Bischof Oster: Über Proteste, Schulschwänzer und christliche Gelassenheit
Vatican News: Herr Bischof Oster, Sie sind am 20. September bei FFF mitgelaufen und am 21. September beim Marsch für das Leben. Das kam nicht überall so gut an. Erzählen Sie doch mal von den Reaktionen…
Bischof Oster: Bei FFF gibt es natürlich viel Widerspruch und den Verdacht, die Kirche ließe sich da vereinnahmen oder instrumentalisieren, sie springe auf eine links-grüne Bewegung auf, die die Kirche nur benutzen will. Das kam von der eher konservativen Seite. So war etwa von der CSU hier öffentliche Kritik zu hören. Allerdings auch nicht durchgehend, es gab auch aus ihren Reihen positive Reaktionen.
Beim Marsch für das Leben war es natürlich genau andersrum. Da gehen tendenziell eher konservative Christinnen und Christen mit, aber eben auch – das kriegt dann einen Drall in die politisch rechtslastige Ecke – bekannte AfD-Leute, die das Thema offenbar für sich entdeckt haben und besetzen. Das heißt, meine öffentliche Wahrnehmung oder das öffentliche Urteil vor allem in den stark polarisierenden Internetforen läuft dann irgendwo zwischen linksradikaler Ökofaschist oder Nazi. (lacht) Das ist die ganze Spannbreite, die sich dann in emotionalisierenden und radikalisierenden Netzreaktionen deutlich macht.
Allerdings muss ich auch ehrlich sagen: Es gab auch viel positive Rückmeldung für beides. Die Leute haben durchaus gesehen: Der Bischof geht mit den jungen Leuten, weil die das ökologische Anliegen „Laudato Si“ teilen und er setzt sich für den Lebensschutz ein und macht deutlich, dass Umwelt- und Lebensschutz zusammengehören.
Nochmal zurück zu den kritischen Stimmen. Eine hat gesagt „Ein Bischof hat sich aus der Politik herauszuhalten“. Was halten Sie von dieser Aussage?
Ich gelte ja gemeinhin als jemand, der sich nicht so oft in die Politik einmischt, sondern eher einen theologischen oder spirituellen Akzent hat, und mancher wünschte sich da vielleicht mehr Engagement. Meine Position dazu ist: Wo es wirklich um grundsätzliche Themen geht, die uns betreffen – und da gehört ja die Bewahrung der Schöpfung und der Lebensschutz fundamental dazu – da gehe ich gerne mit oder setze mich ein, ohne mich in konkrete tagespolitische Detailfragen einzumischen.
Das Mittel, das von den beiden Veranstaltungen gewählt wird, ist ja der Protestzug. Wieso halten Sie das für ein richtiges und gutes Mittel?
Sagen wir mal so, ich werde da jetzt nicht jedes Mal mitgehen, aber ich bin natürlich auch gefragt worden bei den FFF-Leuten, ob ich zum Beispiel diesen Schulboykott am Freitag gutheißen kann. Jeder, der gegen Regeln oder gegen Ordnungen in diesem Land verstößt mit einem guten Grund, muss das letztlich aus Gewissensgründen tun – und hat dann auch für die Konsequenzen einzustehen. Da bin ich auch der Meinung, dass die Schüler ihre Entscheidung tragen müssen.
Aber ich bin sicher, dass sie mit eben diesem Akzent das Thema großgemacht haben und der Politik deutlich machen konnten – das haben wir ja an den letzten Wahlergebnissen gesehen – dass das ein dringendes Anliegen ist. Und unsere Regierungen rücken jetzt auch aufgrund dieses Protestes das Thema weiter nach vorne auf die Agenda. Und das halte ich für richtig und gut insgesamt.
Der neu ernannte Kardinal Jean-Claude Hollerich hat vor seiner Ernennung noch gesagt, er habe aufgrund der FFF-Bewegung seinen Alltag umgemodelt. Er verzichtet jetzt auf Plastikflaschen hat seine Kaffeemaschine gewechselt und isst nur noch zweimal in der Woche Fleisch. Was denken Sie, welche konkreten Aktionen könnte die Kirche zum Klimaschutz noch umsetzen?
Wir tun ja schon viel beim Thema Einkauf, beim Thema energetisches Bauen, beim Thema Nutzung unserer landwirtschaftlichen Flächen. Wir haben den Anführer bei uns: Papst Franziskus, der mit „Laudato Si“ da viel gesagt hat, viel Wichtiges beigebracht hat. Wir haben sicherlich auch noch Verbesserungsbedarf, auch jeder Einzelne, keine Frage.
Aber ich glaube andererseits auch, dass es wichtig ist, nicht in Panik zu verfallen – gerade wir als Christinnen und Christen. Wir haben die Gelassenheit und den Glauben, dass Gott der Herr ist und dass er auch am Ende das Schicksal dieses Planeten mit in der Hand hält. Das heißt, wir fallen nicht automatisch ins Bodenlose und ins Leere – wir fallen immer in die Hände Gottes.
Ich glaube, auch Gebet ändert Atmosphäre, ändert vor allem die Herzen der Menschen für das Anliegen der Bewahrung der Schöpfung. Deswegen glaube ich, wenn ein Christ wirklich zum Glauben an Gott, an Christus, findet, geht er automatisch anders mit dem Nächsten um, mit der Schöpfung und natürlich mit Gott. Also ist es beides: Das Anliegen ist dringlich, wir sind aufgerufen zu handeln. Andererseits dürfen wir auch in der Gelassenheit des Glaubens weitergehen.
Das Interview führte Tobias Gayer.
(vatican news)
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