Auch Bern leidet unter der Hitze Auch Bern leidet unter der Hitze 

Schweiz: Mit dem Besen die Missstände auskehren

Mit einer Kundgebung in Bern haben Katholiken ein „Zeichen gegen Missbrauch“ gesetzt. Die Theologin Doris Reisinger-Wagner kritisierte die autoritären Strukturen und verglich die Gefühle der Protestierenden mit „Liebeskummer“.

Knapp 100 Personen hatten sich an diesem heißen und sonnigen Samstag auf dem Berner Helvetiaplatz eingefunden. Viele von ihnen hatten einen Besen dabei, wozu das organisierende Aktionsbündnis „Zeichen gegen Missbrauch“ aufgerufen hatte. „Der Besen steht für das Saubermachen, das Auskehren“, erläuterte die Theologin Veronika Jehle im Lauf der Veranstaltung.

Ins Reine zu bringen gibt es aus Sicht der Organisatoren so einiges: Opfer von Missbrauch sollen volle Akteneinsicht erhalten, jede Form von Missbrauch soll auch kirchenrechtlich unter Strafe gestellt werden, es soll strikte Vorgaben bezüglich Meldepflicht geben.

Strukturen ändern

Nach Ansicht der Organisatoren bliebe das alles aber Symptombekämpfung, wenn man nicht auch auf struktureller Ebene ansetzt. So seien Änderungen beim Amtsverständnis und den Zulassungsbedingungen zum Priesteramt nötig. Sie fordern weiter die Gleichberechtigung aller Gläubigen.

Bernd Siemes vom organisierenden Aktionsbündnis sagte gegenüber kath.ch, Auslöser für die Kundgebung sei die Gleichgültigkeit gewesen, die man seitens Rom erlebe. Das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle wie im Dok-Film „Gottes missbrauchte Dienerinnen“ seien unerträglich gewesen.

Treffen mit Nuntius im August

Die Kundgebung richtet sich laut Siemes primär an den Vatikan, weniger an die Schweizer Bischöfe. Denn zum Thema Missbrauchsprävention werde in der Schweiz schon viel gemacht. Den Ort der Kundgebung auf dem Berner Helvetiaplatz wählten die Veranstalter nach eigenen Angaben bewusst in nächster Nähe zur Nuntiatur, also der diplomatischen Vertretung des Papstes in der Schweiz.

Nuntius Thomas E. Gullickson wollen die Organisatoren denn auch am 20. August die von Unterstützern unterzeichneten Forderungen persönlich übergeben. Den Nuntius habe man auch persönlich an die Kundgebung eingeladen. „Er ist schon in den Ferien“, sagt Siemes. Bei der Kundgebung gaben die Organisatoren bekannt, dass derzeit rund 300 Unterschriften zusammen gekommen seien.

Totalitäre Strukturen


Die aus Dokfilmen zum Thema bekannt gewordene Doris Wagner sagte in ihrer Ansprache, die Strukturen der katholischen Kirche hätten Ähnlichkeit mit einem totalitären Regime. „Denn unsere Möglichkeiten, uns auf formalem Wege zu wehren, gehen gegen Null.“ Es gebe in dieser Kirche kein Parlament, keine offenen Debatten, keine wirklich freie theologische Forschung. Es gebe keine transparenten Verfahren und Gesetzgebungsprozesse, keine unabhängigen Kirchenrichter oder -anwälte, keine Untersuchungsausschüsse, keine Kontrollinstanzen und keine Amtsenthebungsverfahren.

Was die Menschen betreffe, die in diesem Rahmen Kritik übten, so müsse man von „Liebeskummer“ sprechen. Man wolle die Kirche nicht zerstören, sondern sie gerecht machen. Die Kundgebung haben Theologen aus dem Kanton Zürich initiiert.

(kath.ch – sk)
 

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30. Juni 2019, 12:51