Deutscher Vatikan-Botschafter: Friedensgespräche im Blick haben
Bernhard Kotsch, Deutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl und beim Souveränen Malteser Orden: Schwerpunkt war der Friede in der Welt. Papst Franziskus hat bei uns Außenpolitikern natürlich die Konflikte dieser Welt aufgezählt und die Position der katholischen Kirche klar gemacht. An erster Stelle die Ukraine. Aber er ist auch auf andere Konflikte eingegangen wie im Jemen, wie viele Konflikte in Afrika, aber auch die schwierige Situation im Libanon. Er hat im Endeffekt die ganze Landkarte der Krisen nachgezeichnet.
Radio Vatikan: Gab es etwas, was Sie dabei überrascht hat oder was Ihnen persönlich aufgefallen ist?
Botschafter Kotsch: Nein. Ich glaube, wenn man das jetzt vergleicht mit dem letzten Jahr, dann hat sich nicht so viel verändert. Mit dem Ukrainekonflikt ist natürlich ein ganz großes Problem, ein Problem besonders für Europa, hinzugekommen und die Welt ist damit nicht sicherer geworden.
Sorge um die Demokratie
Botschafter Kotsch: Klar, wenn man sieht, was in den letzten Tagen in Brasilien passiert ist, dann kann man natürlich schon beunruhigt sein, wie es in Zukunft mit der Demokratie weitergeht. Der Iran ist, glaube ich, noch mal eine spezielle Situation, weil es eigentlich aus unserem Verständnis heraus auch keine klassische Demokratie ist. Hier steht vor allem der Einsatz der Todesstrafe im Fokus. Das Regime versucht mit harten Strafen gegen die Demonstranten vorzugehen. Hier sehen wir uns an der Seite des Heiligen Stuhls im Kampf gegen die Todesstrafe.
Radio Vatikan: Papst Franziskus hat außerdem auch noch einmal eindringlich gewarnt vor Atomwaffen und auch seine Sorge über die Möglichkeit eines Atomkriegs erneut zum Ausdruck gebracht - wird das Nachhall haben?
Botschafter Kotsch: Der Papst hat erneut, wie letztes Jahr auch, betont, dass der Besitz von Atomwaffen unmoralisch ist. Natürlich ist der Besitz dieser besonderen Waffe schwierig zu rechtfertigen und es bedarf einer besonderen Erklärung, auch und gerade in Demokratien. Für die Bundesrepublik haben Atomwaffen einen klar defensiven Charakter. Ich würde derzeit nicht sagen, dass wir momentan auf Atomwaffen verzichten können in Deutschland.
Radio Vatikan: Glauben Sie, dass die Sorge des Papstes jetzt noch einmal größer geworden ist, auch angesichts des Ukrainekriegs?
Botschafter Kotsch: Ich kann nachvollziehen, wenn man diesbezüglich Sorgen hat. Es gibt ja nicht nur die „eine große“ Atomrakete, es gibt auch andere Möglichkeiten, mit taktischen, also sehr viel kleineren nuklearen Sprengköpfen zu hantieren. Nachdem die Russen jetzt in der Ukraine unter Druck stehen, könnte es in Moskau Stimmen geben, die sagen, mit einem Einsatz einer solchen Waffe kann man einen militärischen Vorteil erzielen. Aber man muss dabei natürlich auch immer beachten, dass selbst der Einsatz kleinster Nuklearwaffen eine Kettenreaktion, eine politische Kettenreaktion, nach sich zieht. Und ich glaube, dass das auch entsprechend nach Moskau kommuniziert wurde. Ich halte daher einen Einsatz von Nuklearwaffen für nicht sehr wahrscheinlich.
Radio Vatikan: Papst Franziskus hat auch noch über weitere Themen gesprochen, über Klimaschutz, über Migration. Das sind Themen, die wichtig sind auch für Deutschland. Sehen Sie sich da in einer Linie mit dem Papst?
