D: Der ausländische Blick auf den Synodalen Weg
Radio Horeb: Herr Bischof Czeslaw Kozon, von Donnerstag bis Samstag fand in Frankfurt die dritte Synodal-Versammlung statt. Sie sind ausländischer Beobachter des Synodalen Weges. Wie haben Sie denn das jüngste Treffen wahrgenommen?
Bischof Czeslaw Kozon*: Ich war schon bei mehreren Treffen, auch online. Auch die Sitzung am Samstag konnte ich auch nur online mitverfolgen. Ich muss sagen, dass ich von Anfang an dem Synodalen Weg skeptisch gegenüber stehe. Und diese Skepsis ist ja eigentlich besonders bei der letzten Sitzung verstärkt worden. Ich muss natürlich auch sagen, dass ich die Bischöfe und die Katholiken in Deutschland verstehe, dass man nach dem Missbrauchsskandal da etwas tun muss. Das muss irgendwie angepackt werden. Und natürlich muss die Kirche in Deutschland sehen, wie sie weiterkommt, wie die Glaubwürdigkeit zurückgewonnen wird. Nur, der Weg hätte meines Erachtens anders sein können. Man hätte es eine größere Trennung zwischen Missbrauch und den Themen, die jetzt fast in den Mittelpunkt gerückt sind, machen müssen.
Radio Horeb: Wie bewerten Sie denn die Forderungen des Synodalen Wegs, die die Mehrheit der Delegierten befürwortet, beispielsweise die Lockerung des Zölibats oder auch das Weiheamt für Frauen?
Bischof Czeslaw Kozon: Das sind ja so zwei verschiedene Themen. Zölibat kann ja diskutiert werden. Ich selber befürworte die Aufrechterhaltung des Zölibats. Aber das darf ja auch kein Alleingang werden. Und auch wenn man die Problematik in Deutschland sehr stark spürt, dann ist es ja eine Frage für die ganze Kirche und deswegen sollte es kein Alleingang sein. Bezüglich des Priestertums für Frauen ist es ja was ganz anderes. Das ist ja eigentlich eine dogmatische Frage. Das heißt nicht, dass das die Frauenfrage ganz ignoriert werden darf. Dort, wo es möglich ist, soll man natürlich die Möglichkeit für Frauen in der Kirche fördern. Es hat auch im Laufe der Zeit Ungerechtigkeiten gegeben, wo Frauen zurückgehalten wurden. Aber das hat mit der Organisationsfrage nichts zu tun.
Radio Horeb: Und die wurde ja letztlich auch schon von Papst Johannes Paul II. In seinem Schreiben Ordinatio Sacerdotalis endgültig festgelegt für die Kirche. Wie viel Sinn macht es denn aus Ihrer Sicht trotzdem über diese Frage zu debattieren in Deutschland?
Bischof Czeslaw Kozon: Eigentlich macht das keinen Sinn, denn das ist ja auch irgendwie ein Trotz. Und natürlich wird das daran gemessen, dass es sonst in der Gesellschaft gleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen gibt. Und das will man jetzt auf die Kirche überführen. Und es wird ja auch im großen Maße als eine Gleichberechtigungsfrage angesehen. Zugegebenermaßen ist es schwierig, das manchmal zu erklären, weil es ja eben mehr als eine Gleichberechtigungsfrage ist. Man muss ja wirklich auf das Priestertum schauen wie ein Mysterium, ein Sakrament, auch die Verbindung mit Christus, wo man die die Maßstäbe der Gesellschaft bezüglich Gleichberechtigung nicht so anwenden kann.
Radio Horeb: Auch im Bereich der Sexualmoral fordern viele der Teilnehmer eine Änderung der Lehre. Unter anderem wird eine Neubewertung von Homosexualität gefordert, Segnung für Paare und die Möglichkeit, auch zu verhüten. Ist es nicht ein wenig irreführend, hier von einer Fortentwicklung zu sprechen? Denn es ist ja eigentlich ein Paradigmenwechsel.
