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P. Hagenkord: So erlebe ich den Synodalen Weg

Unser früherer Redaktionsleiter, Jesuitenpater Bernd Hagenkord, ist Geistlicher Begleiter des Synodalen Wegs. Wir fragten ihn nach seinen Eindrücken von der ersten Synodalversammlung, die von Donnerstag bis Samstag in Frankfurt zusammengetreten ist.
Hier zum Nachhören

Radio Vatikan: Zum Synodalen Weg gab’s schon im Vorfeld eine heiße Debatte mit so mancher Emotionen - Angst, Sorge, Hoffnung und Gestaltungswillen. Wie hast du die Stimmung jetzt bei diesem ersten großen Treffen erlebt, auch jenseits des offiziellen Programms?

Hagenkord: „Die Stimmung war gut, fand ich! Dafür, dass die Gruppe sich ja nicht kennt, sich auch nur selten trifft und demokratische Verfahren ja nicht unbedingt selbstverständlich sind in kirchlichen Abläufen, war die Stimmung sehr gut. Aber auch angespannt, das schon – weil wir natürlich wissen, um was es geht. Dass es nicht irgendwelche Nebenthemen, sondern Hauptthemen sind, die wir besprechen. Doch bei aller Anspannung (oder Störung, die es auch gab) oder nicht so guten Situationen insgesamt: eine sehr gute Veranstaltung, ein sehr guter Auftakt.“

„Die Arbeit fängt erst an“

Radio Vatikan: Laut Programm wurden ja die vier Themenfelder Gewaltenteilung, Sexualmoral, Priester und Frauen vorgestellt. Was wurde dazu gesagt?

Hagenkord: „Zunächst einmal wenig. Es ging um die Vorstellung der Vor-Papiere. Es gab ja Vorarbeiten, die aber nicht bindend sind, sondern eben Vorarbeiten – die wurden vorgestellt. Dann wurden die ganzen Kommentare vorgelesen, die aus dem Internet kamen; es gibt auf der Seite synodalerweg.de ja die Möglichkeit, sich selbst dazu zu verhalten, und das hat Einfluss, das wurde eingebunden. Außerdem gab es eine kleine Aussprache. Doch die eigentliche Arbeit beginnt zu diesen Themenfeldern erst, da gab es noch nicht so viel Input.“

„Die Themen Missbrauch und Verwaltungsgerichtsbarkeit laufen parallel zum Synodalen Weg“

Radio Vatikan: Auch gab es zwei Berichte zu den Themen Missbrauchsaufarbeitung und Entschädigung und zum Thema Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Was ist dabei herausgekommen?

Hagenkord: „Das waren vor allem Informationsveranstaltungen. Die Themen Missbrauch und Verwaltungsgerichtsbarkeit laufen ja parallel zum Synodalen Weg – das sind Ergebnisse der MHG-Studie zum Thema Missbrauch wie der Synodale Weg auch, aber es sind eigene Prozesse. Damit die aber nicht nebeneinander herlaufen, wurden sie hier vorgestellt und wurde erklärt, was geplant ist. Damit man voneinander weiß, sozusagen. Also, viele Debatten gab’s noch nicht, außer dass wir jetzt genauer wissen, was die anderen machen, was Bischof Ackermann weiterhin plant, was die nächsten Schritte sein werden… und vor allem, was die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit angeht. Das ist jetzt nicht das wildeste, das interessanteste Thema, aber wahnsinnig wichtig, wenn es darum geht, Rechenschaft einzufordern.“

„Schon die halbe Miete“

Radio Vatikan: Inwieweit wurde bei der ersten Synodalversammlung überhaupt auch schon inhaltlich gearbeitet?

Hagenkord: „Es wurde inhaltlich gearbeitet in dem Sinn, dass die Gruppe sich gefunden hat. Dass der Weg sich gefunden hat. Und die Art und Weise, wie gearbeitet wird, sich gefunden hat. Das ist ja sozusagen schon die halbe Miete. Wir sind aber noch nicht so weit, dass wir inhaltlich sagen könnten: Wir sind für dieses und gegen jenes. Aber wir wissen jetzt, wie wir etwas verhandeln, wie wir darangehen, wie wir Vorlagen machen usw. Das klingt alles fürchterlich, aber ist ganz, ganz wichtig auf dem Weg zu stabilen und belastbaren Ergebnissen.“

„Eine fast natürliche Männerlastigkeit“

Radio Vatikan: Wenn man sich die Zusammensetzung der Synodalversammlung ansieht, fällt auf, dass nur ein Drittel Frauen drinsitzen. Wie bewertest du das? Repräsentiert das tatsächlich die katholische Landschaft?

