Marianne Heimbach-Steins, Leiterin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster Marianne Heimbach-Steins, Leiterin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster 

Pfingsten: Siebter Geburtstag von „Laudato Si“

„Laudato Si“ ist ein „sehr, sehr wichtiger Meilenstein in der katholischen Soziallehre“. Das sagt die in Münster lehrende katholische Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins zum siebten Geburtstag der Sozialenzyklika von Papst Franziskus, die zu Pfingsten 2015 erschien. Als Fortsetzung wünscht sich die Theologin eine Enzyklika von Franziskus über Gewaltfreiheit.

Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Heimbach-Steins hält „Laudato Si“ für einen herausragenden Text der päpstlichen Verkündigung, weil er den Blickwinkel der Kirche weitete.

Marianne Heimbach-Steins: Das Dokument ist ein sehr, sehr wichtiger Meilenstein in der katholischen Soziallehre. Es macht deutlich, dass die Verantwortung, die wir Menschen für das gemeinsame Leben, das Zusammenleben haben, eben nicht an den Grenzen unserer Menschheit endet, sondern die ganze Ökologie einbezieht. Und deswegen ist es eine ökologisch-soziale Enzyklika, die einfach dieses große Thema der Verantwortung für das Zusammenleben im gemeinsamen Haus, in der Gesamtheit des Lebenszusammenhangs, als das Thema schlechthin setzt. Nicht als eines unter vielen, das hatten wir schon öfter, sondern eben als das große Thema im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.

Hier zum Hören:

Radio Vatikan: Es gab auch früher schon einige katholische Dokumente über Nachhaltigkeit, Ökologie, Schöpfungsverantwortung, aber noch nie eines auf so hoher Ebene. Was würde fehlen, gäbe es „Laudato Si“ nicht? Wäre die katholische Kirche dann einfach so hinterhergehinkt hinter dem Nachhaltigkeitsdenken, das sich in der säkularen Gesellschaft ja immer mehr Raum verschafft hat?

Marianne Heimbach-Steins: Ich glaube, es würde fehlen, diese ganz klare Positionierung einerseits in die Kirche hinein und andererseits aber auch in die Welt, in die Weltöffentlichkeit, in die Weltpolitik hinein: Dass die katholische Kirche als ein Akteur, der für Nachhaltigkeit, für ein ökologisch achtsames Zusammenleben eintritt und sich dieser Verantwortung stellt - insofern ist es ein Meilenstein. Aber es ist auch eine große Herausforderung. Denn wir haben bis heute eine Spannung zwischen der Positionierung des obersten Lehramts auf der einen Seite und der Verwirklichung in ganz viel Praxisfeldern. Da gibt es natürlich viele Akteure in der Kirche, die ökologisch verantwortlich arbeiten. Aber es braucht auch, glaube ich, wirklich noch mal diese ganz klare Positionierung von oben, die einen Markstein setzt für die Bedeutung der sozial-ökologischen Verantwortung, der sich Menschen, Christen und Christinnen stellen müssen. Und diesen Markstein zu haben ist extrem wertvoll. Er würde uns fehlen, wenn wir ihn nicht hätten.

 

Radio Vatikan: Die Enzyklika richtet sich nicht bloß an alle Menschen guten Willens, so wie Pacem in terris und viele spätere Enzykliken, sondern sie richtet sich an alle Menschen. Ist das ein kleiner Schritt, ein kleiner Schriftzug, für den Papst und ein großer Schritt für die katholische Kirche?

Marianne Heimbach-Steins: Zunächst einmal ist es das Signal, dass diese Ebene der Verantwortung, die in der Enzyklika angesprochen wird, einfach niemanden auslassen kann und dass eben auch einfach alle dazugehören zu diesem ganzheitlichen Lebenszusammenhang. Deswegen sind alle angesprochen. In dem Kapitel werden dann wieder alle Menschen guten Willens angesprochen. Da macht der Papst eine feine Differenzierung zwischen eben der Hineinnahme aller in dieses gemeinsame Haus, in die Verantwortung dafür, und der Frage: Wie begründen wir das? Ja, und das finde ich eine sehr feine Differenzierung, die da gemacht wird. Für die katholische Kirche insgesamt, glaube ich, ist das, wenn man sich das Gesamt der kirchlichen Sozialverkündigung ansieht, ein großes Thema, und das muss immer alle Menschen einschließen, das kann sich nie nur auf Christen beziehen. Insofern ist es eigentlich eine konsequente Fortschreibung einer großen Linie.

Radio Vatikan: Frau Heimbach- Steins, was könne Papst Franziskus sieben Jahre später tun, um die Inhalte von Laudato Si noch besser zu fördern?

Marianne Heimbach-Steins: Wenn wir diese Frage heute unter den Bedingungen betrachten, die wir jetzt haben, mit der ökologischen Verschärfung, mit der kriegerischen Situation in der Ukraine und vielen anderen Kriegsherde in der Welt, dann würde ich sagen: Mein Wunsch wäre, dass der Papst noch einmal etwas Großes in der Art einer Enzyklika schreibt, etwas zum Thema aktive Gewaltfreiheit in dem großen Horizont von Frieden, sozialem Zusammenleben und ökologischer Verantwortung.

(vatican news - gs)

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02. Juni 2022, 13:07