Bischof Czeslaw Kozon: Ja, das finde ich auch. Und ein Bischof hat das eben Paradigmenwechsel genannt. Das wurde dann von anderen bestritten. Aber wir sind hier wirklich an einem Punkt angelangt, wo man an der Lehre der Kirche rüttelt. Und auch hier gilt es ja, dass sich homosexuelle Menschen in der Kirche willkommen fühlen müssen. Was an Unrecht früher vielleicht getan worden ist bezüglich Ausgrenzung, soll irgendwie wieder gut gemacht werden, aber nicht durch Gleichberechtigung von Ehe und homosexuellen Partnerschaften, auch nicht mit Segnungsfeiern.
Radio Horeb: Gibt es denn für diese Forderung eigentlich theologische Grundlagen aus Ihrer Sicht?
Bischof Czeslaw Kozon: Nein, das sehe ich gar nicht. Ehe und was damit verbunden ist, das intime Leben, ist ja wirklich schon von der Schöpfungsordnung her für Mann und Frau bestimmt. Und deswegen kann es da keine Lockerung geben.
Radio Horeb: In den letzten Jahren gab es ja auch eine Entwicklung in der Sexualmoral der Kirche. Denken wir beispielsweise an die Theologie des Leibes von Papst Johannes Paul II. Wie bewerten Sie denn diesen anthropologischen Ansatz?
Bischof Czeslaw Kozon: Ich muss gestehen, dass ich das nicht besonders sorgfältig studiert habe. Aber das ist ein Beispiel dafür, dass es in der Kirche keine Leib-Feindlichkeit besteht, dass Sexualität als etwas Positives bewertet wird, aber eben etwas als was auch richtig eingeordnet werden muss. Und dann eben kommen wir wieder darauf, dass das nur in der Ehe geht, sagen wir in der klassischen definierten Ehe zwischen Mann und Frau.
Radio Horeb: Herr Bischof, nun gibt es einige Schlagwörter, die bei den Diskussionen fallen, beispielsweise Freiheit, Autonomie, aber auch das Gewissen. Besteht hier die Gefahr, dass sich der Synodale Weg von der Theozentrik, hin zur Anthropozentrik bewegt, also nicht mehr Gott ins Zentrum stellt, sondern vielleicht den Menschen zu sehr?
Bischof Czeslaw Kozon: Da muss man ja vorsichtig sein. Ich habe doch das Vertrauen, dass alle Teilnehmer des Synodalen Weges auf dem Grund der Kirche bleiben wollen. Ich sehe aber auch manchmal, dass man sich irgendwie gedrängt fühlt und bei einigen gibt es die Befürchtung vielleicht, wenn nichts geändert wird, dann besucht niemand mehr die Kirche, dann wird die Kirche nicht mehr wahrgenommen. Aber ich meine, das braucht nicht so zu gehen. Und was auch eine Schwäche im synodalen Prozess meines Erachtens ist: alle diese Forderungen werden ja auf einem Hintergrund gemacht, wo das Glaubensleben schon vorher irgendwie geschwächt war. Also, es ist ja nicht erst seitdem man von Missbrauch spricht, dass es mit dem Glaubensleben schwach steht, auch schon vorher sind die Leute weniger zur Kirche gegangen. Die Zahl der Berufungen hatte abgenommen. Deswegen braucht man wirklich eine Verstärkung des Glaubenslebens. Und auch wenn Evangelisierung und Verkündigung erwähnt wird im synodalen Prozess - wird es meines Erachtens viel zu wenig erwähnt - und deswegen passiert es, dass man vielleicht eher auf die Welt schaut. Im synodalen Prozess wird gesagt: Ja, die Welt hat sich bewegt in all diesen Fragen Frauenfrage, Geschlechterfrage usw. und deswegen müsse die Kirche halt mit folgen, was sie aber meines Erachtens nicht, tun soll. Also die Kirche darf sich von der Welt nicht abgrenzen. Die Welt muss als ein Missionsfeld angesehen werden, wovon man keine Angst hat, aber andererseits soll die Kirche, sollen die Christen überhaupt nicht kritiklos die Normen der Welt übernehmen. Schon zurzeit Christi bestand ja kein unüberbrückbarer Gegensatz, aber ein Gegensatz, worauf man achten soll: dass man zwar der Welt gegenüber offen sein soll, weil man das Reich Gottes gerne verbreiten wird. Aber auch die Kritik bewahrt, dass nicht alle Normen der Welt vom Reich Gottes übernommen werden können.
