Schönborn: Kirchliche Entscheidungen kein Kniefall vor Regierung
„Sie waren getragen von der gemeinsamen Verantwortung für das Wohl unseres Landes, um eine Explosion der Pandemie zu vermeiden“, so Schönborn.
Das sei von manchen Gläubigen nicht so gesehen worden. Dies gelte aber nicht nur für die Kirche, sondern generell in der Gesellschaft. Schönborn: „Es gibt natürlich Gruppen, die finden, die Maßnahmen waren übertrieben, es war alles nicht so schlimm, es hätte alles nicht so drastisch zurückgefahren werden müssen.“
Hinterher sind alle schlauer
Die Gegenfrage laute freilich: „Wie sähe es aus, wenn der exponentielle Anstieg der Infektionen weitergegangen wäre? Wie sähe es aus, wenn das Gesundheitssystem einfach zusammengebrochen wäre? Wie sähe es aus, wenn man hätte beginnen müssen, wie das in anderen Ländern der Fall war, zu selektieren und manche Personen nicht mehr zu handeln?!“
Im Nachhinein sei es leicht zu sagen „Warum habt ihr so rigoros gehandelt?“. Aber, so der Kardinal: „Das ist nicht der Geist der Dankbarkeit und auch nicht der Achtsamkeit und der Wertschätzung.“ Er sprach damit jene sieben Grundhaltungen an, die die heimischen Bischöfe in einem neuen als wegweisend für eine gute Zukunft des Landes sehen: Dankbarkeit, Verbundenheit, Solidarität, Wertschätzung, Achtsamkeit, Lebensfreude und Vertrauen.
Kirchliche Hausaufgaben
Relativ gut gelungen sei im Krisenmodus sicherlich die Intensivierung der digitalen Präsenz, vor allem auch im Blick auf die Gottesdienste, sagte Schönborn im Rückblick auf die vergangene Zeit. „Ich habe das selber erlebt mit Hunderten Gläubigen, die täglich an der Übertragung des Gottesdienstes aus der Andreas-Kapelle im Erzbischöflichen Palais teilgenommen haben. Es hat viele positive Echos gegeben“, so der Kardinal.
Viele Gemeinden würden das Live-Streaming in der einen oder anderen Form beibehalten, zeigte sich Schönborn überzeugt. Und das gelte auch für die Messübertragungen aus der Andreas-Kapelle. Zwar werde man mit der derzeitigen Übertragungsform mit Pfingsten aufhören, „aber ich überlege schon, ein einfaches System einzurichten, mit dem relativ leicht und nicht mit so großem Aufwand wie jetzt Gottesdienste auch aus der Bischofskapelle übertragen werden können“.
Wichtig sei jetzt für die Kirche, ganz grundsätzlich aus den Erfahrungen der Krise zu lernen, und zwar ohne Überstürzung und Übereilung. Schönborn: „Es geht jetzt nicht darum, einfach selbstverständlich dort anzuknüpfen, wo wir vorher waren. Natürlich, der Gottesdienst wird wieder der Gottesdienst sein. Die Pfarrgemeinden werden wieder die Pfarrgemeinden sein. Aber wir müssen uns auch hinsetzen im Gebet, im Gespräch und fragen: Was haben wir jetzt gelernt? Was ist wirklich wichtig in einer solchen Situation? Was ist unsere Aufgabe als Christen in einer Gesellschaft, die jetzt - und das betrifft uns alle - durch eine schwierige Zeit gehen wird? Was ist da unsere Aufgabe als Christen?“
Obwohl es noch lange keine fertigen Erkenntnisse gibt, wollte Schönborn doch schon einige Anknüpfungspunkte nennen. Neben der Digitalisierung sei dies etwa auch die Intensivierung der Hauskirche. „Und wir haben auch gelernt, und das ist ein wichtiger Punkt, dass das Gebet und Stille uns einfach gut- und nottun.“ Für viele Menschen habe sich zudem das Leben verlangsamt. „Und diese Entschleunigung sollten wir nicht einfach wieder verlieren.“
Weitere Punkte: Freier Sonntag und Nein zur Sterbehilfe
Schönborn bekräftigte im Kathpress-Interview auch einmal mehr den Wert des freien Sonntags. Ohne gemeinsame freie Zeiten werde der Zusammenhalt der Gesellschaft sehr geschwächt. Zur immer wieder aufkommenden Debatte um aktive Sterbehilfe sagte er wörtlich: „Wir haben nach wie vor in Österreich einen Konsens aller Parlamentsparteien, dass der Weg den Österreich geht, der Weg der Palliative Care ist, also der Sterbebegleitung, aber nicht der aktiven Sterbehilfe.“ Das Wort von Kardinal Franz König sei nach wie vor maßgeblich: „Der Mensch muss an der Hand eines anderen Menschen sterben können und nicht durch die Hand eines anderen.“
Zum Neustart in der österreichischen Gesellschaft brauche es nun sehr viel Gespräch, „sehr viel Verbundenheit im Politischen, im Sozialen, im Gesellschaftlichen, auch über die nationalen Grenzen hinaus“. Schönborn unterstrich in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der EU: „Wir merken alle, dass dieses einzigartige Friedens- und Zivilisationsprojekt der europäischen Integration notwendig ist, weil wir allein als einzelne Nationen die Schwierigkeiten nicht bewältigen können.“
Solidarität statt Abschottung
Während des Corona-Lockdowns habe man erfahren können, „was für ein Privileg es ist, in einem funktionierenden Sozialstaat zu leben, in einem Land mit einem leistungsfähigen Gesundheitssystem. Und wie kostbar es ist, dass wir eine gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Sozialpartnerschaft haben“. Und gerade jetzt im Kampf gegen die stark gewachsene Arbeitslosigkeit „wird der Geist der Solidarität entscheidend sein für den Neustart“. Zu diesem Geist der Solidarität gehöre aber auch das Bemühen um Flüchtlinge, so Schönborn. Abschottung sei für Österreich kein Weg.
(kap – sk)
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