Botschafter Kotsch: Ja, bei vielen Themen sind wir in einer Linie mit dem Papst. Sie haben die Themen angesprochen. Wir haben ja jetzt COP 27 hinter uns. Wir bereiten uns auf die nächste Konferenz vor. Deutschland war sehr froh darüber, dass der Heilige Stuhl dem Pariser Klimaabkommen beigetreten ist. Ich glaube, dass wir hier sehr viele Gemeinsamkeiten haben, im gemeinsamen Kampf gegen die Umweltzerstörung und für die Bewahrung der Schöpfung. Auch bei der Migration sind wir sehr nah an den Vorstellungen des Heiligen Stuhls dran, was die Unterstützung für Flüchtlinge angeht. Was den Kampf gegen Schleuser angeht, was die Integration, die Aufnahme angeht. Wir müssen als Staat aber auch schauen, wie wir das Ganze in der Realität dann umsetzen. Da stoßen wir natürlich immer an Grenzen. Gleichzeitig sind wir aber als Deutschland in den letzten Jahren immer sehr eng an den Herausforderungen dran gewesen und haben das ganz gut gelöst.
Ich verstehe die Aufforderung des Papstes, gerade im Mittelmeer besonders zusammenzuarbeiten. Nach Deutschland kommen aber auch viele Flüchtlinge, und ich glaube zahlenmäßig sogar mehr, über die Landwege. Und auch die müssen wir natürlich im Blick haben, wenn man über dieses Thema redet.
Anteilnahme am Tod Benedikts XVI.
Radio Vatikan: Es gab noch einen ganz anderen Aspekt, den der Papst kurz angesprochen hat zu Beginn seiner Rede. Er hat sich auch bedankt für die Anteilnahme zum Tod des emeritierten Papsts Benedikts XVI.; zum Begräbnis sind ja auch viele Delegationen gekommen, auch aus Deutschland...
Botschafter Kotsch: Ich glaube, die Größe der deutschen Delegation hat deutlich gemacht, welche wichtige Rolle die katholische Kirche für Deutschland spielt und welche Rolle natürlich auch der emeritierte Papst dabei innegehabt hat. Es waren im Endeffekt die Repräsentanten aller großen Verfassungsorgane hier. Mehr geht nicht. Dann noch eine große bayerische Delegation, die auch den regionalen Aspekt abgedeckt hat. Alles in allem ein schönes Signal der Verbundenheit.
Herausforderungen für 2023
Radio Vatikan: Wo sehen Sie persönlich die größten Herausforderungen für das kommende Jahr?
Botschafter Kotsch: Ich glaube, dass der Krieg in der Ukraine gerade für uns hier in Europa nach wie vor ganz oben auf der Tagesordnung steht. Er dominiert alles. Sei es direkt mit der Frage: Wie kann man der angegriffenen Ukraine helfen? Natürlich muss man immer Friedensgespräche mit im Blick haben, aber das ist eine Sache, die auf einer ganz anderen Ebene diskutiert werden muss. Man muss, glaube ich, derzeit ganz klar sagen, dass die Aggression Russlands inakzeptabel ist und dass wir weiterhin fest an der Seite der Ukraine stehen.
Davon abgeleitet gibt es zusätzlich viele Themen, die für uns von Bedeutung sind: Da ist die Energiefrage, die nach wie vor gerade für Deutschland eine wichtige Rolle spielt. Hier sind wir aber auf einem guten Weg, uns praktisch völlig von Russland abzukoppeln. Wir müssen generell die Umweltzerstörung stoppen, wir müssen den Klimawandel stoppen und hier entscheidende Schritte machen. Natürlich ist die Frage der sozialen Gerechtigkeit auch immer eine Frage, die für uns wichtig ist. Die Frage: Wer trägt die Kosten dieses Wandels? Und so müssen wir Schritt für Schritt diese einzelnen Themen angreifen.
Schließlich ist es für die Kirche, glaube ich, jetzt gerade aus deutscher Sicht wichtig, wie es mit dem Synodalen Weg in Deutschland weitergeht und mit der Abstimmung mit Rom. Das werden wir weiterhin natürlich aufmerksam verfolgen.
Die Fragen stellte Stefanie Stahlhofen
(vatican news - sst)
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