Radio Horeb: Sie haben das Stichwort Evangelisierung schon mit hineingenommen. Papst Franziskus hatte ja in seinem Brief an die deutsche Kirche von der Notwendigkeit der Evangelisierung gesprochen. Kann denn der synodale Weg aus Ihrer Sicht eine Erneuerung für die katholische Kirche in Deutschland bedeuten? Und wie bewerten Sie vielleicht auch die mögliche Gefahr einer Spaltung?
Bischof Czeslaw Kozon: So wie sie jetzt läuft - da sehe ich wirklich keine Erneuerung im Sinne von Papst Franziskus. Der Synodale Weg fährt ziemlich schmalspurig, weil man sich vor allem so stark auf wenige Themen konzentriert und dann auch in einer Weise, die sich von der traditionellen Lehre der Kirche etwas entfernt. Aber ich bin doch noch so zuversichtlich, dass ich mit keiner Spaltung rechne. Doch auch wenn es nicht so weit kommt und sagen wir, dass man mit den Forderungen in Rom nicht durchkommt, dann wird die Frustration ja sehr groß bei denen, die dann enttäuscht sein werden und sie diese Enttäuschung zeigen waren mit noch mehr Austritten. Aber noch bin ich zuversichtlich, dass es zu keiner Spaltung kommt.
Radio Horeb: Herr Bischof Kozon, Sie sind Bischof von Kopenhagen. In Dänemark gibt es rund 44.000 Katholiken. Sie leben also in der Diaspora, also in der Minderheit.
Bischof Czeslaw Kozon: Jetzt sind wir etwas mehr als gut über gut über 50.000, sind aber trotzdem eine Minderheit.
Radio Horeb: Dann korrigiere ich mich gerne: über 50.000 Katholiken. Sie leben also in der Diaspora. Wie ist denn bei Ihnen die kirchliche Situation? Und werden vielleicht auch ähnliche Forderungen wie in Deutschland laut bei Ihnen?
Bischof Czeslaw Kozon: Ja, das ist der Fall. Diese Forderungen gibt es auf der ganzen Welt. Nur werden sie nirgendwo so ideologisiert, wie es zurzeit in Deutschland passiert. Doch deswegen bestimmen sie nicht unsere Tagesordnung. Das kirchliche Leben geht weiter mit den Herausforderungen. Es ist nicht unbedingt einfach. Es gibt auch hier Auseinandersetzungen, aber viel kleiner, und vor allem gibt es keine Polarisierungen, keine Bewegung, die diese Erneuerung fordern.
* Czeslaw Kozon ist 1951 im dänischen Idestrup geboren und seit 1995 der Bischof des römisch-katholischen Bistums Kopenhagen. Er wuchs in einer Familie mit polnischen Wurzeln auf. Von 1971 bis 1977 studierte er an der Gregoriana und der Lateranuniversität Theologie. Derzeit ist er Vorsitzender der Nordischen Bischofskonferenz (Skandinavien). Kozon unterstützt die Feier der Messe im tridentinischen Ritus, gemäß dem Motu proprio Summorum Pontificum und zelebriert auch selbst öfter in dieser überlieferten Liturgieform.
(radio horeb – mg)
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