Hagenkord:
„Die Veranstaltung ist nicht repräsentativ in dem Sinn ‚ein Mensch, eine Stimme‘, wie wir das aus der Demokratie kennen, sondern will die ganze Bandbreite der katholischen Kirche abbilden. Und da ist es eben so, dass man sagt: Wir wollen alle Entscheider mit drinhaben! Das sind also alle Bischöfe, zum Beispiel; dazu Priester, Diakone, Generalvikare. Das heißt: Es gibt eine fast natürliche Männerlastigkeit. Wenn es um Entscheidungen in der Kirche geht, dann ist das im Augenblick so. Das kann man ändern wollen, aber wir beginnen bei der Realität, und die sieht im Augenblick so aus.

Es ist aber nicht so, dass man das merken würde. Also, wenn man sich die Wortmeldungen ansieht, ist es eben nicht so, dass das Zweidrittel/Eindrittel ist, sondern die Frauen melden sich sehr klar zu Wort. Man merkt überhaupt nicht, dass sie aus einer zahlenmäßigen Minderheitenposition sprechen. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang – es freut mich sehr, dass das so sein kann: dass man nicht erst auf Bischöfe schielt, bevor man sich meldet.“

„Die haben sich richtig Mühe gegeben“

Radio Vatikan: Eine Aufgabe bei der ersten Synodalversammlung war ja die Besetzung der Synodalforen, die die Themenfelder im Laufe des SW weiter erarbeiten – wie ist die ausgefallen? Welche Anteile Geweihte-Nichtgeweihte, Männer-Frauen, Jugendvertreter etc.? Sind einige Mitglieder der Vor-Foren mit drin, oder gab es große Überraschungen? Wie empfindest du die Verteilung in den einzelnen Foren?

Hagenkord: „Das zu beantworten, ist ein bisschen problematisch für mich, weil ich die meisten ja nicht kenne. Ich war ja zehn Jahre im Vatikan, darum kenne ich viele Menschen hier nicht. Aber die Besetzung ist vorgestellt worden – die Art und Weise, wie besetzt wurde, möglichst paritätisch, Ost und West, jung und alt, Mann und Frau… Die haben sich richtig Mühe gegeben, und im Prinzip sieht das auch ganz gut aus. Das Problem ist nur, dass man sagt: ‚Mehr als 35 Leute in so einem Forum? Dann ist es nicht mehr arbeitsfähig, dann kommt nichts Sinnvolles mehr dabei heraus.‘ Das bedeutet aber, dass nicht alle, die in der Synodalversammlung sind, in ein Forum können! Und das ist natürlich ein Streitpunkt. Es lässt sich nicht lösen, aber es hat natürlich für ein bisschen Unruhe gesorgt. Mal sehen, wie man vielleicht Formen findet, die anderen auch mit einzubinden…“

„Unsere Aufgabe war es, immer wieder mal Stopp zu sagen“

Radio Vatikan: Du bist einer der beiden offiziellen geistlichen Begleiter beim SW. Welche Impulse hast du in dieser Rolle in die erste Synodalversammlung einbringen können?

Hagenkord: „Wir haben es ‚EinHalt‘ genannt. So eine Veranstaltung muss auch mal stoppen; sie muss innehalten und gucken, was passiert – und was das mit Gott zu tun hat, mit Kirche und mit Glauben. Wenn eine Debatte erst einmal galoppiert, dann fallen solche Dinge oft zur Seite weg. Das heißt: Unsere Aufgabe war es, immer wieder mal Stopp zu sagen. Zu sagen: Okay, jetzt erstmal durchatmen, die Schultern schütteln – und auch mal sehen, dass man das Ganze Gott hinhält, jeder persönlich... Dass man auch mal betet…

Die meisten Rückmeldungen waren positiv. Ich nenne das eine Weitung: andere Dinge einmal mit einzubeziehen. Nicht nur auf Argument und Gegenargument zu hören, sondern auch auf Geist, auf Kirche, auf mich selber, auf den Anruf Gottes. Und zu überlegen: In welche Richtung kann das hier gehen, mit uns und mit Gott? Das war, glaube ich, ein guter Bestandteil dieser ersten Vollversammlung. Vielleicht sollten wir noch einmal überdenken, wie wir es genau machen (wir wollen ja auch lernen), aber insgesamt war das für mich persönlich und auch für meine Begleiterin eine sehr, sehr gute Erfahrung.“

„Der Weg ist zwar nicht das Ziel – aber der Anfang ist gemacht“

Radio Vatikan: Was sind weitere Ergebnisse dieses ersten großen Treffens?

Hagenkord: „Dass wir einen guten Anfang gemacht. Der Weg ist zwar nicht das Ziel – aber der Anfang ist gemacht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das finde ich schon ganz beachtlich…“

(vatican news – sk)

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01. Februar 2020, 16:12