn da fängt es an. Das Konzept, das jetzt angedacht ist, wäre zum Tod verurteilt, wenn es vor Ort zu solchen Machtkämpfen käme: Wer darf jetzt den Schlüssel haben? Es ist ganz wichtig, dass die, die Verantwortung übernehmen, auch wirklich Zugang zu den Ressourcen haben.“

Aber natürlich gehe es um viel mehr: „Es geht darum, dass Getaufte und Gefirmte eine wirkliche Mitverantwortung übernehmen, dass Seelsorge und kirchliches Leben an einem Ort weitergeht und dass die Dinge, die wesentlich zur Kirche dazugehören, auch weiter leben dürfen. Das ist zum Beispiel die Sorge für die Kranken und für die Armen. Das ist die Sorge um die Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation. Das ist die Sorge darum, dass Menschen sich auch zum Gebet und zum Gottesdienst versammeln können.“

Pfarrer hat auch künftig das letzte Wort

Bislang ist es so, dass in Pfarreien der Pfarrer das letzte Wort hat. Wie würde das wohl bei diesem neuen Modell aussehen? Bosbach weist darauf hin, dass der Pfarrer auch im neuen Modell der Leiter einer Ebene bleibt. „Das ist im Erzbistum Köln im Moment der Seelsorgebereich. Das hat unser Erzbischof auch sehr klargestellt: Mit dem Pfarreramt ist die Letztverantwortung verbunden. Aber schon heute lebt ja kein Pfarrer eigentlich sozusagen aus einer letzten Autorität seinen Dienst, sondern immer mit vielen zusammen.“

Diese vielen Hauptamtlichen aber werden, so sagt Bosbach, im Moment „einfach hin und her gerissen und auch oft zerrissen, weil von ganz vielen Seiten an ihnen gezogen wird“.

„Sie sollen nach wie vor für alles verantwortlich sein. Das ist einfach ein Modell, das so nicht weitergeht. Dort wo Getaufte und Gefirmte Verantwortung übernehmen werden – in einem Ort, in einer Pfarrei oder in einem Bereich – wird sich auch Leben entfalten können. Wo Getaufte und Gefirmte eine solche Verantwortung nicht übernehmen werden, wird dann auch möglicherweise kein kirchliches Leben mehr sein können.“

„Natürlich müssen wir auch Wege finden, wie jemand wieder aus so einer Verantwortung herauskommen kann“

Das hört sich, nur mal nebenhin bemerkt, fast schon wie eine Drohung an… Angedacht ist, die betreffenden Personen für vier Jahre zu ernennen – mit der Möglichkeit der Verlängerung um weitere vier Jahre. Aber wie verbindlich wäre so eine Aufgabe? Was passiert zum Beispiel, wenn ein Ehrenamtlicher auf einmal keine Zeit mehr hat, weil er zum Beispiel einen Job annimmt?

Bosbach: „Die vier Jahre und die Verlängerungsmöglichkeit sind jetzt mal ein Vorschlag. Auch das wird weiter diskutiert werden. Natürlich müssen wir auch Wege finden, wie jemand wieder aus so einer Verantwortung herauskommen kann, wenn er sich dem nicht gewachsen fühlt oder sich die äußeren Bedingungen geändert haben. Vielleicht gibt es auch Konflikte in einem solchen Team von Verantwortlichen, die dazu führen, dass man nochmals gemeinsam nachdenkt, wie dieses Team am besten zusammengesetzt sein sollte.“

Es braucht Verlässlichkeit

Die Beauftragung für vier Jahre solle – so ist jedenfalls der bisherige Gedankengang - denen, die als Team eine Verantwortung übernehmen, auch ein Stück Sicherheit geben, was sie in dieser Zeit gestalten und angehen können. „Damit sie nicht ständig mit der Gefahr leben: Für das, was ich jetzt mache, kann ich sofort abgerufen werden. Das hat eine Verlässlichkeit – und die braucht es auch, wenn man so einen Dienst übernimmt.“

Bislang gibt es professionelle Mitarbeiter der Seelsorge, und es gibt ehrenamtlich Engagierte. Werden mit dem neuen Modell die Grenzen verschwimmen, und werden Gemeindemitglieder mit Leitungsaufgaben nicht womöglich überfordert sein? Der Monsignore hält diese Sorgen für berechtigt – jedenfalls wenn man Leitung so verstehe wie bisher.

Keine Allzuständigkeit

„Wenn es darum geht, eine Allzuständigkeit zu haben, dann ist das für jeden eine Überforderung – auch heute schon für Hauptamtliche. Es geht am Ende darum, dass wir alle einen Rollenwechsel lernen müssen. Auch zukünftig wird Hauptberuflichkeit in der Kirche anders aussehen. Das Profil etwa von Priestern, Diakonen, Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten wird sich auch weiter verwandeln.“

Und genauso müssten Teams von Verantwortlichen auch eine Rolle finden und in sie hineinwachsen, findet Bosbach. „Dabei darf es nicht zur Überforderung kommen, dann wäre irgendwas falsch gelaufen. Sondern es lebt aus der Bereitschaft der Getauften aus ihrem eigenen geistlichen Leben heraus, Verantwortung für die Kirche zu übernehmen. Wenn das zu einer quasi Hauptberuflichkeit führt, dann wäre in dem Konzept irgendwas schief.“

„Warum machst du das? Warum tust du das, was treibt dich da an?“

Im Erzbistum Köln wie anderswo werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Katholikenzahlen dramatisch sinken. Darum will das Erzbistum in die Offensive gehen, sich als missionarische Kirche neu aufstellen. Und dazu wären solche Teams von Verantwortlichen wohl ein erster Schritt.

„Wir setzen bei den Überlegungen zu einem solchen Modell auf Menschen, die eine geistliche Ausstrahlungskraft haben. Sie sind nicht nur einfach Funktionsträger, die irgendwelche Funktionen erfüllen, damit der Laden weiterläuft, sondern sollten glaubwürdig sein und eben eine geistliche Ausstrahlung haben, die andere anspricht. Im besten Fall erkundigen sich dann Menschen: Warum machst du das? Warum tust du das, was treibt dich da an? So geschieht, glaube ich, Mission heute: Indem einfach Menschen überzeugt und überzeugend leben und das in einer Gemeinschaft tun, die dann einladend attraktiv für Menschen ist, die auf der Suche sind.“

Gegen ein Festbetonieren von Ist-Zuständen

Es geht jedenfalls nicht darum, einfach nur „alle Funktionen am Leben zu erhalten, damit sich möglichst nichts ändert“, sagt Bosbach. Wenn das Konzept darauf aus wäre, dann wäre es aus seiner Sicht „völlig verfehlt“.

„Dann wäre das, was am Ende rauskommt, nur ein Festbetonieren von Ist-Zuständen und wir würden die Augen zumachen davor, dass wir eigentlich in die Bedeutungslosigkeit verschwinden. Der Kardinal hat einmal sehr schön gesagt: Wenn wir nicht mehr daran glauben, dass wir eine Kirche im Wachstum sind, dann haben wir uns schon selbst aufgegeben.“

(domradio/vn – sk)
 

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04. Juni 2019, 10:32