D: Sterbehilfe - „eine prekäre Situation“
Ehrlich gesagt, klingt das Thema in Zeiten von Corona, in denen wir uns alle schützen, ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Ärzte und Kliniken hatten alle Hände voll damit zu tun, Menschen zu retten. Aber Sterbehilfe ist in Deutschland faktisch seit einem halben Jahr nicht mehr verboten, jedenfalls unter bestimmten Bedingungen. Professor Lob-Hüdepohl sagt, dass das Kippen des Verbotes der gewerbsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung dazu geführt habe, dass unmittelbar danach Sterbehilfeorganisationen solche Hilfen anbieten können, ohne dass es derzeit weiterer Voraussetzungen bedarf.
„Sie können zum Beispiel auch in kirchliche Einrichtungen der Altenhilfe gehen und dort ihre Dienste anbieten bzw. wenn Bewohnerinnen und Bewohner danach begehren, dann kommen sie auch in eine katholische Einrichtung. Insofern gibt es tatsächlich keinen Überblick. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar dem Staat anheim gestellt, ein Schutzkonzept auf gesetzlicher Basis aufzubauen. Aber bis das soweit ist und ob es dazu kommt - das steht derzeit noch etwas in den Sternen - können Sterbehilfe-Organisationen mehr oder minder frei walten.“
Er beurteile deshalb die Situation als „sehr prekär“. Denn es hier nicht um die Frage, ob ein Mensch für sich persönlich das Recht habe, eigenhändig aus dem Leben zu scheiden, sondern es gehe darum, dass es ein Grundrecht sei, auch angebotene Dienste anzunehmen.
„Das heißt, dass diese Dienste eine Dienstleistung anbieten können. Auch das ist mittlerweile ein Grundrecht. Das heißt, auch eine katholische Alteneinrichtung kann einen solchen Dienst nicht verwehren. Er kann nicht sagen: Ich verbiete, dass ein solcher Dienst etwa in meine Einrichtung kommt und Suizidassistenz leistet. Denn es handelt sich hier um einen Grundrechtsanspruch der Bewohnerinnen und Bewohner. Und das gilt selbstverständlich auch in den Einrichtungen der Altenhilfe.“
Das sei eine sehr prekäre Situation für viele Einrichtungen, katholische, evangelische und auch andere. Sie alle müssten damit klarkommen, so das Mitglied im Ethikrat.
„Insofern haben wir es tatsächlich mit einer, wenn man so will, Gefahr im Vollzug zu tun. Wir müssen also klären, was wir auch kirchlich mit einer solchen Situation anfangen. Zum zweiten knüpft das Bundesverfassungsgerichtsurteil ja selber formal hohe Ansprüche an die Suizidassistenz.“
Kirche in der Defensive
Nicht nur Eigenhändigkeit, sondern der Suizidwunsch müsse ernsthaft und freiwillig formuliert werden. Und das müsse natürlich auch festgestellt werden, damit so etwas auch wirklich gelingen könne, erläutert der Theologe. Die Kirche stehe in einer gewissen Defensive, in einer Verteidigung.
„Aber - mit Verlaub - für eine Verteidigung um den Schutz der Würde von Menschen sollte es nie zu spät sein. Und die katholische Kirche, auch die evangelische Kirche, die sich da durchaus unterscheiden, bemühen sich ja zumindest um eine Schadensbegrenzung.“
(domradio - mg)
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